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Doku auf 3Sat: Wann ersetzen Roboter den Menschen?

Das KI-System "Amelia" soll zukünftig die Arbeit eines Bankangestellten ersetzen. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux
Das KI-System "Amelia" soll zukünftig die Arbeit eines Bankangestellten ersetzen. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux

Wo andere Sender den „Blockbuster-Donnerstag“ zelebrieren, sendet 3Sat „Wissenschaft am Donnerstag“, bestehend aus dem gemischten Doppel “Die Revolution der Roboter“, eine Dokumentation von Martin Mischi und Vincent Lepreux, und im Anschluss Gert „Scobel“, der mit seinen Gästen über folgendes Thema spricht: „Bewusstsein für Roboter“. Ein informativer Themenabend, der sich gut ergänzt.

In Die Revolution der Roboter reist der Zuschauer zunächst um die Welt und bekommt eindrücklich vor Augen geführt, wie der Entwicklungsstand ist: Automatisierung und Jobverlust ist bereits real durch den massiv gestiegenen Einsatz von Maschinen und Algorithmen, die Entwicklung wird sich in den kommenden Jahrzehnten weiter verschärfen. Gleichzeitig schaffen aber auch Roboter mehr Jobs, weil sie gewartet werden müssen und überwacht, weil sie neue Produktionsformen schaffen in sogenannten Kollaborationen (Mensch und Maschine nebeneinander). Doch in welchen Segmenten fallen Berufe weg? Vermutlich einfache, repetitive, dafür kommen jedoch hochspezialisierte akademische Berufe hinzu. Das spricht die Doku nicht an. Auch eine abschließende Beurteilung, ob mehr Jobs entstehen oder wegfallen, traut sich die Dokumentation nicht zu.

Die Revolution der Roboter konzentriert sich auf Arbeitsmarkt und Industrie. Kaum dreht sie sich um den Unterhaltungsmarkt, Potenziale für soziale Berufe oder die „emotionale“ und die Erotik-Branche: Arbeiten doch viele Unternehmen an Robotern und Maschinen, die emotionale Nähe vorgaukeln, an Maschinen, die sogar Liebe und Sex möglich machen sollen, an Pflegerobotern, an Algorithmen, die die Gaming-Kultur verändert möchte, indem sie vollständig individualisierte Erfahrungen bieten. Das ist schade, auf der anderen Seite ist, klar, die Sendezeit begrenzt, das Thema aber unendlich: Denn Algorithmen beeinflussen jeden Bereich unseres zukünftigen Lebens.

Zurück aber dazu, was die Dokumentation tatsächlich zeigt und das macht sie eindrucksvoll: „STO Express“, der drittgrößte Postdienstleister Chinas hat eines der modernsten Verteilungssysteme. 300 Kleine Roboter, ähnlich Staubsaugerrobotern, fahren, wie orchestriert, Päckchen durch eine gigantische Halle und lassen sie in die vorgesehene Löcher fallen. So sortieren sie 70.000 Pakete ohne einen einzigen Fehler am Tag. Der Standortleiter Zhenlong Chen: „Ein Roboter verarbeitet ein Paket innerhalb von 32 Sekunden, ein Mensch braucht 15 Minuten.“

Menschen gibt es noch – als Zuarbeiter, sie legen die Päckchen mit dem Etikett nach oben auf die kleinen Roboter-Transporter. 2016 führte STO Express die Roboter an vier Standorten ein, jedesmal verloren dreiviertel der Angestellten ihren Job. In drei Jahren soll kein Mensch mehr beschäftigt sein.

Intelligente Maschinen erobern die Arbeitswelt: In einem Postverteilzentrum in China transportieren und sortieren zahlreiche Roboter mehrere tausend Pakete. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux
Intelligente Maschinen erobern die Arbeitswelt: In einem Postverteilzentrum in China transportieren und sortieren zahlreiche Roboter mehrere tausend Pakete. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux

Mehr Beschäftigung oder weniger durch Automatisierung?

Esben Ostergaard von „Universal Robots“ in Dänemark verfolgt einen anderen Ansatz: Er sieht Roboter als Erweiterung des menschlichen Körpers und werkelt daher an Cobots, kollaborativen Robotern. Seine Roboter bestehen meist aus Arm, Rumpf, Hand, sie sind Partner, Kollege, Hilfskraft, Zuarbeiter und kein Ersatz für menschliche Arbeit. Er sagt: „Sobald wir unsere Roboter in der Automatisierung einsetzen, werden auch mehr Menschen eingestellt. Es gibt mehr Arbeit, weil die Produktivität steigt. Roboter beleben das Geschäft mehr, als dass sie Menschen ersetzen.“

Das sieht auch Antonio Krüger so, Professor für Künstliche Intelligenz (KI) in Saarbrücken: „Die Zusammenarbeit Mensch und Roboter hat viele Vorteile. Wenn sie gut gemacht ist. Das Ziel: Beider Fähigkeiten zu kombinieren und ein Gesamtsystem zu entwickeln, das effektiver und effizienter ist.“ Denn das habe mehr Kraft, sei ausdauernder, begehe weniger Fehler, habe mehr Erfahrung durch den Menschen, bessere Feinmechanik und sei flexibler. Produkte könnten so günstiger und besser hergestellt werden.

Krüger sagt aber auch, dass der Arbeitsmarkt viele Verwerfungen vor sich haben wird. Wichtig ist daher: „Aus- und Weiterbildung, um sich auf die flexible Arbeit einzustellen. Die Zeiten sind vorbei, dass man eine Arbeit ein Leben lang macht. Alle Arbeitsplätze sind einem Wandel unterworfen.“

„Einsparungen auf dem Rücken der Menschen“

Dass Menschen überflüssig werden, dafür hat die Dokumentation zwei weitere Beispiele parat, einmal die KI-Anwendung „Amelia“ von „IPSoft“, die laut Hersteller prinzipiell in jedem Bereich der Kundenbetreuung arbeiten kann und bis 2025 ganze 250 Millionen Arbeitsplätze von Büroangestellten überflüssig machen soll.

Ein deutscher Priesterroboter spricht seinen Segen aus. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux
Ein deutscher Priesterroboter spricht seinen Segen aus. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux

Und zum Zweiten: Beverly Clayton, eine 52-jährige US-amerikanische Buchhalterin, die bei Walmart von einem Automaten ersetzt wurde – genau wie 7.000 andere. Wieso? Weil der Automat ihre Arbeit, also Bargeld und Überweisungen, Kommunikation mit der Bank, Transaktionen mit Kunden, in wenigen Minuten erledigt, wofür Clayton einen Tag gebraucht hat. Außerdem kostet er keine Sozialversicherung, bezieht keine Rente, erhält keine Lohnfortzahlungen bei Krankheit und nimmt keinen bezahlten Urlaub. Unterm Strich sagt Clayton: „Einsparungen auf dem Rücken der Menschen.“ Ihr Kündigungsgrund lautete konsequenterweise auch: „Wegfall der Arbeit.“

Zuletzt noch China, das Land der Mitte will von staatlicher Seite aus – es gab in den vergangenen Jahren immer wieder soziale Unruhen, weil Arbeitskräfte demonstrierten und mehr Geld forderten – die Produktion hochgradig automatisieren. 650.000 neue Roboter jährlich ist das Ziel. Bis 2025. Das bedeutet Jobverluste für Millionen Arbeiter – staatlich verordnet. Das öffentliche Unternehmen „Hisense“ etwa hat in den letzten Jahren 3.000 der vormals 8.000 Mitarbeiter entlassen, zur Effizienzsteigerung.

Eine junge Chinesin auf der Straße sagt: „Für mich ist das in Ordnung. Dann können wir uns ausruhen, Sport machen, auf Reisen gehen, uns weiterbilden. Es führt nicht unbedingt zu Arbeitslosigkeit.“ Ein anderer sagt: „Für welche Berufe denn? Was bleibt den Menschen, wenn Roboter Roboter bauen?“ Ein nachdenkliches Ende einer eindrucksvollen Dokumentation.

Scobel über eine Ethik der Algorithmen

Im zweiten Teil des gemischten Doppels fragt Gastgeber Gert Scobel seine Gäste nach einer Ethik für Algorithmen. Zunächst aber zeigt er ein Video:

Darin, der Film ist fiktiv und von Stuart Russel, einem Informatikprofessor an der Berkeley, töten Mini-Drohnen Menschen. Viele der Technologien sind tatsächlich schon existent. Am Ende sagt Russel: „Dieser Film ist keine Spekulation, er zeigt die Ergebnisse der Integration und Miniatisierung heutiger Technologien. Wenn wir Maschinen erlauben, Menschen zu töten, wird das verheerend sein. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Scobel sagt: „Jede Technologie lässt sich für einen guten und schlechten Zweck gebrauchen oder missbrauchen.“ Mit seiner Runde, Barbara Prainsack von der Uni Wien, Katharina Anna Zweig von der TU Kaiserslautern und Christoph von der Malsburg, von der Goethe-Universität Frankfurt, debattiert er vielschichtig.

Zunächst aber: Wer zuhauf Polit-Talks sieht, wird überrascht, wenn die Talkgäste nicht mehr Inhalte verkürzen und vereinfachen wollten, um sie möglichst Twitter-freundlich zu verpacken. Sondern wenn die Gesprächsteilnehmer differenzieren, sich nicht ins Wort fallen und dabei die Agenda haben, einen wirklichen Mehrwert an Informationen zu bieten. Balsam für die Lanz-Maischberger-Illner-Will-geschundene Seele.

Ein Nachteil des Ganzen: Das Thema ist so komplex, dass es schwierig ist, zusammenzufassen, ohne zu verfälschen: Prainsack etwa argumentiert, bevor man über eine Ethik von Robotern spreche, müsse man zunächst klären, was eine faire Gesellschaft überhaupt bedeute. „Maschinen machen die Welt nicht weniger fair. Algorithmen sind nur dann nicht fair, wenn sie Verzerrungen aus der echten Welt reproduzieren.“ Die habe man aber schon.

Ein guter Beitrag zu einer unübersichtlichen, komplexen Debatte

Zum Thema Deep Learning, das sind selbstlernende Algorithmen, die am Ende in ihrer Arbeit Regeln folgen, die von außen schwer einsehbar oder verständlich sind, weil sich die Maschinen diese Regeln selbst beigebracht haben, sagt Prainsack: „Werden Algorithmen komplexer, werden sie für Menschen weniger verstehbar und er kann weniger eingreifen. Wenn Algorithmen über Themen entscheiden, die für Menschen zentral sind, wie die Verteilung von Ressourcen, ist es ein Problem für die Demokratie, wenn man nicht eingreifen oder nachvollziehen kann.“

Dann unterhält sich die Runde über das Thema „Zukunftserwartungen“, die gezielt gesetzt werden von großen Unternehmen, um zu legitimieren, wohin die Entwicklung und die Reise der Algorithmen geht. Nämlich in Richtung Utopie. Von negativen Potenzialen spricht kaum jemand, der in diesem Bereich arbeitet. Auch versprechen Algorithmen eine Individualisierung des Menschen, tatsächlich aber, so von der Malsburg, passten wir uns immer mehr Standards an: „Weil große Datensätze große Standardisierung ergeben. Ich sehe eine große Gefahr darin, aus einer Masse und nicht mehr aus Individuen zu bestehen. Wir verlieren unsere Individualität, weil wir Teil einer Masse sind.“

In Saudi-Arabien erlangt der erste Roboter die Staatsbürgerschaft. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux
In Saudi-Arabien erlangt der erste Roboter die Staatsbürgerschaft. Foto: ZDF / Martin Mischi / Vincent Lepreux

Deshalb plädiert Zweig zu einer strengeren Kontrolle bei Entwicklung und Arbeitsweise von Algorithmen: „Ich als Wissenschaftlerin darf nicht einfach Hypothesen in den Raum werfen und danach handeln. Das aber erlauben wir gerade Algorithmen. Wir erlauben ihnen, Entscheidungsregeln aus Daten zu lernen und anzuwenden. Wieso gehen wir nicht den wissenschaftlichen Weg und überprüfen diese Hypothesen erst, bevor sie angewendet und nutzbar gemacht werden?“

Eine interessante, aber sehr theoretische Debatte, die es sich auf Fälle lohnt, in der Mediathek nachzuschauen. Das Thema Automatisierung und Algorithmen betrifft uns alle, je mehr Verständnis wir aufbringen und einfach darüber wissen, desto besser sind wir vorbereitet auf einschneidende Veränderungen. Und die stehen und allen bevor. 3Sat hat hier mit beiden Sendungen einen guten Beitrag geleistet.