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FC Bayern: Alles ein Riesen-Riesen-Mist

Der FC Bayern München muss nach der Pokalfinal-Pleite gegen Eintracht Frankfurt nicht nur das schlechte Ende einer dann doch nicht übermäßig berauschenden Saison verkraften, sondern sich auch den Vorwurf gefallen lassen, als schlechter Verlierer vom Platz gegangen zu sein. Ganz anders dagegen die Gefühlslage bei der Eintracht – und ihrem Trainer.

Aus Berlin berichtet Patrick Strasser

Entsetzen bei den Bayernspielern Hummels, Müller und Kimmich
Entsetzen bei den Bayernspielern Hummels, Müller und Kimmich

Ja, es war ein Elfmeter für die Bayern in der Nachspielzeit. Und: ja, es war dennoch ein verdienter Sieg der Frankfurter in diesem dramatischen, hoch emotionalen DFB-Pokalfinale.

Eintrachts Kevin-Prince Boateng versuchte zu klären, traf aber nicht den Ball, sondern den Fuß von Bayerns Javi Martínez. Schiedsrichter Felix Zwayer schaute sich die umstrittene Szene noch einmal selbst am Monitor an – und verweigerte Bayern den klaren Strafstoß. Nach der Ecke kontern die entfesselten Frankfurter den Meister aus, Mijat Gacinovic schob den Ball ins leere Bayern-Tor – das 3:1. Die Entscheidung. Schluss. Aus. Ende. Der Frankfurter Emotionskessel kochte über. Die Sensation, der fünfte Pokalerfolg der Eintracht war perfekt.

Frankfurter geben zu: Es war ein Elfmeter

Die Party-Hessen taten sich nach Spielschluss natürlich leicht darin, zuzugeben, dass die Last-Minute-Elfer-Entscheidung falsch war. „Ich treffe ihn ganz klar. Den muss er eigentlich pfeifen. Da haben wir Glück gehabt“, sagte Boateng. Auch Trainer Niko Kovac gab zu; „Ich habe mir die Aufnahmen angeschaut und muss auch sagen: Das war Elfmeter.“ Diese fairen Aussagen helfen den Bayern beim Verdauen der nicht-eingeplanten Niederlage auch nicht weiter.

Ein feudaler Cupsieg in Berlin hätte der finale Schlussakt des märchenhaften vierten – und nun tatsächlich letzten – Engagements von Jupp Heynckes werden sollen. Nun geht der 73-Jähirge mit einer Niederlage in Rente, ausgerechnet gegen seinen Nachfolger. Der zwischenzeitliche Ausgleichstreffer von Robert Lewandowski zum 1:1 reichte nicht.

Angesichts zweier Lattentreffer von Lewandowski und Mats Hummels sprach Heynckes von „etwas Pech“, sagte aber auch: “In so einem Spiel muss man den Erfolg auch erzwingen wollen, aber das hat nicht geklappt.” Die Bayern wirkten zeitweise als ständen sie neben sich, (Sieges-)Wille, Emotionen und Entschlossenheit waren auf Seiten der Frankfurter ausgeprägter.

Bei den Bayern ist seit Real die Luft raus

Seit dem bitteren, weil unglücklichen Ausscheiden im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid (1:2, 2:2) ist bei den Bayern die Luft raus. Als hätten man den Stecker gezogen, die Profis konnten die notwendige Mentalität und ihre Körper nicht mehr hochfahren.

“Wir haben die Meisterschaft gefühlt im Februar oder März geholt. Da waren wir fast uneinholbar. Deswegen ist emotional der letzte große Erfolg schon ein paar Monate weg”, erklärte Kapitän Thomas Müller offen und ehrlich. “Jetzt fühlt es sich an, wie eine Riesen-Riesen-Niederlage und ein Riesen-Riesen-Mist. Es ist ein Abklatsch der Spiele, in denen wir ausscheiden oder verlieren. Das ist eine Mischung aus eigenen Fehler, die zu Gegentoren führen und nicht genutzten Torchancen. Das Potpourri ist brutal. Nach so intensiven und guten acht Monaten ist die Stimmung in der Kabine natürlich am Boden.”

Die geplante Siegerparty in der Berliner Bar “Crackers” wurde abgesagt.

Kovac weint Freudentränen

Der märchenhafte Ausgang dieses Pokalfinals hat mit den Frankfurter Helden Ante Rebic, dem Torschützen zum 1:0 und 2:1, sowie mit Niko Kovac zu tun. Vor Beginn der Partie von den stimmgewaltigen Eintracht-Fans ausgepfiffen, am Ende mit “Niko! Niko!”-Rufen vor der Kurve auf der Ehrenrunde gefeiert. Da flossen Tränen beim 46-Jährigen.

“Ich schäme mich meiner Gefühle nicht“, sagte der Kroate, “ich gehe und wir sind Pokalsieger. Daher ist es ein schwerer, aber auch schöner Abschied. Wir sind der glückliche, aber nicht unverdiente Sieger.”

Für Kovac, der bei Bayern einen Dreijahresvertrag, gültig ab 1. Juli, unterschrieben hat, dürfte die Ankunft an der Säbener Straße nun um einiges leichter werden. Er kommt sozusagen als “Double-Gewinner”.

Mit dem Pokalsieg, dem ersten Titel der Eintracht seit 30 Jahren, hat sich Kovac Respekt und Anerkennung zurückgeholt nachdem die Stimmung am Main gekippt war als herauskam, dass er zu Bayern wechselt. Der Erfolg gegen die Heynckes-Mannen hat auch in taktischer Hinsicht gezeigt, aus welchem Holz Kovac geschnitzt ist. Der Respekt der Bayern-Kabine wird nun größer sein gegenüber dem Neuen.

Ein No-Go! Bayern verschwinden vor Siegerehrung in der Kabine

Die Münchner ließen nicht nur ihr mögliches 12. Double und den 19. Pokaltriumph liegen, sondern verloren auch eine Menge Respekt – nach dem Spiel. Denn es ist in Berlin Usus, dass die unterlegene Mannschaft normalerweise Spalier steht für den Pokalsieger und applaudiert. Doch die Bayern verschwanden, kaum hatten sie ihre Silbermedaillen bekommen, in der Kabine. Ein No-Go!

Nachdem das Team die Medaillen für die Zweitplatzierten bekommen hatte, verschwindet fast die ganze Mannschaft direkt in der Kabine. Lediglich die Ersatztorhüter Manuel Neuer, Tom Starke und Sportdirektor Hasan Salihamidzic blieben auf dem Rasen und zollten den Frankfurtern ihren Respekt. Ein Affront, für den die Bayern in den sozialen Netzwerken einen Shitstorm ernteten. Erklärungsversuche, zum Teil schwacher Natur, lauteten.

“Ich bin bestimmt schon ein-, zweimal in meiner Karriere rein. Aber das hatte nie was mit Respektlosigkeit zu tun”, sagte Mats Hummels, “es war eher so, dass wir links fast reingeleitet wurden. Einer hat den Anfang gemacht und alle anderen sind wie eine Entenfamilie hinterher gedackelt.”

Ein kleiner Kratzer in Heynckes’ Bilanz

Einzig Jupp Heynckes wahrte Haltung, er entschuldigte sich im TV und auf der Pressekonferenz: “Da muss ich ganz ehrlich zugeben, dass in dem Moment die Spieler und ich sicher nicht dran gedacht haben.”

Und weiter: “Ich hätte mir gewünscht, dass ein Verantwortlicher des DFB oder des FC Bayern uns darauf hingewiesen hätte. Dann hätte ich meine Mannschaft aufgefordert, zu bleiben.”

Ein fader Beigeschmack bleibt. Und ein klitzekleiner Kratzer in Heynckes sportlicher Bilanz seiner letzten Trainerstation.