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ECHO 2018: Campinos Battle mit den Gangsta-Rappern

Konter gegen Campino: Kollegeah & Farid Bang schlagen mit einem Porträt des Künstlers zurück.
Konter gegen Campino: Kollegeah & Farid Bang schlagen mit einem Porträt des Künstlers zurück.

Eigentlich ist der Echo eine etwas dröge Veranstaltung: mit zu langen Danksagungen, zu viel Nabelschau und oberflächlichem Getue, mit gut zweieinhalb Stunden oft zu lang – und damit ab einem gewissen Punkt auch schlicht langweilig. In diesem Jahr jedoch wurde schon Tage und Wochen vor der Verleihung des begehrten Musikpreises so viel darüber gesprochen wie kaum zuvor. Die Frage aller Fragen, die die Gemüter erhitzte: Sind die Nominierungen für die beiden selbsternannten Gangsta-Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr gemeinsames Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ vertretbar? Und dürfen sie dann auch noch live auftreten – oder nicht?

Worum ging es? Vor allem um eine nicht nur pikante, sondern auch extrem geschmacklose Zeile im „Battle-Track“ namens 0815, der sich auf einer Bonus-CD zum Album findet: „…Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“, rappt Farid Bang darin. Vorwürfe, das sei antisemitisch ließen – selbstverständlich und zu Recht – nicht lange auf sich warten. Der Echo-Ethikrat gab der Meinungs- und Kunstfreiheit schließlich Vorrang, es sei ein „Grenzfall“, ausschließen wolle man die Künstler deswegen nicht. Immerhin handele es sich dabei um eine viel größere politische Diskussion, ein weit größeres Thema, das dringend debattiert werden müsse.

Kommentar: Der Echo und der Zynismus der Branche

Eine gute Entscheidung, eigentlich. Andernfalls wäre der Schrei um Zensur laut geworden. Doch der Bundesverband Musikindustrie, die Echo-Verantwortlichen und Vox waren der wichtigen Debatte – zumindest gestern – nicht gewachsen. Immerhin, Laudator Johannes Oerding und den Preisträgern vom PxP-Benefiz-Festival, hielten emotionale Reden, sprachen von Toleranz, Nächstenliebe, Respekt. Für fast alle anderen Preisträger und Gäste so der Eindruck, ging es vor allem um eine gute Party.

Nur einer zeigte Haltung

Nur Campino hatte den Mut und brachte die wichtige Diskussion um Antisemitismus-Vorwürfe und Kunstfreiheit auf die Bühne. Fotos: dpa
Nur Campino hatte den Mut und brachte die wichtige Diskussion um Antisemitismus-Vorwürfe und Kunstfreiheit auf die Bühne. Fotos: dpa

Mit einer Ausnahme: Haltung einzunehmen, sich nochmals zu positionieren, das leistete am Ende dieses Abends nur einer richtig: Punkrocker Campino von den Toten Hosen, Preisträger in der Kategorie „Rock national“. Zuerst, das gab er zu, habe er sich überlegt, ein Zeichen zu setzen – und der Veranstaltung fernzubleiben. Doch wer boykottiere, der kann eben nicht mehr diskutieren. Und genau darauf kommt es nun an.

Er las seine Gedanken vor: „Das Stück über das sich alle streiten, kommt aus dem Battle Rap wo es darum geht, sich gegenseitig zu toppen. Wenn man das bedenkt, relativiert es einiges.“ Aber eben nicht alles. Und er ergänzte: „Wir sollten keinen tieferen Sinn suchen, wo es keinen Sinn gibt.“ Doch irgendwann seien Grenzen überschritten. Jeder Künstler müsse sich irgendwann die Frage stellen, wann die moralische Schmerzgrenze erreicht sei: bei Frauenfeindlichkeit, bei Homophobie, Rassismus, bei Antisemitismus. „Auch wir haben mit Tabubrüchen gearbeitet“, warf er ein, er sei somit „vom Fach“. Er wolle ganz sicher keine Zensur, sagt Campino, er wolle sensibilisieren, ein Bewusstsein schaffen. Es gehe doch vielmehr um einen Geist, der zur Zeit überall präsent ist: „Nicht nur in der Musik, sondern auch in den sozialen Medien, im täglichen Fernsehtrash und in der Politik.”

Erst nach dem Echo stellten sich andere Promis gegen Kollegah und Farid Bang

Und die Reaktion der Rapper, als Moderator Amiaz Habtu sie darauf anspricht? Wie echte Gangster eben: distanziert, betont gelangweilt. Wer ein Problem mit ihrem Text habe, könne sie bei der Aftershow gerne ansprechen. Ansonsten seien sie heute „hier, um einen guten Abend zu haben und zu feiern.“

Gegenschlag der Rapper: Kollegah und Farid Bang kontern

Später am Abend wurden Kollegah und Farid Bang schließlich tatsächlich für das beste Hip-Hop-Album ausgezeichnet. Für Kollegah die Gunst der Stunde, Zeit zum Gegenschlag: Auf der Bühne zog er – im Campino-Stil – ebenfalls einen Zettel aus der Tasche, sein „kleines Schulreferat“, höhnte er und bedauerte, nach Campinos Moralapostel-Rede fühle sich die Ehrung nun nur noch „wie ein Trostpreis“ an. Aber “als Zeichen des Friedens habe ich die Zeit genutzt und ein schönes Porträt gezeichnet, das ich zu einem guten Zweck versteigern werde”. Auf dem Blatt Papier war Campino mit einem Heiligenschein zu sehen. – Immerhin sollen die Zuschauer doch wissen, „dass wir Künstler sind“. Als sie dann das umstrittene Lied präsentierten, ersetzten die Rapper das Wort des Anstoßes, „Auschwitzinsassen“, kurzum mit „Kunstfreiheit“.

Wer im Battle nun gewonnen hat, das zu entscheiden bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. Verloren jedenfalls hat, so das Gefühl, die Preisverleihung. Wie eine dunkle Wolke drückte die im Grunde verdrängte Diskussion die Stimmung, – die sich jedoch keiner wirklich vermiesen lassen wollte. Die Diskussion wäre, das ist Fakt, schlicht totgeschwiegen worden, hätte Campino nicht die Debatte auf die Bühne gebracht.

Aber halt, da war noch was: Kylie Minogue und Rita Ora traten auf. Nebenbei wurden noch weitere Künstler ausgezeichnet – primär, wie traditionell beim Echo, für die besten Verkaufszahlen: Robin Schulz (der mit einer Magenschleimhautentzündung das Bett hütetete) in der Kategorie „Dance National“, Milky Chance als “Band National” oder Wincent Weiss als „Newcomer National“ (Wincent Weiss) hören kann. Der Kritikerpreis ging a Rapperin Haiyti. In Abwesenheit gewann zudem Ed Sheeran drei Echos für den „Hit des Jahres”, das „Album des Jahres“ und „Künstler International“, Helene Fischer, die Königin der ausverkauften Hallen, gewann – natürlich – in der Kategorie „Schlager“ und Mark Forster als „Künstler Pop National“.

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