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Donald Trump, der lupenreine Demokrat

Langsam fehlt einem die Fantasie. Was noch könnte der blonde Bomber zerstören, welche Regeln noch verletzen? Wie hoch kann Donald Trump die Mitgliederbeiträge in seinem Golfclub noch schrauben? Wie viele Interessenkonflikte lässt er noch zu, wie viele postfaktische Reden hält er noch? Und wann versucht er, per Dekret die Gewaltenteilung außer Kraft zu setzen, auf der aktuellen Welttournee einen Krieg gegen Iran anzuzetteln oder die präsidiale Freaktolle im Franchisesystem zu verticken?

Doch das sind die falschen Fragen, weil die Antworten längst jeder kennt. Jeder weiß, dass Trump das Weiße Haus in seine eigene Irrenanstalt verwandelt hat. Wie ein Patient, der seine Medikamente nicht genommen hat, taumelt er dort täglich an den Porträts von Washington und Lincoln vorbei in die nächste Katastrophe. Die öffentliche Entrüstung ist beinahe schon zur Routine verkommen. Der Albtraum muss ein Ende haben, denkt sich so mancher. Aber der dürfte wohl noch länger dauern, so schnell gibt es kein Amtsenthebungsverfahren. Leider.

In der ganzen Aufregung wird allerdings vergessen, was Trump für Europa getan hat. Damit sind nicht die Rüstungslobbyisten gemeint, die seit seinem Aufrüstungsappell an die Nato-Mitgliedsländer in Champagner baden. Nein, die Demokratie und das Projekt Europa müssen „Danke, Donald“ sagen. Wie düster, wie schwarz sahen die Prognosen letztes Jahr noch aus. Nach dem Brexit herrschte Doom-Stimmung pur. Das Schlimmste schien plötzlich möglich: ein Rechtspopulist als Österreichs Präsident, eine Rechtspopulistin als Frankreichs Präsidentin, Geert Wilders in der Regierung der Niederlande und eine superstarke AfD als Spaltpilz in Deutschlands Machtzentrum.

Es kam bislang anders – unter anderem, weil er es übertrieben hat. Trump hat den vielen unentschlossenen Sympathisanten der Rechtspopulisten vor Augen geführt, was die Sehnsucht nach Zerstörung bestehender Strukturen anrichten kann. Was es heißt, wenn sich jemand anschickt, das sogenannte System mit der Kreissäge zu demontieren. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn es Trump und sein böser Schatten Steve Bannon hätten langsam angehen lassen. Wenn sie das Establishment nicht öffentlich mit der Brechstange, sondern dezent angegangen wären. Viele hätten es erst spät oder vielleicht gar nicht bemerkt. Stattdessen sorgte die derart zur Schau gestellte Missachtung von Institutionen und Fakten auch auf dieser Seite des Atlantiks für eine relativ schnelle Gegenwehr. Plötzlich diskutieren alle über den Kampf gegen Fake News. Plötzlich wird Facebook eine gesellschaftspolitische Diskussion aufgezwungen, vor der sich die Techies drücken wollten. Terminator Trump hat ungewollt die Wirkung eines lupenreinen Demokraten. Plötzlich wird klar, was von ihm bleibt, wenn er denn mal gehen sollte: ein hoffentlich heilsamer Adrenalinschub für Europa – und eine posttraumatische Störung für alle Fans der Freaktolle.