DSDS-Halbfinale wird zur Lebensberatung mit Märchenonkel Thomas Gottschalk

Es geht auch ohne Dieter Bohlen! Anders halt, aber es geht. Aber trotz der neun Halbfinalisten, die wirklich teilweise sensationelle Gesangsleistungen brachten, umwehte "Deutschland sucht den Superstar" ein Hauch von Abschied. Und das war nicht die Schuld von "Ersatz-Titan" Thomas Gottschalk.

Thomas Gottschalk (Mitte) übernahm den Jury-Platz von Dieter Bohlen. Da wurden nicht nur Maite Kelly und Mike Singer (rechts) zur Nebensache, sondern leider teils auch die neun Halbfinalisten. (Bild: TVNOW / Stefan Gregorowius)
Thomas Gottschalk (Mitte) übernahm den Jury-Platz von Dieter Bohlen. Da wurden nicht nur Maite Kelly und Mike Singer (rechts) zur Nebensache, sondern leider teils auch die neun Halbfinalisten. (Bild: TVNOW / Stefan Gregorowius)

Viele meinen ja, "DSDS" (RTL) sei schon lange keine Gesangstalentshow mehr. Der Beweis wurde im Halbfinale erbracht: Es gab 13 Songs - wohlwollend mit 45 Minuten geschätzt - und acht Werbepausen, die aber genauso lange dauerten. Und der Rest der Sendezeit wurde zerredet. Und mit Einspielern über die Kandidaten gedehnt (aber mit keinem "Best-of-Dieter", was die Fans im Internet erzürnte). Am Ende wurden es 231 Minuten, knapp 26 mehr als geplant, aber das hatte Moderator Oliver Geissen schon geahnt, als die Personalie Thomas Gottschalk feststand: "Das Beste an dir: Ich kann überziehen. Durch dich hab ich 'ne Wild Card!"

Schwärmen mit "dem Tommy"

An der ausufernden Sendezeit hatte der "Show-Titan", Spontan-Ersatzmann für den maladen "Pop-Titan", seinen Anteil. Aber ebenso Moderator Geissen, der zwischendrin zwar allen mal über den Mund fuhr und aufs Tempo drückte, sich dann aber mit "dem Tommy" im Schwärmen über "alte Zeiten" (dabei ist Geissen erst 51, ein Jungspund quasi) verlor. Oder Jurorin Maite Kelly (41), die bei jedem zweiten Kandidaten einen "Flashback" erlitt und vom Casting "auf dem Boot" schwärmte. Die wenigste Sendezeit hatte das Nesthäkchen, also Mike Singer (21). Aber was der sagte, hatte wenigstens immer Hand und Fuß.

Oliver Geissen (M.) und die Top 9. (Bild: TVNOW / Stefan Gregorowius)
Oliver Geissen (M.) und die Top 9. (Bild: TVNOW / Stefan Gregorowius)

Die Fans maulen: "Ohne Dieter macht's keinen Spaß!"

Aber wollten die Leute wirklich nur die Musik hören, die Kandidaten sehen? Auf dem DSDS-Instagram-Account ging es in sehr, sehr vielen Posts gar nicht um die Musik - sondern um Dieter. "Ohne Dieter macht's keinen Spaß!", "Ohne Dieter könnt ihr DSDS einsargen." Oder um Gottschalk: "Was will der alte Mann da?", "Ist das jetzt 'ne Talkshow?". Oder um Maite: "Welche Nummer muss man anrufen, um sie rauszuwählen?", "Die ist total schräg drauf, hat die getrunken?"

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Das Highlighten der Nebenkriegsschauplätze (oder sind's DSDS-typische Hauptfronten?) haben die eigentlichen Hauptakteure des Abends, nicht verdient. Denn alle Neune boten zum Teil fantastische Gesangsleistungen. Da hatte Dieter, wie er Maite wohl noch kurz vor seiner "Verletzung" steckte, recht: "Selten so ein starkes Halbfinale gehabt."

Da ließ sich sogar der "alte Mann" Gottschalk - mit 70 nur drei Jährchen älter als der andere Berufsjugendliche, der aus Tötensen - mitreißen und dancte mit. Geissen beruhigte: "Zur Not haben wir auch ABC-Pflaster dabei, damit's morgen nicht zu sehr beim Aufstehen weh tut."

Gottschalk landete den ersten Deutsch-Rap-Hit der Geschichte!

Überhaupt waren alle Beteiligten gut drauf. Leider auch der Mann am Regler, der den Studioapplaus einspielte. Er zerstörte jeden Song mit übereuphorisch eingespieltem Zwischenjubel. Der wäre sogar bei echtem Publikum unrealistisch gewesen - aber in Coronazeiten? Das war des Guten eindeutig zu viel. Das fiel den Fans ebenso auf, wie das zum Teil eigenwillige Styling von Kandidaten und Juroren: "Was machen die Designer von RTL eigentlich beruflich?"

Auch Gottschalks "Elder Statesman"-Gehabe störte. Klar kennt er sie alle, den Seal und den Richard Marx und er hat sie alle in seinen Shows gehabt. Aber muss man's dauernd den Jungen unter die Nase schmieren? Und dann setzte er auch noch zur Märchenstunde an! Er erzählte, als es um Pias misslungen Rap-Einsatz auf Mykonos ging, dass er sogar mal mit Deutsch-Rap einen Top-Ten-Hit gehabt hätte. Vielleicht in den Bayerischen Radiocharts, in den offiziellen deutschen Charts reichte es nur zu Platz 49.

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Ansonsten aber stimmt die Story: 1980, als Dieter Bohlen noch als "Steve Benson" absolut erfolglos Musik machte, landete Gottschalk mit seinen Radio-Kollegen Frank Laufenberg und Manfred Sexauer als "G.L.S.-United" mit "Rapper's Deutsch" (der deutschen Coverversion des Sugarhill-Gang-Klassikers "Rapper's Delight") den ersten Deutsch-Rap-Hit der Geschichte. Thomas Gottschalk, Großvater des Deutsch-Rap! In your Face, ihr hörigen Jünger von "Hauptstadtbüstenhalter" oder "Comanche 0815"!

Gottschalk: Lieber besser machen, als dauernd meckern!

Aber Tommy sprach auch weise. "Es wird zu viel gemeckert heute." Man sollte etwas aber, so Gottschalk, wenigstens ansatzweise besser machen können, um zu kritisieren. Deshalb beschränkte er sich auch aufs "Mut machen", Loben und auf Lebensratschläge: "Lass dir bloß nichts reinreden", bestärkte er den Paradiesvogel Ludi. "Bleib in dem Haifischbecken Showbiz wachsam", mahnte er Mädchenschwarm Daniele. "Nur weil ich hier sitze, heißt es nicht, dass im Leben alles gut wird." Und Kevin, dem Überehrgeizigen, gab er mit auf den Weg: "Klammer dich nicht fest, genieße! Immer nur Kraft aus der Angst zu schöpfen, erschöpft."

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Schöne Worte gab es (neben Grüßen an den lieben Dieter und "werd bald wieder gesund") auch von MaMi, also Maite und Mike, die ja auch zum vorletzten Mal auf einem DSDS-Jurystuhl saßen. Mike freute sich ein wenig verräterisch, dass "endlich der Fokus auf den Stimmen liegt und nicht auf jemandem, der, was weiß ich, nervt." Maite lobte alle "einzigartigen Persönlichkeiten". Ja, sie sei streng gewesen, sagte sie mit wie üblich vor Emotion bebender Stimme, aber nur aus Liebe zur Musik und den Kandidaten. "Diamanten entstehen erst durch Druck", meinte sie.

Karl Jeroboan (Mitte), Jan-Marten Block (links) und Starian McCoy schafften es allesamt ins Finale. (Bild: TVNOW / Stefan Gregorowius)
Karl Jeroboan (Mitte), Jan-Marten Block (links) und Starian McCoy schafften es allesamt ins Finale. (Bild: TVNOW / Stefan Gregorowius)

Den Druck spürten die Kandidaten bis kurz vor Mitternacht. Dann hatten die Fans per SMS oder Telefonvoting (ja, das ist RTL noch wesentlich geschäftstüchtiger als ProSieben mit seiner kostenlosen Voting-App) entschieden. Und nur sie. Die Jury hatte nichts zu melden. Was Mike ("Ich möchte nicht entscheiden müssen, wer fliegt") ganz recht war.

Das DSDS-Finale ist reine Männnersache

In der kürzesten Verkündungszeremonie in der 18-jährigen DSDS-Geschichte verkündete Oli Geissen dann, was die Fans zusammenvoteten. Für Ludi, Jan, Daniele und auch die beiden letzten verbliebenen Mädchen, Pia-Sophie und Michelle, kam das Aus. Jan-Marten, Karl, Kevin und Starian werden nächsten Samstag (20.15 Uhr, RTL) um den Titel "Deutschlands Superstar 2021", einen Plattendeal und 100.000 Euro singen.

Für die Ausgeschiedenen gab es tröstende Worte. Gottschalk: "Macht 'ne Boygroup", riet er den Jungs. Und Maite, die aktuelle Nummer eins der deutschen Albumcharts, brachte es auf den Punkt: "Es gibt ein Leben nach DSDS. Denkt daran: Wenn ich 25 Jahre nach den Kellys eine Nummer eins haben kann, dann ist wirklich alles möglich."

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