Die spektakulärsten Satire-Aktionen der „Titanic“

Thomas Gottschalk, Cornelia Pieper und Julian Reichelt wissen, wie es sich anfühlt, von der „Titanic“ auf die Schippe genommen zu werden. (Bild: AP Photo, Wenn)
Thomas Gottschalk, Cornelia Pieper und Julian Reichelt wissen, wie es sich anfühlt, von der „Titanic“ auf die Schippe genommen zu werden. (Bild: AP Photo, Wenn)

„Bild“, FIFA oder Parteien im deutschen Bundestag: Vor den Satire-Aktionen der „Titanic“ ist niemand sicher, wie ein Rückblick auf die medienwirksamsten Aktionen des Magazins beweist.

„Neue Schmutzkübelkampagne bei der SPD“ titelte die „Bild“ am 16. Februar in großen Lettern. Eine anonyme Quelle hatte dem Boulevardmedium den Mailverkehr zwischen dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert und einer Person mit dem vermeintlichen Namen Juri zugespielt. Der angebliche Verschwörungs-Plot: Juri bot Kühnert an, ihm mit Bots und Facebook-Postings bei seiner Anti-GroKo-Kampagne unter die Arme zu greifen. Die reißerische Geschichte entpuppte sich jedoch schon bald als Fake, der „Bild“-Chef Julian Reichelt ordentlich in Bedrängnis und Erklärungsnot brachte. Hinter Juri steckte nämlich die Redaktion des Satireblatts „Titanic“ – und die schlug bei weitem nicht zum ersten Mal mit einer derartigen Aktion zu.

Das erste Mal wurde die Bundesrepublik 1988 auf „Titanic“ aufmerksam. Damals nahm der damalige Chefredakteur des Blatts, Bernd Fritz, an der beliebten Hauptabendshow „Wetten, dass..?“ teil und schummelte sich durch eine Wette. Fritz gab an, die Farbe von Buntstiften an deren Geschmack erkennen zu können. Er gewann die Wette – und gestand Moderator Thomas Gottschalk vor laufender Kamera, dass er durch seine Sichtabdeckung durchsehen konnte, ohne dass es jemand bemerkt hatte. Die Aktion machte sich für das junge Magazin bezahlt – wenn auch nur kurzfristig: die nächste Ausgabe der Titanic verkaufte sich in doppelt so hoher Auflage.

1999 schlug das Satire-Blatt erneut zu: Eine Dame namens „Edmunda Zlep“ wollte dem damaligen FDP-Wirtschaftsminister Walter Döring mehrere Millionen Mark vererben, um seine Parteikarriere zu fördern. Die Medien sprangen auf den Zug auf – ein geglückter Streich aus der Feder des „Titanic“-Mitarbeiters Edmund Pelz.

2000 wandte sich das Blatt dem Weltfußball zu und sorgte für einen legendären Bestechungsskandal. Absichtlich dilettantisch – mit Schwarzwälder Schinken und einer Kuckucksuhr versuchte „Titanic“, unter anderem den neuseeländischen Fifa-Funktionär Charles Dempsey zu bestechen. Bei der Abstimmung über den Austragungsort enthielt sich Dempsey – bis heute wird darüber spekuliert, ob dies aufgrund der Faxe passierte, die ihm das Magazin schickte. Ebenso gemutmaßt wird, dass seine Stimmenthaltung zum Vorteil Deutschlands reichte, die Weltmeisterschaft wurde (mit 12:11 Stimmen) schließlich in der Bundesrepublik ausgetragen. Dempsey selbst erklärte, dass von diversen Seiten auf ihn Druck ausgeübt und Drohungen ausgesprochen wurde. Weniger lustig fand die Aktion die „Bild“-Zeitung: Ihrem Aufruf, in der „Titanic“-Redaktion anzurufen, kamen viele pöbelnde Leser nach. Glück für das Magazin: die angedrohte Klage über 600 Millionen D-Mark Schadensersatz reichte die FIFA nie ein, Chefredakteur Martin Sonneborn musste allerdings eine Unterlassungserklärung unterschreiben, in der er sich dazu verpflichtete, von solchen Aktionen künftig abzusehen.

Anfang der 2000er-Jahre mussten die FDP und die SPD daran glauben. 2002 fälschte „Titanic“ FDP-Wahlplakate, von denen eines die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper nackt zeigte. Auf dem Plakat umarmte sie zudem den ehemaligen Spitzenkandidaten aus Mecklenburg-Vorpommern, Peter Bond. Zu lesen war: „FDP – die (liberale) SpaSSpartei“ (in Runenform). Auch dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden war ein Sujet gewidmet, auf dem „Gib endlich Friedman – Judenfrei und Spass dabei“ zu lesen war. Ein Jahr später inszenierte „Titanic“ eine SPD-Wahlveranstaltung in Aschaffenburg mit den Slogans „Wir geben auf“ und „mit Anstand verlieren“.

Die deutschen Politiker bieten von jeher viel Angriffsfläche: 1999 wurde die illegale Spendenpraxis der CDU in den 1990er-Jahren unter dem damaligen CDU-Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Helmut Kohl aufgedeckt. Die „Titanic“-Redaktion wollte zwei Jahre später testen, ob die Politiker nach der Schwarzgeldaffäre dazugelernt hatten. Ein „Titanic“-Praktikant mit Schweizer Wurzeln gab sich als Bankmitarbeiter aus und informierte die CDU darüber, dass 8,9 Millionen Franken auf einem vergessenen Parteikonto liegen würden. Die Geschichte wurde durch gefälschte Kontoauszüge untermalt. Eine Delegation von Spitzenpolitkern um Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann und dem parlamentarischen Geschäftsführer Eckart von Klaeden reiste daraufhin tatsächlich nach Luzern und verlangte in einer Filiale der Credit Suisse, den nicht existenten Bankdirektor Weber über angeblich aufgefundene Schwarzgeldkonten zu sprechen. Am Treffpunkt erwartete sie jedoch Chefredakteur Martin Sonneborn mit einem Koffer, auf dem „CDU-Schwarzgeld“ stand.

Der Vorsitzende von Die PARTEI Martin Sonneborn errang einen Sitz im Europäischen Parlament. (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)
Der Vorsitzende von Die PARTEI Martin Sonneborn errang einen Sitz im Europäischen Parlament. (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)

Den weiteren Polit-Coup landete das Satiremagazin mit der Gründung der Partei „Die PARTEI“, die 2004 von Redakteuren des Blatts gegründet wurde. Mit Erfolg: neben Erfolgen auf kommunaler und Landesebene errang Spitzenkandidat Martin Sonneborn einen Sitz im EU-Parlament. 2014 erfolgte auch die Gründung einer Schwesterpartei in Österreich.

Mit der neuesten Aktion legte die Titanic nun auch die größte Zeitung der Bundesrepublik rein. Schwer soll das nicht gewesen sein: „Eine anonyme Mail, zwei, drei Anrufe – und ‚Bild’ druckt alles, was ihnen in die Agenda passt“, zitiert die „FAZ“ das Satire-Magazin. Weniger lustig fand dies „BILD“-Chefredakteur Julian Reichelt selbst: „Meine Meinung: Natürlich darf Satire so etwas, aber sie versucht sich hier zu profilieren, indem sie journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren versucht“, so Reichelt auf Twitter.

Die Titanic kommentiert dies gewohnt bissig mit einer Anspielung auf Hündin Lima, die die Boulevardreporter zuvor bei der SPD eingeschleust hatten.