Diese Bundestags-Initiative richtet sich gegen die AfD

Ein AfD-Politiker könnte Alterspräsident des Bundestags werden. Das wollen etablierte Parteien verhindern. Die AfD nimmt den Widerstand gelassen hin – und erinnert an einen Alterspräsidenten der „Partei der Mauertoten“.

Im Bundestag formiert sich eine fraktionsübergreifende Initiative gegen einen möglichen Alterspräsidenten aus den Reihen der AfD. Nach bisherigem Verfahren könnte bei einem Einzug der AfD in den Bundestag möglicherweise deren 76-jähriger Vizechef Alexander Gauland oder ein niedersächsischer AfD-Politiker als Alterspräsident die erste Sitzung leiten, bis der neugewählte Präsident oder einer seiner Stellvertreter das Amt übernimmt.

Diese Fall muss aber nicht zwingend eintreten. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, hat nun Bundestagspräsident Norbert Lammert ins Spiel gebracht. Er plädiert dafür, dass der Alterspräsident des Parlaments künftig nicht mehr nach Lebensjahren, sondern nach Dienstjahren bestimmt wird. Nach Angaben des Bundestags hat Lammert dies gegenüber dem Ältestenrat angeregt.

Der Lammert-Vorstoß stößt auf ein positives Echo in den Fraktionen der Koalition und der Opposition. „Ich unterstützte den Vorschlag, denn die konstituierende Sitzung nach der Wahl steht im besonderen Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie zu leiten braucht Erfahrung und nicht Alter“, sagte der Justiziar der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), dem Handelsblatt. Daher sollte noch vor der Bundestagswahl die Geschäftsordnung des Parlaments entsprechend geändert werden.

Offenheit für den „guten Vorschlag“ signalisierte auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Er wollte diesen aber nicht explizit als Reaktion auf einen möglichen Parlamentseinzug der AfD verstanden wissen. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Oppermann, man brauche Erfahrung in diesem Amt. „Dies gilt unabhängig von einem möglichen Alterspräsidenten der AfD.“ Die SPD kämpfe in den nächsten sechs Monaten darum, „dass die AfD überhaupt nicht in den Bundestag kommt“. Das sei auch erreichbar.

Sollte die Neuregelung noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden, hätte voraussichtlich der seit 1972 im Bundestag arbeitende Wolfgang Schäuble das Amt inne. Falls es zu keiner Änderung der Geschäftsordnung kommt, gilt der niedersächsische AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg als aussichtsreichster Kandidat. Er wird in wenigen Tagen 77 Jahre alt. Sollte die AfD bei der Wahl weniger gut abschneiden, liefe es auf den etwas jüngeren Gauland zu, der einen besseren Listenplatz hat. Der amtierende Alterspräsident, der CDU-Politiker Heinz Riesenhuber (81), hatte erklärt, nicht erneut zu kandidieren.

Die Linkspartei erwägt, den Vorschlag ebenfalls zu unterstützen. Man dürfe bei diesem Thema zwar „nicht leichtfertig“ sein, sagte die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, dem Handelsblatt. „Aber wenn droht, dass mit einem Herrn von Gottberg jemand als Alterspräsident reden würde, der klare geschichtsrevisionistische Thesen vertritt, der die Singularität der Naziverbrechen in Frage stellt, dann haben wir eine kollektive Verantwortung.“

„Auch international wäre es ein schlimmes Signal“, warnte Kipping, wenn Gottberg solche Thesen zur Öffnung des Bundestages vertreten würde, ohne dass jemand auf Augenhöhe widersprechen könne. Hier habe der Bundestag eine „kollektive Verantwortung“. „Entweder muss die Art der Debatte verändert werden oder wir müssen über den Vorschlag von Herrn Lammert ernsthaft nachdenken“, sagte Kipping.


AfD wirft Lammert Trickserei vor

Gauland reagierte gelassen auf den Lammert-Vorstoß. „Was müssen die Altparteien für eine Angst vor der AfD haben, wenn sie jetzt schon zu solchen Tricksereien greifen wollen, nur um zu verhindern, dass wir im nächsten Deutschen Bundestag den Alterspräsidenten stellen könnten“, sagte der Bundesparteivize. Er erinnerte an den Schriftsteller Stefan Heym. Als dieser „für die Partei der Mauertoten“ 1994 Alterspräsident geworden sei, habe es keinen Aufschrei gegeben. „Heute jedoch möchte man mögliche Kandidaten einer demokratischen Partei mit billigen Tricks völlig grundlos verhindern.“ Dabei sei es ihm „persönlich vollkommen egal, wer diesen Titel im September erhält und welche Partei ihn stellt“, fügte Gauland hinzu.

Der 76-Jährige steht als Vize-Chef der Bundes-AfD zwar offiziell in der zweiten Reihe. Im Bundesvorstand ist er dennoch ein wichtiger Strippenzieher. Das liegt erstens daran, dass er als ehemaliger CDU-Staatskanzleichef in Hessen mehr politische Erfahrung hat als seine Parteikollegen. Zweitens sehen sie ihn aufgrund seines Alters nicht als direkten Konkurrenten. Gauland vertritt teilweise rechtsnationale Positionen.

In der jüngsten Kontroverse um Aussagen des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke hatte Gauland dem Rechtsaußen Rückendeckung gegeben, während sich Parteichefin Frauke Petry klar von Höcke distanziert hat.

Wie Gauland wird auch der niedersächsische AfD-Politiker von Gottberg dem nationalkonservativen AfD-Flügel zugerechnet. Sein Landesverband wählte den langjährigen Vizepräsidenten des Bundes der Vertriebenen und früheren CDU-Politiker kürzlich auf Platz vier der Landesliste. In seiner Bewerbungsrede bei der Aufstellungsversammlung in Hannover hatte von Gottberg gesagt, er wolle sich als Bundestagsabgeordneter dafür stark machen, den „Kult mit der Schuld“ zu beenden. Die zwölf Jahre NS-Zeit seien die dunkelsten in der deutschen Geschichte gewesen, aber sie seien auch aufgearbeitet worden.

Lammerts Vorschlag dürfte denn auch darauf abzielen, solche pikanten Einlassungen eines AfD-Politikers zu verhindern. Der Rechtspopulismusforscher Hajo Funke hält davon wenig. „Lammert sieht wohl die Würde des Amtes in Gefahr, wenn ein AfD-Politiker die erste Sitzung des neuen Bundestages leiten würde“, sagte Funke der Nachrichtenagentur dpa. „Ich bin aber gegen eine solche Lex AfD. Ich finde, dass man da souveräner mit umgehen sollte.“

KONTEXT

Rechte Parteien in den Landtagen

Rechte Parteien in Deutschland

Immer wieder haben rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien den Sprung in deutsche Landesparlamente geschafft. Von langer Dauer war ihr parlamentarisches Wirken meist nicht. Die Fraktionen machten häufig eher durch interne Streitigkeiten von sich reden als durch politische Initiativen. In Mecklenburg-Vorpommern könnte die NPD nun am Sonntag aus dem letzten Landtag fliegen - auch wegen der AfD, die mit einem zweistelligen Ergebnis einziehen dürfte. Ein Überblick.

NPD

Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) erlebte in den 60er Jahren eine erste Erfolgswelle. Ihr gelang der Einzug in sieben der damals elf Landesparlamente, bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent nur knapp an der Fünfprozenthürde. Der Aufstieg war aber nur ein vorübergehendes Phänomen, in den 70er Jahren verschwand sie weitgehend wieder von der Bildfläche, ohne in den Landesparlamenten nennenswerte Ergebnisse erzielt zu haben.

Einen Wiederaufstieg mit neuem Personal erlebte die NPD nach der Wiedervereinigung. Wurde sie in den 60er Jahren noch von alten NSDAP-Anhängern getragen, konnte sie nun vor allem bei jenen Wählern in Ostdeutschland punkten, die sich als Verlierer der Wende sahen. 2009 zog sie in den Landtag von Sachsen ein, nach heftigen internen Querelen verfehlte sie 2014 den Wiedereinzug. Seit 2011 ist die NPD nur noch im Schweriner Landtag vertreten.

Republikaner

Unter Führung des früheren SS-Manns Franz Schönhuber wirbelten die rechten Republikaner vor einem Vierteljahrhundert die Parteienlandschaft auf. 1989 gelang ihnen völlig überraschend der Einzug ins Europaparlament und ins Abgeordnetenhaus von Berlin. 1992 erreichten sie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 10,9 Prozent.

Vier Jahre später kam die Partei mit 9,6 Prozent erneut in den Landtag - und stellte damit eine Ausnahme von der Regel dar, dass rechte Protestparteien normalerweise nach einer Legislaturperiode wieder aus den Landtagen fliegen. Allerdings wurden auch die Republikaner von internem Streit zerrissen, inzwischen ist die Partei bedeutungslos.

DVU

Die Deutsche Volksunion (DVU) bot sich in den 90er Jahren als Auffangbecken für enttäuschte NPD-Wähler an und erzielte teils überraschende Wahlerfolge. 1991 zog sie ins Bremer Landesparlament ein, ein Jahr später in den Landtag von Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt erzielte sie 1998 mit 12,9 Prozent ihr bestes Ergebnis, auch in Brandenburg wurde sie in den Landtag gewählt.

Die DVU war voll auf ihren Gründer, den reichen Münchener Verleger Gerhard Frey, zugeschnitten. Bei den Wahlen trat sie in der Regel mit völlig unbekannten Kandidaten an. In den Landtagen machte sie vor allem mit internen Streitereien von sich reden, die DVU-Fraktionen zerfielen rasch. 2010 gingen die Reste der Partei in der NPD auf.

Schill-Partei

Eine weitere rechte Partei, die klar auf eine Führungsfigur zugeschnitten war, war die Partei Rechtsstaatliche Offensive des Hamburger Richters Ronald Schill. Sie schaffte es sogar in die Regierungsverantwortung. 2001 zog sie mit 19,4 Prozent in die Bürgerschaft ein und trat unter CDU-Bürgermeister Ole von Beust in die Regierung ein. Schill hatte sich als Richter mit umstrittenen harten Urteilen gegen Straftäter einen Namen gemacht.

Die Regierungskoalition zerbrach 2003 unter spektakulären Umständen. Von Beust entließ Schill als Justizsenator. Der Bürgermeister warf Schill den Versuch vor, ihn wegen seiner Homosexualität erpressen zu wollen. Bei der Wahl 2004 kam die Schill-Partei nicht mehr ins Landesparlament.

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Die Sprüche der AfD

Immer wieder im Mittelpunkt

Ob Flüchtlingspolitik oder Fußball - mit markigen Sprüchen sorgen führende AfD-Politiker immer wieder für Kopfschütteln und Empörung, wie jetzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch. Einige Zitate.

Quelle:dpa

Undeutsches Nationalteam

"Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne." (Der AfD-Bundesvize Alexander Gauland am 3. Juni im "Spiegel")

Unerwünschter Nachbar

"Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." (Gauland in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 29. Mai über Fußball-Nationalspieler JérÁ´me Boateng)

Bitte abschotten

"Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen." (Gauland am 24. Februar im Magazin der Wochenzeitung "Die Zeit" über Flüchtlinge)

Schießbefehl dringend erwünscht

"Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt." (Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in einem Interview des "Mannheimer Morgen" vom 30. Januar 2016. Angesichts des Flüchtlingszustroms forderte sie im Notfall auch den Einsatz von Schusswaffen.)

Der Flüchtling als Angreifer

"Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. (...) Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren." (Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch Ende Januar auf ihrer Facebook-Seite über Flüchtlinge)

Nachhilfe in Rassenkunde

"Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp." (Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke am 21. November 2015 in einem Vortrag über Asylbewerber aus Afrika)

Flucht als Naturkatastrophe

"Das ist ungefähr so, als würden Sie mit Plastikeimern einen Tsunami stoppen wollen." (Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen am 24. Oktober 2015 bei einem Landesparteitag in Baden-Württemberg über die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise)