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Dogan Akhanli: Hauptperson in einem kafkaesken Prozess

35-Jähriger legt erfolglos Einspruch gegen Strafbefehl ein.

Auf der Bühne des Depot 2 der Bühnen der Stadt Köln sitzt Dogan Akhanli. In dem Theaterstück „Istanbul“ spricht er mit leiser Stimme davon, wie er im Jahre 2010 in die Türkei gereist ist, um noch einmal seinen todkranken Vater zu besuchen. Doch der Weg wurde ihm versperrt. Die türkischen Behörden verhafteten den Autor gleich bei der Einreise am Flughafen und sperrten ihn ein. Die Haft dauerte zu lange für das fragil gewordene Leben des Vaters. Er starb, ohne dass der Sohn noch einmal mit ihm hatte sprechen können. Dem Autor, dessen Freundlichkeit frappant ist und der in etwa die Statur eines Woody Allen hat, warf die Staatsanwaltschaft damals vor, an einem Raubüberfall auf eine Wechselstube beteiligt gewesen zu sein. Ein Mensch war dabei ums Leben gekommen. Auch von der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung war die Rede gewesen. 2013 wurde der Freispruch aufgehoben Allerdings geriet der Prozess zu einer Farce, weil weder die Tatzeugen noch die Beweisstücke den Angeklagten belasteten. „Ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass dieser Mann nicht unter den drei Tätern war“, versicherte ein Sohn des erschossenen Ladenbesitzers. Zugleich wurden Vorwürfe laut, die Polizei habe die zuvor formulierten Falschaussagen erzwungen. Nach dem Freispruch lagen sich Akhanlis Familie und die der Zeugen in den Armen. Doch der Staatsanwalt erklärte: „Auch wenn alle Beweise zugunsten des Angeklagten sprechen, heißt das nicht, dass er unschuldig ist.“ Tatsächlich ging der Prozess in Abwesenheit von Akhanli weiter. 2013 wurde der Freispruch aufgehoben. Daraufhin kam es zum Erlass des internationalen Haftbefehls. Dogan Akhanli hat mehr als einmal von einem kafkaesken Verfahren gesprochen. Er geht fest davon aus, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung einmal gesagt hat, dass sein Buch „Die Richter des Jüngsten Gerichts“ der wahre Anlass für die Verfolgung durch die türkische Justiz ist. Denn darin befasst sich der Autor mit der Türkei zu Zeiten der Militärherrschaft und mit dem Völkermord an den Armeniern. Nicht zuletzt dieser komplexe Roman war für Regisseur Fatih Akin ein Anlass gewesen, sich dem historischen Thema mit seinem Film „The Cut“ zu widmen. Er sagte dieser Zeitung: „Dogans Schriften waren Teil meiner Recherche. Künstler wie Dogan, Elif Shafak, der ermordete Hrant Dink und Orhan Pamuk, die alle über den Völkermord schrieben, haben mich zu dem Film motiviert.“ Akin fuhr fort: „Die vier sind für mich Helden, die einen Weg gegangen sind, der vermint ist.“ Im Alter von 20 Jahren zum ersten Mal inhaftiert Dogan Akhanli wurde 1957 im Nordosten der Türkei geboren. Im Alter von 20 Jahren wurde er ein erstes Mal inhaftiert, weil er eine linksgerichtete Zeitschrift gekauft hatte. Nach dem Militärputsch in der Türkei im Jahr 1980 engagierte er sich im politischen Widerstand und saß zwei Jahre im Militärgefängnis von Istanbul ein. Er floh nach Deutschland, wo er 1991 politisches Asyl erhielt. Er wurde als Türke zwangsausgebürgert und besitzt nur einen deutschen Pass. Seit 1995 lebt er in Köln. Auf Deutsch liegt neben „Die Richter des Jüngsten Gerichts“ (2007) auch das Theaterstück „Annes Schweigen“ vor, in dem der Völkermord an den Armeniern ebenfalls zur Sprache kommt. Zuletzt hat der Kölner Schriftsteller den Roman „Die Tage ohne Vater“ (2016) vorgelegt. Dies ist die Geschichte eines Künstlers, der aus der Türkei flieht und in Köln politisches Asyl findet. Wie dankbar Akhanli dieser Stadt und diesem Land , der Demokratie und dem Rechtsstaat für die Unterstützung ist, hat er immer wieder betont. Als im Frühjahr eine Veranstaltung der lit.Cologne an die ebenfalls von der Türkei drangsalierte Schriftstellerin Asli Erdogan erinnerte, sagte er über die Bedeutung der Solidarität: „Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes durch sie gerettet worden.“ Zugleich ist er aber auch in Deutschland der kritische Beobachter geblieben. In seiner „Möllner Rede“, gehalten im vergangenen November in der Kartäuserkirche, beklagte er die rechte Gewalt gegen Flüchtlinge – ausgerechnet in seinem „Rettungsland“. Von der politischen Verfolgung in der Türkei also erzählte Akhanli noch vor wenigen Wochen in dem Stück „Istanbul“ am Kölner Schauspiel. Die Inszenierung von Nuran David Calis steht auch in der kommenden Spielzeit auf dem Programm. Dass Akhanli bei der Wiederaufnahme am 30. September auf der Bühne stehen wird, ist momentan nicht gewiss. Lohnend wäre dies auf jeden Fall. Denn dann könnte Dogan Akhanli auch noch davon erzählen, wie weit die Tentakeln der türkischen Justiz über die Landesgrenzen hinausreichen. Bis nach Granada. Bis in den Urlaub eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland....Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta