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Darum droht der Formel 1 in Deutschland das Aus

Dunkle Wolken über dem Hockenheimring: Am Sonntag könnte vorerst das letzte F1-Rennen in Deutschland stattfinden

Für Sebastian Vettel ist Hockenheim "immer etwas ganz Besonderes", Toto Wolff freut sich auf die "Rückkehr nach Hause" für sein Mercedes-Team, die Tribünen beim Großen Preis von Deutschland werden so voll sein wie seit 2006 nicht mehr, beim letzten Heimsieg von Michael Schumacher.

In die Euphorie mischt sich allerdings Schwermut: Das Rennen am Sonntag (15.10 Uhr im LIVETICKER) droht zur Abschiedsvorstellung der Formel 1 in der Autonation Nummer eins zu werden. Bereits jetzt ist klar, dass es 2019 keinen Großen Preis von Deutschland geben wird. Die Aussichten darüber hinaus sind trübe.

"Es ist frustrierend zu sehen, dass wir für ein Land mit einer so großen Rennsport-Tradition keine Lösung gefunden haben - und dass offenbar niemand bereit ist, die Rennstrecken zu unterstützen und ihnen das finanzielle Risiko abzunehmen", sagte Formel-1-Marketingchef Sean Bratches bei Auto Bild Motorsport.

Man arbeite "natürlich weiter an einer Lösung", nötig sei dazu vor allem "Flexibilität" der Rennstrecken.

Kontrakt mit Hockenheimring läuft aus

Für die Streckenbetreiber in Deutschland ist die Formel 1 mit einer Antrittsgage von rund 20 Millionen Euro aber längst zu teuer geworden. Der Hype der Ära Schumacher, in der die teuren Tickets oft ein Jahr vorher schon vergriffen waren, ist längst vorbei.

Der Nürburgring sah 2015 und 2017 trotz gültigen Vertrags von einer Austragung ab, der Kontrakt des Hockenheimrings läuft mit dem Schwenken der Zielflagge am Sonntag aus.

Immerhin wird der beste Zuschauerwert seit 2006 (70.000; d. Red.) erreicht: Auch wegen einer regelrechten niederländischen Invasion dank Max Verstappen waren am Dienstag 67.000 Eintrittskarten für das Rennen verkauft, Zusatztribünen werden benötigt. Damit ist Hockenheim allerdings lediglich auf Kurs "schwarze Null".

Hockenheim musste sich dafür aber gewaltig strecken: Kinder bis sechs Jahre haben freien Eintritt, Jugendliche bis 16 Jahre können das Rennen in fast allen Sitzplatzkategorien für 45 Euro verfolgen, das gesamte Wochenende für 50 Euro. Nur so konnte der Wert von 2014 (52.000) und 2016 (57.000) deutlich gesteigert werden.

Keine Hilfe aus der Wirtschaft

Auf Dauer wird es so aber nicht weitergehen. Hockenheimring und Nürburgring stellten mehrfach klar, dass sie nicht mehr bereit sind, das finanzielle Risiko allein zu tragen. Das Entgegenkommen von Liberty Media ist allerdings begrenzt, immerhin weiß das US-Unternehmen um den Wert der Marke Formel 1 und kassiert in Ländern mit teils fragwürdigem Leumund oft doppelt so viel - auch weil die jeweilige Regierung für die Imagepolitur bereitwillig tief in die Tasche greift.

Auf Unterstützung durch die öffentliche Hand oder Hilfe aus der Wirtschaft in großem Maße konnten die deutschen Strecken bislang nicht bauen. Genau darauf pocht aber Georg Seiler. "Es kann nicht sein, dass wir die Spielwiese stellen und die Zeche für andere zahlen", sagte der Hockenheimring-Geschäftsführer dem SID.

Ein potenzieller Geldgeber, auf den Seiler anspielt, ist Mercedes. Der Weltkonzern aus dem nahen Stuttgart beschränkte sich bislang allerdings auf die Unterstützung von Marketingkampagnen - und auf die Werbung, welche die Silberpfeile auf der Strecke machen.

An fehlender Action liegen die immer noch überschaubaren Zuschauerzahlen wohl nicht, Hockenheim bot auch nach der Verwandlung der alten Hochgeschwindigkeitsstrecke in einen modernen Allroundkurs nach 2001 oft spannende Rennen. Star-Ingenieur Hermann Tilke, der am (Um-)Bau der meisten aktuellen Formel-1-Kurse beteiligt war, hält Hockenheim immer noch "für etwas ganz Besonderes." Das Motodrom sei "einzigartig mit seiner Streckenführung und der Stadionatmosphäre", sagte Tilke im SID-Gespräch.

Gewiss kein Trumpf für die Strecken in Deutschland ist der Trend zu Stadtkursen in der Formel 1. Die Hetzjagd durch die Straßen von Aserbaidschans Hauptstadt Baku etwa zählt zum Spektakulärsten, was die Königsklasse zu bieten hat. Auch in Miami, Hanoi oder Kopenhagen soll bald gerast werden.

Dass in einigen Jahren nur noch auf Prachtboulevards gefahren wird, glaubt Tilke allerdings nicht: "Es gibt eine Berechtigung für mehr Stadtkurse, doch eine Formel-1-WM wird immer komplett verschiedene Arten von Strecken beinhalten." Vielleicht ist dann ja auch für Deutschland noch Platz.

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