Die Performance der Bundesregierung: Das sind die Einzelnoten
Die Große Koalition neigt sich dem Ende zu. Wie waren die Leistungen der einzelnen Ministerinnen und Minister? Hier der Yahoo-Politikcheck.
Eine Analyse von Jan Rübel
Je näher der Wahltermin am 26. September rückt, desto enger rücken Union und SPD in den Umfragen zusammen. Ursprünglich wollten Genossen und Konservative vor vier Jahren nicht noch einmal auf der Regierungsbank zusammenrücken. Doch damals scheute die FDP die Exekutivverantwortung – und die gebeutelte SPD musste ran. Doch erstmals schadet ihr nicht die Arbeit im Maschinenraum: Kanzlerkandidat Olaf Scholz steht in den Umfragen blendend da, während die Damen und Herren von der Union auf dem Sonnendeck in einen Regenguss geraten. Wie aber sind die einzelnen Arbeitsleistungen zu bewerten? Hier das Bundeskabinett in Noten.
Angela Merkel, Bundeskanzlerin
Viele schreiben, man werde sie vermissen. Besonders international wirkte Merkel stabilisierend, sorgte für ein Funktionieren institutioneller Strukturen. Das war gut. Denn es verhinderte Krisen und Konflikte. National wurde die Kanzlerin dagegen immer stiller. Dies nicht, weil sie wegen ihres vorzeitig angekündigten Abgangs eine lame duck wäre: Die Kanzlerin hat viele Debatten und Krisen laufen lassen, ohne einzugreifen. Bei Corona glänzte sie einerseits mit Wissen und einer klaren Linie. Aber andererseits drängte sich schon der Eindruck auf, dass die diese nicht mit Nachdruck verfolgte.
Note: 3
Olaf Scholz, Vize-Kanzler und Bundesfinanzminister
Der Hamburger wuselte effektiv in seinen Behörden. Doch Fehler unterliefen ihm auch: Da war die Unterschätzung von Wirecard und die Lässigkeit noch in Zeiten als Bürgermeister bei der Verfolgung von Steuersündern. Scholz inszeniert sich gleichwohl als beruhigender Pol, als Merkel-Intimus und in Zahlen kundig. Deshalb steht er im Wahlkampf gut da.
Note: 2
Horst Seehofer, Bundesinnenminister
Lange nichts mehr gehört von…dem Recken aus Ingolstadt. Konkrete Amtsmüdigkeit ist Seehofer anzusehen. Mit dem Amt des obersten Sicherheitshüter fremdelte er von Beginn an. Seehofer ist Experte im Sozialen und in Gesundheitsthemen – als Innenminister holte er nur uninspiriert hier und da die Keule raus. Für eine Stärkung der Polizeien rackerte er nicht gerade, einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem behördeninternen Rassismus versperrte er sich auch. Seehofer wird sich denken, dass er zum Ende seiner Karriere anderes verdient hätte. Das denken wir auch.
Note: 4
Heiko Maas, Außenminister
Wird er nun mit einem s oder mit ß geschrieben? Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit arbeitete sich der Saarländer lange nicht. Dem Auswärtigen Amt verpasste er als Chef keine strategische Linie, sondern nur Erbverwaltung. Er wurschtelte sich durch, mit stets selbstverliebtem, gelangweiltem und einschläferndem Ton. Mit dem Desaster in Afghanistan wurde er einem größeren deutschen Publikum dann doch bekannt, leider als total fail. Selten solch einen schwachen Minister erlebt.
Note: 5
Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister
Der zweite Saarländer im Kabinett, und sicherlich kein Ausfall wie Maas. Aber Altmaier setzte kaum Akzente. Und er sperrte sich gegen Innovationen, gegen die von ihm selbst als früherer Bundesumweltminister gesteuerte Energiewende. Für die Wirtschaft war er verlässlich, aber Reformgeist und Innovation sehen anders aus.
Note: 4+
Christine Lambrecht, Bundesjustizministerin
In der Regierung war sie still, aber eine Bank. Die Südhessin wahrte ihre Unabhängigkeit als Hüterin von Recht und Justiz auch über Parteigrenzen hinaus.
Note: 2
Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister
Ein Fürsprecher der Arbeitenden, das war Heil schon. Den Mindestlohn kann er sich ans Revers heften. Der Niedersachse sprüht nicht gerade vor Veränderungswillen, aber seine Hausaufgaben machte er.
Note: 2
Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesverteidigungsministerin
Die ehemalige CDU-Parteichefin kam ins Amt, um ihr politisches Gewicht auszubauen. Doch dieses Ressort ist schwierig und undankbar – denn an diesem Ort kann jeder mehr Fehler machen als anderswo. Kramp-Karrenbauer machte sie. Nicht allzu viele. Auch verhalf sie zu Kontinuität. Aber zu mehr kaum
Note: 3
Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin
Julia Klöckner redet viel, sagt aber wenig. Oft wirkte sie nicht eingearbeitet. Und eine Ökologisierung des Agrarwesens verschlief sie komplett. Auch erschien sie nicht als eine Gesprächspartnerin, welche die Belange der vielen Akteure nicht ernst genug nimmt.
Note: 4
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister
Seit Jens Spahn nicht mehr davon träumt, sofort Bundeskanzler zu werden, ist es ein wenig still um ihn geworden. Er hatte wegen Corona ja auch eine Menge auf dem Schreibtisch liegen. Vieles arbeitete er ab. Man hätte es schlechter treffen können. Doch stets ging er strategisch im eigenen Sinne vor: Wer ihm nichts brachte, war vor ihm nicht sicher. Mit einem Gesetz über Beatmung zuhause überrumpelte viele Menschen mit Behinderung.
Note: 3-
Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister
Der Scheuer Andi leistete sich derart grobe Schnitzer, dass man kaum mitkriegt, dass er sich für Verkehrsthemen tatsächlich interessiert. Die Autobahnmaut und die daran anschließenden Vertuschungsversuche reichten für fünf Rücktritte. Dabei schob er durchaus Reformen an, bewirkte für Fahrradfahrer zum Beispiel viel Gutes. Dennoch in der Gesamtschau wenig ministrabel.
Note: 4-
Svenja Schulze, Bundesumweltministerin
Die Genossin ging Konflikten im Kabinett nicht aus dem Weg. Doch sie hatte einen schweren Stand, denn Klimathemen waren in dieser Koalition nicht gerade gesetzt. In vielem setzte sich Schulze nicht durch. Eine zweite Chance hätte sie dennoch verdient.
Note: 3
Anja Karliczek, Bundesbildungsministerin
Anfangs fremdelte sie mit dem Amt. Und das tut sie heute immer noch. Bildung ist für Karliczek offensichtlich ein hochglänzendes Ding mit viel Technologie und Klimbim. Für die breite Bildung war sie kaum Ansprechpartnerin. Immerhin wagte sie den wichtigen Machtkampf mit den Bundesländern, welche die wahren Verbesserungsverhinderer sind.
Note: 4+
Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister
Vielleicht war es anfangs nicht sein Traumamt. Aber im Lauf der Jahre entwickelte es sich dazu. Müller wurde Fürsprecher einer engagierten internationalen Zusammenarbeit, der Belange afrikanischer Länder. Seine Kirsche auf der Sahnetorte: das Lieferkettengesetz.
Note: 2
Helge Braun, Kanzleramtsminister
In der Pandemie hielt er viele Fäden unsichtbar in der Hand. Braun war der Ruhepol des Ruhepols Merkel. Diese Arbeit verrichtete er effektiv, nur manchmal entglitt ihm eine Wurstigkeit. Und mit der Digitalisierung kam er auch nicht richtig voran
Note: 3
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