Drohungen gegen neue liberale Moschee sind armselig

Initiatorin Seyran Ates legt bei der Eröffnung (16.6.2017) ihre Gebetsteppich bereit. (Bild: Maurizio Gambarini/dpa)
Initiatorin Seyran Ates legt bei der Eröffnung (16.6.2017) ihre Gebetsteppich bereit. (Bild: Maurizio Gambarini/dpa)

In Berlin gibt es eine neue Moschee. Sie wird angefeindet, weil sie den Islam liberal auslegt. Das sollte man doch wohl aushalten können!

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als in diesem Monat in Berlin-Moabit eine neue Moschee öffnete, nämlich die Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee in Räumen einer evangelischen Kirche, da waren sich Manche einig: Das geht gar nicht.

Vorm Gotteshaus demonstrierten Christen, die den Terror vor der Tür sahen, und den seligen Goethe geschändet. Von ganz anderer Seite, von konservativen Muslimen, kam auch eine Menge Anfeindung. Dies steht den muslimischen Gemeinden Berlins nicht gut zu Gesicht. Sie sollten schleunigst auf ihre Besucher einwirken.

Man kann zur neuen Moschee stehen, wie man will. Die Gründer wünschen sich eine liberale Auslegung des Glaubens, da beten Frauen und Männer gemeinsam und überlegen nur für sich selbst, ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht; schließlich müssen sich nicht nur Frauen vorm Berliner Sturzregen schützen.

Es scheint auch, als würde die Moschee überschätzt, dass ihre Betreiber einen Tick zu selbstbewusst ans Werk gehen. Wenn sie davon sprechen, dass sie der schweigenden Mehrheit der Muslime eine Stimme geben wollen, und dann gar diese Gruppe mit 85 Prozent angeben, dann ist diese Einschätzung ein wenig megaloman. Es gibt keine verlässlichen Daten über die glaublichen Beschaffenheiten von Muslimen in Deutschland, aber sich mal Hoppla auf einen Sattel zu schmeißen und als Fürsprecher einer wirklich großen Gruppe vorzustellen, ist anmaßend. Und auch nicht notwendig. An den Realitäten gewiss vorbei auch.

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Männer und Frauen sollen in dieser Moschee gleichberechtigt beten dürfen. (Bild: Maurizio Gambarini/dpa)
Männer und Frauen sollen in dieser Moschee gleichberechtigt beten dürfen. (Bild: Maurizio Gambarini/dpa)

Denn man muss keine Mehrheit vertreten, um eine Moschee zu gründen. Man muss eine Idee haben, und die der Gründer ist charmant. Sie wollen Überlegungen, die es im Islam längst gibt, einen Raum geben. Man sollte sie einfach machen lassen. Schließlich geht es darum, zu einem Gebet zusammen zu kommen, an Gott zu beten – was soll daran Schlechtes sein, Auslegung hin, Auslegung her? Ob von dieser Moschee gute Impulse ausgehen, ob sie ein uninspirierter Selbstbeweihräucherungsladen werden wird oder wegen Zaghaftigkeit vorschnell eingeht, wird die Zukunft erweisen.

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Daher müssen sich manche Muslime Berlins an die eigene Nase fassen. Genauso wie der Medienhype über diese Neugründung schon komische Züge aufwies, meckern zu Viele im Gegenzug zu sehr. Jahrzehntelang interessierte sich keine Zeitung dafür, wenn im Hinterhof eines ehemaligen Industrielagers eine Moschee ihre Türen öffnete. Und heute tun manche Reporter, als erwarteten sie von der Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee einen Ruck, der die Weltgeschichte erschüttern wird. Das ist Quatsch.

Es geht doch eigentlich um Gott

Andererseits ist es beschämend, mit wie viel Dreck die neue Moschee beworfen wird. Zum einen ist sich die türkische Religionsbehörde Diyanet nicht zu schade, die Moschee als Nest der Gülen-Bewegung darzustellen – dieser „Vorwurf“ ist absurd, weiß man mittlerweile, dass alle der regierenden AKP nicht genehmen Geister, woher sie auch kommen mögen, als „Gülen“ gestempelt werden. Und zum anderen erhalten die Gründer viele Drohungen, viele Morddrohungen. Der Vorhalt der Blasphemie kommt auf, was wirklich armselig ist, denn was in der Tradition des Propheten wie steht, kann nur erörtert werden; zum gemeinsamen Gebet von Frauen und Männern zum Beispiel gibt es schließlich nicht nur ein Hadith, sondern mehrere mit durchaus unterschiedlichen Inhalten.

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Muslime in Deutschland müssen nicht mit wehender Fahne in die neue Moschee pilgern, ihre Ideen übernehmen. Aber sie müssen sie machen lassen. Wird weiterhin Druck auf Moscheegänger ausgeübt, mit Isolation gedroht, verhält man sich wahrlich nicht islamisch; so viel darf man als Nichtmuslim sicherlich sagen.

Und die Betreiber der neuen Moschee sollten ein wenig Demut lernen. Sie brauchen nicht den Eindruck zu erwecken, als wäre Luthers Thesenanschlag für die christliche Kirche nur ein Windhauch gewesen im Vergleich zur Sturmeswirkung, welche nun dieser gerade 90 Quadratmeter große Raum in Moabit entfalten wird. Aus ihrem Kreis hieß es auch, die Azhar-Universität von Kairo habe eine Fatwa gegen die Moschee erlassen. Bei Fatwa denkt man gleich an Khomeini, Rushdi und Mordaufruf. Und schließlich ist Azhar die wichtigste Lehrstätte im sunnitischen Islam. Nur: Von Azhar kam nichts, sondern vom „Dar al-Ifta‘ al-Misriya“, der ägyptischen Behörde für Rechtsgutachten, also Fatwas. Allerdings gab das Amt keine Fatwa heraus, sondern eine Erklärung, eine Kritik an der neuen Moschee. Warum jazzen die Betreiber sowas zu einer Fatwa hoch, haben sie etwa Interesse an einer Eskalation?

Irgendwie sollten sich alle mal etwas locker machen…

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