Kommentar: Die Kritik an Kramp-Karrenbauer zielt oft auf sie als Frau

Annegret Kramp-Karrenbauer, Chairwoman of Germany's Christian Democratic Union party (CDU), leaves a news conference at the party headquarters in Berlin, Germany June 3, 2019.   REUTERS/Fabrizio Bensch
Die CDU-Vorsitzende und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei einer Pressekonferenz in Berlin (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Die CDU-Vorsitzende sucht gezielt Fettnäpfchen auf, gewiss. Aber ist sie damit in der Politik allein? Was sie unterscheidet: Man verzeiht ihr nicht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Erst hatte Annegret Kramp-Karrenbauer kein Glück, und dann kam auch noch Pech hinzu. Für letzteres trägt die CDU-Vorsitzende und Kanzlerinnachfolgerin in spe allein die Verantwortung. Ihre Wortmeldungen reichen von übertrieben harsch bis hastig ungenau. Für das fehlende Glück aber kann sie nichts. Schließlich wurde sie als Mädchen geboren. Und wie das Wort schon sagt, sorgt die Verniedlichungsform des “-chen” in der Arena der Politik für stete Herabsetzung. So wird das schwer für Kramp-Karrenbauer.

Der jüngste Fauxpas der Saarländerin hatte es, zugegeben, in sich. Dass sie gegen den Westentaschenprovokateur Hans-Georg Maaßen und die Werte-Union in der CDU austeilt, war richtig und wichtig. Sie sagte: Der Versuch, "eine gänzlich andere Partei" zu schaffen, stoße auf ihren "allerhärtesten Widerstand". Und zu Maaßen, dem geschassten Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, fügte sie hinzu, als ehemalige Innenministerin sei sie froh, dass er keine Verantwortung mehr für den deutschen Verfassungsschutz habe.

Ein Verbalrowdy sucht die Märtyrerrolle

Zu Maaßen ist genug gesagt worden. Er disqualifizierte sich im Amt, weil er auf dem rechten Auge blind blinzelte, während er sich in andere Blickrichtungen alarmiert gab; Fehleinschätzungen wie bei den Chemnitzer Hetzjagden inklusive. Damals äußerte ich die Hoffnung, dass man sich nach seinem Rausschmiss nicht mehr die Mühe machen müsse zu schauen, wie sein Name genau geschrieben wird – aber der Herr erschreibt sich gerade in den Sozialen Medien einen gewissen Fame, indem er den Spagat hinkriegt einerseits blasiert und elitistisch wie ein Graf Koks aufzutreten und andererseits mit populistischen Parolen so genannte Wahrheiten zu verbreiten, die in den von ihm angestrebten Bildungskreisen zwar nur stirnrunzelnd zur Kenntnis genommen werden, aber in den Untiefen von Socialmedia ordentlich rumsen.

Jedenfalls ist es Aufgabe einer CDU-Vorsitzenden den spalterischen Tendenzen einer internen Gruppe den Riegel vorzuschieben. Und der Vergleich zwischen der Werte-Union in Deutschland und der Tea Party in den USA ist nicht weit hergeholt. Die Republikaner schafften es nicht, diese Gruppierung frühzeitig zu bekämpfen – und in ihr tummelten sich anfangs unwichtige und einflusslose Typen mitunter nur deshalb, weil sie sich dadurch Auftrieb versprachen. Genauso verhält es sich mit der Werte-Union. Sie ist voller Wichtigtuer, die noch was vorhaben – mit sich.

Doch dann kam das Fettnäpfchen. Bei den Worten zu Maaßen hätte Kramp-Karrenbauer es belassen sollen. Sie merkte indes an: "Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus einer Partei auszuschließen", sagte sie auf die konkrete Frage, ob sie über einen Ausschluss nachdenke. "Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet." Es war halt ein “aber” zu viel. Kramp-Karrenbauer und ihr Presseteam sind seitdem damit beschäftigt, ihre Worte wieder einzuholen und klarzustellen dass sie kein Ausschlussverfahren anstrebe.

Dies wäre auch töricht. Jemanden wie Maaßen bestraft man mit Überhören. Ein Ausschlussverfahren würde ihn auf ein Podium heben, ihn eine Märtyrerrolle spielen lassen, die Rechtspopulisten anzieht wie kaum anderes.

Die Geschlechterfrage drängt sich auf

Doch was passiert nun? Die Häme über “AKK” ist groß, die Kommentare fragen sich reihenweise, ob sie “Kanzlerin kann”. Da drängt sich die Frage auf, seit wann Fettnäpfchen nicht zur Ortsbezeichnung für Berufspolitiker gehören. Klar, Kramp-Karrenbauer scheint ein Faible für komisches Rumpeln zu haben – man denke nur an ihre komische Karnevalsrede und die so genannten Witze über Transsexuelle oder an ihre peinliche Reaktion auf Rezos “Zerstörungsvideo”. Aber einem Gerhard Schröder hat man noch viel mehr durchgehen lassen, ohne gleich seine Führungsqualitäten anzuzweifeln.

Doch bei Kramp-Karrenbauer liegt es anders. Der Unterschied ist, dass es zum Beispiel Männer sind, die über sie schreiben. Die Google-Recherche bot mir bei den ersten zehn aktuellen Kommentaren zu Kramp-Karrenbauer neun Texte von Männern an, und einer versteckte sich anonym hinter einer Bezahlschranke.

Die kann das nicht – diese vier magischen Worte werden seit Jahrhunderten bemüht, um eine Vorrangstellung von Männern gegenüber Frauen zu rechtfertigen, wo auch immer. Ist es überraschend, dass Kramp-Karrenbauer nun mit derselben Kritik bedacht wird?

Angela Merkel gelang es irgendwann sich solcher Häme zu entziehen, sie zeigte möglichst wenig Kante. Doch sowas funktioniert heute nicht mehr. Daher agiert Merkel heute auch anders und angreifbarer, während Kramp-Karrenbauer ihren eigenen Weg suchen muss. Eine Chance auf das Kanzleramt hat sie immer noch. Nur muss sie ein kräftiges und spontanes Reden hinkriegen, das nicht zu Missverständnissen einlädt.