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Diesel-Disput bei Maybrit Illner: abstreiten, aussitzen, abtauchen

Diskutierten über den Dieselkompromiss der Bundesregierung (von links): Bernd Althusmann (CDU) Annalena Baerbock (Grüne), Florian Pronold (SPD), Uwe Hochgeschurtz (Renault) und Ferdinand Dudenhöffer (Uni Duisburg-Essen) Foto: Screenshot ZDF
Diskutierten über den Dieselkompromiss der Bundesregierung (von links): Bernd Althusmann (CDU) Annalena Baerbock (Grüne), Florian Pronold (SPD), Uwe Hochgeschurtz (Renault) und Ferdinand Dudenhöffer (Uni Duisburg-Essen) Foto: Screenshot ZDF

Manchmal sagt Nichtssagen mehr als tausend Worte. Als sich am Donnerstagabend im ZDF zum Thema Dieselskandal Politiker, Experten und Verbraucherschützer die Köpfe heiß redeten, fehlten die Hauptverursacher für die manipulierte Motoren: Die Chefs der deutschen Automobilkonzerne.

Erst verkauften BMW, Daimler und VW ihren Kunden Autos, die Schadstoffgrenzwerte nur im Labor unterschritten, dann drücken sie sich vor den Konsequenzen. Moderatorin Maybrit Illner sagte: „Wir haben uns die Finger wund telefoniert, um einen Vertreter der deutschen Automobilindustrie her zu bringen und auch der Verband der deutschen Automobilindustrie sah sich außerstande jemand herzuschicken.” Ein Armutszeugnis.

Immerhin: Der Deutschlandchef des französischen Herstellers Renault stellte sich Illners Fragen. Allerdings lassen sich dessen Einlassungen in einem Satz zusammenfassen: Renault ist sich keiner Schuld bewusst.

Ansonsten nutzte Renault-Mann Uwe Hochgeschurtz die Möglichkeit, kräftig die Reklametrommel für die eigenen Autos zu rühren. Offenbar begriff er die Diskussionsrunde als Dauerwerbesendung. Bis zu 10.000 Euro Prämie zahle man Kunden, die ihren alten Diesel gegen einen neuen Renault tauschen, schwärmte Hochgeschurtz und fügte begeistert hinzu: „Und wer unser Elektromodell kauft, ist sofort emissionsfrei unterwegs.” Statt Hochgeschurtz einzuladen, hätte man die Sendung mit drei Werbeblöcken unterbrechen können – am Ende wäre hinten das gleiche herausgekommen: heiße Luft.

Worum ging es?

Die Bundesregierung hat ihr mühsam geschnürtes Diesel-Konzept vorgelegt. Angeblich sollen weder Steuerzahler noch Dieselfahrer belastet und Fahrverbote vermieden werden. Tatsächlich ist der Plan eher ein Konjunkturprogramm für die Autoindustrie. Dank der Umtauschprämien können die Hersteller hoffen, jede Menge Neufahrzeuge zu verkaufen. Hardwarenachrüstungen, mit denen der Stickoxidausstoß signifikant sinken würde, wird es wohl nicht geben und das der Steuerzahler nicht belastet wird, ist auch eine Mär: Für die Anschaffung neuer, umweltfreundlicher Müllwagen oder Löschzüge müssen die Kommunen aufkommen. Letztlich also doch die Allgemeinheit. Dabei hatte beispielsweise VW gegenüber US-Behörden den Betrug bereits eingestanden. Ist der Dieselkompromiss der Bundesregierung nur viel Lärm um nichts?

„Nein”, sagte erwartungsgemäß Bernd Althusmann. Der CDU-Politiker ist Wirtschaftsminister in Hannover und sitzt als Vertreter des Landes Niedersachsen im Volkswagen-Aufsichtsrat. „VW ist bereit, seinen Kunden mit Umtauschprämien entgegen zu kommen”, versprach Althusmann großzügig. Darüber hinaus werde man die Verantwortlichen für den Betrug zur Rechenschaft ziehen. Außerdem sei „alles viel zu komplex für einfache Lösungen”, erklärte er. Was man eben so sagt als Politiker, der weder Millionen Dieselfahrer, noch den Dieselmotorenhersteller verprellen will.

Ähnlich nichtssagend geriet der Auftritt von Florian Pronold, SPD-Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Pronold hatte den Dieselkompromiss der Koalition mit ausgehandelt. Er appellierte an die Autohersteller „verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen” und erklärte: „Wir werden die Leute mit kleinem Geldbeutel nicht im Regen stehen lassen.” Die Leute mit kleinem Geldbeutel machen indes eine andere Erfahrung.

Diesel-Geschädigter: Umtauschprämie nützt gar nichts

Einer von ihnen ist Matthias Schmitz. Der hatte sich vor Jahren einen neuen VW Touran gekauft. Eine Dreckschleuder, wie sich später herausstellte. Selbst nach einen Softwareupdate durch VW sind die Schadstoffwerte deutlich zu hoch, wie ADAC-Messungen ergaben. Bei Illner sagte Schmitz: „Die Umtauschprämie nützt mir gar nichts, weil ich das das Geld für einen neuen Wagen auch mit Prämie nicht habe.” Für ein vergleichbares Modell müsse er mindestens 15.000 Euro drauflegen.

Autoexperte: Deutschland erinnert an eine Bananenrepublik

Dass die Verärgerung der einheimischen Kundschaft kein großes Problem für die deutschen Fahrzeughersteller bedeutet, erklärte Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte an der Uni Duisburg-Essen. „Die verkaufen bei uns jährlich drei Millionen Autos”, sagte Dudenhöffer, „in China sind es 25 Millionen.” Solange sich also im Reich der Mitte niemand über hohe Schadstoffwerte beschwert, können VW und Co. offenbar mit frustrierten Fahrzeughaltern hierzulande leben.

Dudenhöffer schimpfte auch auf die Regierung: „Nach drei Jahren traut man sich mit einem halbgaren Konzept an die Öffentlichkeit.” Statt Hardware nachzurüsten, beginne man an den Emissionsschutzgesetzen zu schrauben. „Das ist schon fast wie in einer Bananenrepublik”, empörte sich der Experte.

Annalena Baerbock, Parteivorsitzende Grünen rechnete vor: Eine Hardwarenachrüstung würde die Hersteller etwa eine Milliarde Euro kosten. Alle deutschen Autobauer erzielten zusammen einen Jahresgewinn von 40 Milliarden Euro. Baerbocks Botschaft: Der Umbau ist problemlos finanzierbar.

Klaus Müller von der Verbraucherzentrale fordert zusätzlich zur Nachrüstung, dass die Hersteller eine Mobilitätsgarantie für ihre Autos anbieten. „Sie garantieren, dass die neuen Modelle nicht von Fahrverboten betroffen sind und falls doch, müssen sie ihre Wagen zurücknehmen.”

Für die Autobauer dürfte dies keine Option sein. Diese – soviel war nach einer Stunde bei Maybrit Illner klar – folgen den Motto: aussitzen, abstreiten, abtauchen.