Diskussion bei Hart aber fair: Wie geht es nach Merkel weiter?

Statt über Volksparteien diskutieren die Gäste bei Frank Plasberg über Angela Merkel und die Nachfolge auf ihren Partei-Vorsitz. Foto: Screenshot / ARD
Statt über Volksparteien diskutieren die Gäste bei Frank Plasberg über Angela Merkel und die Nachfolge auf ihren Partei-Vorsitz. Foto: Screenshot / ARD

„Hart aber fair“ hätte an diesem Abend jedes beliebige Thema geplant haben können. Zur Diskussion steht aber natürlich nur die Nachricht des Tages: Wenige Stunden vorher hatte Angela Merkel angekündigt, sich nicht mehr auf den Parteivorsitz der CDU zu bewerben. Was das bedeutet, da für sie der Posten immer verknüpft war mit dem Kanzleramt, wie es weitergeht mit der Partei, der Großen Koalition, mit Deutschland – das fragt Frank Plasberg seine Runde. Die eigentlich zusammengekommen ist, um auszubaldowern: Sind die Volksparteien am Ende? Naja, so weit ist das Thema gar nicht weg.

„Das Bild, das die Regierung abgibt, ist inakzeptabel. Ihre in weiten Teilen sehr ordentliche Sacharbeit hatte bislang überhaupt keine Chance, wahrgenommen zu werden. Und das hat tiefere Ursachen als nur kommunikative. Als Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende trage ich schon qua Amt die Verantwortung für alles, für Gelungenes und Misslungenes. So kann es nicht weitergehen.“ Mit diesen Worten kündigte Angela Merkel an, nicht mehr für den Parteivorsitz der CDU zu kandidieren. Für die laufende Legislaturperiode sei sie aber bereit, das Kanzleramt auszufüllen. Sie bezeichnete die Arbeit als eine „tägliche Ehre und Herausforderung“. Es werde aber ihre letzte Amtszeit sein.

Schwenk in die Runde bei Frank Plasberg: Paul Ziemiak, der CDU-Bundesvorsitzende der Jungen Union, sagt dazu: „Angela Merkel hat Verantwortung übernommen. Die CDU hat jetzt die Chance, sich zu erneuern. Heute ist ein guter Tag für die CDU. Respekt. Nach 18 Jahren Parteivorsitz muss erlaubt, auch über die Zukunft er Union zu sprechen.“

Plasberg befürchtet hingegen, dass die Regierung zum Risikofaktor werde und Angela Merkel zur „Lame Duck“, weil sie noch weniger Macht in sich vereine und ohne Parteiführung weniger Handhabe in ihrer eigenen Partei habe. Kanzleramts-Berichterstatter der Welt Robin Alexander sagt: „Lame Duck bezeichnet, dass sich ein Regierungschef nicht mehr durchsetzen kann. Weil er nicht mehr entscheiden darf. Das muss nicht sein, wenn auf den Parteivorsitz ein Merkel-Treuer kommt, hat sie weiter dieses Druckmittel.“

Sportreporter Werner Hansch hofft auf Erneuerung, vor allem in der Art und Weise des CDU-Führungsstils: „Ich habe Frau Merkel als machtbewusst wahrgenommen. Das ist nichts Schlechtes. Politiker, die keine Macht haben wollen, brauchen nicht antreten. Sie hat das kombiniert, mit einem Verdrängungstalent. Sie hat Menschen politisch entsorgt auf ihrem Weg. Ich glaube deshalb, in der CDU ist eine Sehnsucht gewachsen nach einem neuen, kommunikativen Führungsstil. Das haben wir bei Merkel nie erlebt. Sie hat immer abgewartet und ist dann auf den Zug gesprungen.“

War es Merkels Flüchtlingspolitik?

Dann geht Frank Plasberg auf Ursachenforschung und schaut zurück auf das Jahr 2015, er fragt, ob die Grenzöffnung für die Geflüchteten Merkels politischen Untergang besiegelte. Dass er sich dabei jedoch AfD-Sprech bedient ist besorgniserregend, es zeigt, wie tief manche Sprachbilder schon in den Köpfen verankert sind. Die Kanzlerin hat niemals auch nur eine Grenze geöffnet, alle europäischen Binnengrenzen waren per europäischem Gesetz offen.

Ziemiak: „Es war eine Ausnahmesituation aus humanitären Gründen. Wir brauchen sichere Außengrenzen im Schengen-Raum.“ Und Alexander: „Sie werden im politischen Berlin niemand finden, außer der AfD, der sagt, es war falsch, die Menschen in Not von der ungarischen Autobahn zu holen. Sie werden aber viele Menschen finden, die sagen, dass es aber ein halbes Jahr so weiterging, war vielleicht nicht die allerbeste Flüchtlingssituation. Diese Position könnte ein neuer CDU-Chef beziehen.“ Auch der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Ralf Stegner pflichtet bei: „Jeder sozialdemokratische Kanzler hätte es ähnlich gemacht. Nur wir hätten den Kommunen mehr geholfen.“ Weiter erklärt er, dass vor allem die Instrumentalisierung der Flüchtlingssituation Grund sei, für die politischen Unruhen: „Wenn die Menschen Fragen umtreiben: Wie steht es mit der Rente? Kann ich meine Wohnung bezahlen? Was ist mit der Bildung meiner Kinder? Sie aber permanent beschallt werden mit der Frage: Wird mein Dorf islamisiert? Dann wird hier ein Theater vorgeführt. Das ist keine Regierung mehr, sondern ein Narrenschiff.“

Dann verstrickt sich die Debatte kurz in den Maghreb-Staaten, vor allem Ziemiak und die Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, zanken sich, ob Tunesien, Algerien und Marokko sichere Herkunftsländer seien. Das politische Instrument erlaubt es, abgelehnte Asylsuchende schneller in diese Herkunftsländer zurückzuweisen. Nur: Wieder mal wird hier Symbolpolitik betrieben, denn das Problem der Maghreb-Staaten ist nicht ihre Einordnung als sichere Herkunftsländer, sondern die Tatsache, dass sie sich weigern, in Deutschland abgelehnten Menschen zurückzunehmen. Es muss daher bindende Absprachen mit den Ländern geben, sonst ändert sich nichts an der Situation. Konsens gibt es jedenfalls keinen.

Wer übernimmt den Vorsitz in der CDU?

Vorletzter Tagesordnungspunkt auf Plasbergs Moderationskärtchen: Wer macht Angela Merkels Nachfolge? Vier Namen geistern durch die Presse, Jens Spahn, Armin Laschet, Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz.

Erster Einwurf von Ziemiak, als sei er gerade auf einem Kindergeburtstag und müsste sich seiner Freunde versichern: „Das ist eine tolle Auswahl. Die SPD hat Stegner und Nahles, da bin ich doch froh, in der CDU zu sein.“

Darauf pariert Stegner: „Wenn sich die Volksparteien wieder mehr unterscheiden, gibt es weniger Platz für die Rechten. Es ist gut, wenn wir innerparteilich streiten. Die AfD erweckt den Eindruck, die da oben seien alle gleich. Nennt sich Alternative und ist eigentlich eine Schande für das Land. Die wird besser bekämpft, wenn sich die SPD mehr unterscheidet von der CDU. Ein kerniger, konservativer Parteivorsitz bei der CDU könnte gut sein.“

Alexander gibt zu bedenken, dass es bei der Liste mit dem Konservativen da gar nicht so weit her sei: „Jens Spahn ist mit einem Mann verheiratet, hat als Gesundheitsminister eine klassische Linke Lösung bei der Organtransplantation vorgeschlagen mit der Widerspruchslösung, Merz stand für einen Neoliberalismus, nicht klassisch konservativ. Kramp-Karrenbauer sagt, die Ehe sei klassisch zwischen Mann und Frau. Aber ja, alle drei sind mehr CDU, als es Merkel schien.“

Die SPD kann nichts für ihren Untergang

Zum Schluss gibt es noch etwas Mitleid mit der SPD, nachdem die ehemalige Bundesministerin Brigitte Zypries ihrer SPD in einem Einspieler mangelnde Sympathie bescheinigte. Stegner: „Dass einem manchmal die Herzen nicht so zufliegen, das kenne ich. Aber wir brauchen kompetente Menschen. Wir wollen niemand, der ein Casting-Wettbewerb gewinnt und inhaltlich flexibel ist. Es ist zu billig, alles Frau Nahles in die Schuhe zu schieben. Solidarität ist ein Grundwert, ich finde Beiträge wie von Zypries nicht hilfreich.“

Alexander versucht den Niedergang der SPD zu erklären: „Wir haben eine kulturelle Unsicherheit. Da funktionieren die Grünen, die sagen: Alles gut, mehr Vielfalt. Und es funktioniert die AfD, die sagt: Es ist ganz schlimm, wir wollen alles zurückdrehen. Aber Parteien der Mitte haben ein objektives Problem. Weil sie die Sorgen nicht ignorieren, aber auch nicht ausbeuten können. Das hat nichts zu tun mit Andrea Nahles. Die SPD wird in der Mitte zerrissen.“