Die Kanzlerin in Harvard: Darum lieben die Amerikaner Angela Merkel

In Deutschland spaltet sie mit ihrer Politik die Nation. Doch in den USA wird Angela Merkel so hochgelobt, dass es schon an Verehrung grenzt. Was schätzen die Amerikaner so an ihr?

Angela Merkel bekommt am 30. Mai 2019 an der Harvard University die Ehrendoktorwürde verliehen. (Bild: Getty Images)
Angela Merkel bekommt am 30. Mai 2019 an der Harvard University die Ehrendoktorwürde verliehen. (Bild: Getty Images)

In den USA steht am 30. Mai 2019 ein besonderer Auftritt Angela Merkels an. An einer der berühmtesten Universitäten der Welt, der Harvard University in Cambridge, bekommt die Bundeskanzlerin die Ehrendoktorwürde verliehen. Im Rahmen der traditionsreichen Abschlussfeier wird sich Merkel mit einer feierlichen Rede - der sogenannten “Commencement Speech” - an gut 20.000 Absolventen und Gäste wenden. Eine große Ehre, die vor ihr schon den Bundeskanzlern Konrad Adenauer, Helmut Schmidt und Helmut Kohl zuteil wurde.

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Bereits im Dezember 2018 veröffentlichte die Universität auf YouTube einen pompösen Trailer, der Merkels Besuch ankündigte. Dramatische Musik, historische Bilder und Zitate hinterließen damals den Eindruck eines neuen Hollywood-Blockbusters mit der Kanzlerin in der Hauptrolle. Die Universitäts-Zeitung “Harvard Gazette“ veröffentlichte einen Artikel, der sich wie eine seitenlange Laudatio mit Zitaten bekannter Politiker, Journalisten und anderer Merkel-Fans liest.

Doch was lieben die Amerikaner so an der Pfarrerstochter aus Ostdeutschland?

Deutschland und die USA sind zwei Nationen, die sich als Freunde sehen. Und doch ist es ein Verhältnis, das im Laufe der Geschichte mehr als einmal auf die Probe gestellt wurde. Jeder Kanzler hatte mit der Stars-and-Stripes-Nation sein eigenes Päckchen zu tragen: Konrad Adenauer durch den Marshall-Plan, Helmut Kohl durch die Wiedervereinigung und Kanzlerin Angela Merkel durch Flüchtlingskrise, EU-Katastrophen und, nicht zuletzt, Donald Trump.

Merkels Aufstieg ist authentisch

Es ist zum einen sicher Merkels persönliche Geschichte, die ein wenig an den “American Dream“ anknüpft: Jeder kann es schaffen und aus sich selbst etwas machen. Als Tochter eines Pfarrers wuchs Angela Merkel in Ostdeutschland auf und gab ihre Karriere als Wissenschaftlerin auf, um in die Politik zu gehen. Statt vom Tellerwäscher zum Millionär ist sie laut der “Harvard Gazette“ “die Physikerin, die eine Weltpolitikerin wurde“.

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Merkels Beharrlichkeit imponiert

Je nachdem, wen man fragt, spricht man wahlweise von Merkels Standfestigkeit oder Sturheit, was politische Diskurse und Entscheidungen angeht. Ihre harte Hand gegenüber den populistischen Parteien im eigenen Land und innerhalb Europas macht Eindruck auf der anderen Seite des Atlantiks. Vor allem in puncto Flüchtlingskrise und EU. Während die Mehrheit der Deutschen mit Merkels Politik zu diesem Thema unzufrieden war, feierten die Amerikaner ihre demokratischen und christlichen Werte in Krisenzeiten.

Germanys Chancellor Angela Merkel (L) and US President Donald Trump hold a bilateral meeting, on the sidelines of the G20 Leaders' Summit in Buenos Aires, on December 01, 2018. - The leaders of countries representing four-fifths of the global economy opened a two-day meeting in Argentina facing the deepest fractures since the first G20 summit convened 10 years ago in the throes of financial crisis. (Photo by SAUL LOEB / AFP)        (Photo credit should read SAUL LOEB/AFP/Getty Images)
Angela Merkel und Donald Trump im Rahmen des G20 Gipfels 2018. Freude kam da nicht gerade auf. (Bild: Getty Images)

“Eine Figur der Hoffnung“, nennt sie etwa Wendy Sherman, die als stellvertretende US-Außenministerin unter Bill Clinton im Artikel der “Harvard Gazette“ zu Wort kommt. Als “Problemlöserin“ sieht sie zum Beispiel auch Nicholas Burns, der ehemalige Staatssekretär für politische Angelegenheiten: “Die russischen Cyberangriffe, die hiesige Politik, der Aufstieg der antidemokratischen Populisten in Europa und Donald Trump stellen sie in Frage. Und für viele von uns, die den Westen für wichtig halten, die Idee einer demokratischen Welt, ist sie jetzt die Anführerin des Westens.“

Merkels Umgang mit Donald Trump brachte ihr viel Respekt

Unter dem 45. Präsidenten haben sich die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA deutlich abgekühlt. Schon seit dem ersten Zusammentreffen der beiden Weltpolitiker war klar: Die werden nicht miteinander warm. Was vielleicht auch daran liegt, dass die beiden aus komplett verschiedenen Welten kommen.

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Auf der einen Seite Donald Trump, der reiche Unternehmer aus New York, der sein Ego in Reality-Soaps pusht und mit zweifelhaften Versprechungen Präsident wurde. Der Mann, der am laufenden Band gegen alle wettert, die gegen ihn sind. Auf der anderen Seite Angela Merkel, promovierte Physikerin aus der DDR, die still und leise auf nüchterne Tatsachen statt auf laute Emotionen setzt.

Merkel, deren politische Schwerpunkte Globalisierung, Multilateralismus und Protektionismus sich fundamental von denen des US-Präsidenten unterscheiden. Die Frau, die sich von Donald Trumps Kapriolen nie aus der Ruhe bringen ließ und gleichzeitig dezent, aber unmissverständlich, dem Präsidenten Kontra gab. Umso mehr genießt die Kanzlerin gerade in Harvard großen Respekt, denn die Kaderschmiede liegt im Großraum Boston. Die Region gilt als liberale Hochburg, wo man nicht viel vom Republikaner Trump hält.

CAMBRIDGE, MA - AUGUST 30: Pedestrians walk past a Harvard University building on August 30, 2018 in Cambridge, Massachusetts. The U.S. Justice Department sided with Asian-Americans suing Harvard over admissions policy.  (Photo by Scott Eisen/Getty Images)
Ein Teil der berühmten Harvard Universität, wo Merkel am 30. Mai erwartet wird. (Bild: Getty Images)

Kein Treffen zwischen Merkel und Trump

Obwohl Merkel im Land ist und der Auftritt nicht erst seit gestern geplant ist, hatte Donald Trump für ein Treffen mit ihr keine Zeit. Er muss nämlich seine eigene Rede halten, in der Air Force Academy in Colorado Springs, fast 3000 Kilometer entfernt. Während Donald Trump seine Worte vermutlich in gewohnt pompöser Manier wählen wird, versuchte Merkel die Erwartungen an ihre Rede im Vorfeld etwas zu dämpfen. Ihre Ansprache werde "keine klassische politische Rede sein, sondern eine Rede, die auch mein Leben den Studenten nahe bringt und die daraus entstandenen Lehren dann auch beinhaltet".

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