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Große Rücktrittswelle im Biathlon droht

Die Biathlon-WM von Oberhof wird wohl als ein norwegischer Festspielakt in die Memoiren eingehen, die thüringische Gemeinde sah sich gar genötigt, dem Überflieger Johannes Thignes Bö ein eigenes Ortsschild mit dem Titel „Boeberhof“ anfertigen zu lassen.

Doch die Erfolge dürften nur in vereinzelten Köpfen langfristig konserviert werden, bereits Anfang März tourt der Weltcup weiter nach Nove Mesto, ehe Mitte März das Endstück am Holmenkollen im norwegischen Oslo vollbracht wird. (NEWS: Alle Infos zum Biathlon)

Mit Elvira Öberg, Sturla Holm Laegreid und etwaigen anderen Namen rücken junge Athleten immer mehr in den Fokus, auch die deutschen Jungstars Hanna Kebinger oder Sophia Schneider überzeugten.

Einige Arrivierte zeigen hingegen bereits Leistungsdefizite auf - oder sind womöglich am Ende einer prachtvollen Karriere angelangt. Droht nun also eine Rücktrittswelle? SPORT1 gibt einen Überblick.

Denise Herrmann-Wick (Deutschland)

Bei der Biathlon-WM in Oberhof sorgte die 34-Jährige bereits im ersten Einzelrennen für kollektive Glücksgefühle: Mit ihrem Sieg im Sprint erfüllte sie ihre eigenen Erwartungen und veredelte diese Ausgangslage mit Silber in der Verfolgung.

Nun ist Herrmann-Wick Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin. Frühere deutsche Größen wie Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier räumten bereits in jungen Jahren alles und beendeten ihre Karrieren vergleichsweise früh.

Im Vorfeld der WM interviewte Dahlmeier als Expertin des ZDF die 34-Jährige nun selbst. Auf die Frage nach ihrem Lebenstraum bestätigte Herrmann, dass dieser abseits der Wettkampfstrecke liege: „Familie, Haus, das wäre schon noch ein großer Traum.“

Im vergangenen Jahr hat die gebürtige Herrmann den ehemaligen Langläufer Thomas Wick geheiratet, selbst war sie erst 2017 aus dem Langlauf zum Biathlon übergetreten.

Verschieben sich also nun die Prioritäten der im Biathlon-Mekka Ruhpolding wohnhaften Sächsin?

Experte und Ex-Profi Michael Rösch tippt bei Eurosport auf ein Karriereende: „Sie hat nun das Glück, theoretisch so abtreten zu können. Ich weiß nicht, ob sie aufhören möchte. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass das ihre letzte Saison gewesen ist.“

Zwar befindet sich Herrmann noch immer in bestechender Laufform und kann in der Weltspitze eingreifen - doch was soll Herrmann-Wick noch den Ansporn geben, weiterzumachen?

Der Gesamtweltcup wäre noch ein Ziel, was aber sehr schwer zu erreichen ist und eine starke Form über eine ganze Saison verlangt, während Herrmann-Wick sich bisher zumindest gerne auf die Saison-Höhepunkte fokussierte.

Marte Olsbu Röiseland (Norwegen)

Die Frau des deutschen Trainers Sverre Olsbu Röiseland ist ähnlich erfolgsverwöhnt wie ihre deutsche Widersacherin.

Nach drei olympischen Goldmedaillen holte sich Röiseland bei der WM in Oberhof ihre insgesamt 13.(!) Goldmedaille bei Weltmeisterschaften und löste damit Magdalena Neuner als Rekordweltmeisterin ab.

Auf die Frage, ob der Massenstart zum Abschluss der Biathlon-WM ihr letztes Rennen bei einer Weltmeisterschaft gewesen sei, antwortete die 32-Jährige bei TV2: „Das ist jetzt schwer zu sagen. Ich versuche einfach, den Moment zu genießen. Ich bin mir völlig bewusst, dass das meine letzte WM gewesen sein könnte.“

Da hatte sie bereits mit den Tränen zu kämpfen.

Ohnehin hatte Olsbu Röiseland nicht mit einer derart erfolgreichen WM kalkuliert: Im vergangenen Sommer erschwerten ihr gesundheitliche Probleme die ausgiebige Vorbereitung.

Zieht die norwegische Ausnahmekönnerin nun also einen Schlussstrich unter eine imposante Karriere? Es käme jedenfalls nicht sonderlich überraschend.

Tiril Eckhoff (Norwegen)

Auch mit Tiril Eckhoff könnte wohl ein großer Name der Biathlon-Welt vor dem Abschied stehen. Mit 32 Jahren reiht sie sich ebenfalls in die ältere Riege des Damen-Klassements ein.

Zudem hat Eckhoff noch immer mit den Spätfolgen einer Corona-Infektion aus dem letzten März zu kämpfen.

So ist die zehnmalige Weltmeisterin seither nicht mehr in der Lage, regulären Wettkampfsport zu betreiben. Kein Weltcup-Einsatz in diesem Jahr, keine WM in Oberhof - wie der Karriereverlauf bei derartigen Gesundheitsproblemen fortfahren dürfte, bleibt offen.

Mari Eder (Finnland)

Mit 35 Jahren ist eine Biathlon-Karriere üblicherweise dem Ende geweiht - außer man trägt den Namen Ole Einar Björndalen. Mari Eder läuft bereits seit 2007 im Weltcup-Zirkus mit - also seit 16 Jahren. (DATEN: Der Weltcupkalender im Biathlon)

Zwar erreichte Eder in diesem Jahr bereits einen fünften Platz im Sprint von Le Grand Bornand, bei der Weltmeisterschaft erreichte sie als bestes Einzelergebnis jedoch nur einen 62. Rang. (DATEN: Weltcupstände im Biathlon)

Ein reifer Zeitpunkt, um die Langlaufski abzuschnallen und das Gewehr in den Schrank zu hängen?

Benedikt Doll (Deutschland)

„Entweder höre ich nach dieser oder nach der nächsten Saison auf“. Eine klare Aussage, die Benedikt Doll vor dem Weltcup in Kontiolahti in diesem Winter tätigte.

Immerhin würde zuhause das frische Familienglück auf den 32-Jährigen warten: „Baby Doll“. So taufte der gebürtige Baden-Württemberger unlängst seinen Sohn Aron, den Miriam Behringer, die er 2019 heiratete, zur Welt brachte. Ein gelungener Zeitpunkt, um dem Wettkampfsport Adieu zu sagen?

Er sei sich ziemlich sicher, dass er die Olympischen Spiele 2026 nicht mehr laufen werde, ließ er bereits einen langfristigen Zukunftsplan durchschimmern. Eine genaue Entscheidung wolle er „am Ende des Winters“ treffen.

Könnten ihm seine jüngsten Leistungen bei dieser Entscheidungsfindung helfen? Immerhin hatte Doll bei der WM schwankende Leistungen gezeigt und insbesondere im Sprint sowie im Massenstart durchwachsene Leistungen gezeigt.

Doll hatte als größten sportlichen Erfolg 2017 in Hochfilzen den WM-Titel im Sprint geholt, 2018 gewann er zwei olympische Bronzemedaillen. Im Weltcup feierte der Schwarzwälder drei Siege, zuletzt im vergangenen Jahr in Antholz.

Tarjei Bö (Norwegen)

Der große Bruder, der im Schatten des kleinen Bruders ausharren muss. Auf dem Papier mag das nach einer undankbaren Situation klingen - doch heißt der kleine Bruder Johannes Thingnes Bö, bleibt selbst einem Olympiasieger und mehrmaligen Weltmeister kaum etwas anderes übrig.

Und die norwegische Jugend ruht nicht: Mit Sturla Holm Laegreid, Filip Fjeld Andersen und Sivert Guttorm Bakken zeigen alleine drei Athleten unter 26 Jahren ihre Ambitionen - weitere lauern dahinter. Und da ist Vetle Sjastad Christiansen als Routinier noch gar nicht berücksichtigt ...

Die Dichte im norwegischen Kader ist jedenfalls enorm hoch. Um sich in den Vorbereitungen zu beweisen, bringen die Einheiten enorme körperliche Qualen mit sich. Zu viel für einen 34-Jährigen, der bereits in dieser Saison kurz vor dem Jahreswechsel seinen Startplatz zu verlieren drohte?

Simon Eder (Österreich)

Am 23. Februar feiert der Österreicher seinen 40. Geburtstag. Er selbst dachte einst, dass „ich meinen 40. Geburtstag in einem schönen Berg-Chalet mit meiner Frau feiern würde und einen guten Whiskey trinken würde.“

Nun ist es anders gekommen, denn der Familienvater startet immer noch im Weltcup. Dabei ist er auf den Spuren seines Vaters unterwegs, der erst mit 41 Jahren aufhörte. (DATEN: Alle Biathlon-Ergebnisse)

Und auch der Sohnemann wolle weitermachen, bis „ich noch einmal einen Podestplatz in einem Einzelrennen erreiche.“ Wie lange der Körper die Kraftreserven bis zum Anschlag wieder auffüllen kann, wird jedoch abzuwarten sein.

Jakov Fak (Slowenien)

2006 fanden die Olympischen Winterspiele in Turin statt. Bei vielen Fans dürften die Erinnerungen daran zumindest ein wenig verblasst sein - für Jakov Fak war es seine Premierensaison im Weltcup. Damals lief er noch unter kroatischer Flagge auf, seit 2010 dann als Slowene.

Doch der Zenit in der Karriere des Jakov Fak scheint überschritten: 2014/15 wurde er noch Dritter des Gesamtweltcups.

In dieser Saison steht zwar immerhin noch ein dritter Platz beim Weltcup in Ruhpolding zu Buche, das ist aber eher als Ausreißer zu sehen. Daher könnte es aus Slowenien schon bald heißen: „Adijo“ - auf Wiedersehen.

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