"Echte Vielfalt" wird belohnt: Grimme-Preis für "Prince Charming"

Bei der Auswahl der diesjährigen Preisträger für den renommierten Grimme-Preis wurden vor allem TV-Macher berücksichtigt, die sich durch eine klare Haltung in politisch angespannter Zeit hervortun.

Die Zeiten sind ernst. Die Debatten rund um die weltweite Klimaerwärmung, die Migrationsbewegungen und den politischen Rechtsruck bestimmen nicht nur die TV-Nachrichten und Schlagzeilen, sie schlagen sich auch in der Arbeit von Verantwortlichen bei Sendern und Produktionsfirmen nieder. Ganz im Zeichen der Forderung, selbst in vermeintlich "leichten" Genres Haltung zu zeigen, steht in diesem Jahr folgerichtig die Auswahl der Preisträger für den wohl wichtigsten deutschen Fernsehpreis.

Was angesichts der aktuellen Schlagzeilen manchen überraschen mag: Auch Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt erhalten die Auszeichnung in diesem Jahr. Für die beiden Moderatoren, die mittlerweile wichtigste Gesichter ihres Senders ProSieben sind, dürfte die offizielle Ankerkennung auch ein Stück Genugtuung und Würdigung ihrer mehrschichtigen Arbeitsweise bedeuten. Immerhin stehen Joko und Klaas vor allem für die von Heufer-Umlauf moderierte Late-Night-Show bei ProSieben derzeit in der Kritik. Angestoßen wurden Fake-Vorwürfe gegen sie durch Recherchen des NDR-Formats "STRG_F", das die Redaktion von "Panorama" im Rahmen des Jugend-Online-Kanals funk für YouTube produziert. Kern der Kritik an Joko und Klaas ist, bei Einspielfilmen angeblich nicht immer ganz sauber zu arbeiten und Situationen, die als "real" gelten könnten, von Schauspielern "stellen" zu lassen.

Das politische Sendungsbewusstsein von Joko und Klaas muss man davon aber wohl klar trennen. Ausgezeichnet werden die beiden ProSieben-Entertainer für ihr Engagement und nicht etwa für die unterhaltsamen Hauptsendungen, sondern für die Befüllung eines kreativen Freiraums, den sie sich selbst erkämpft hatten: Für das von ihrer Produktionsfirma Florida Entertainment produzierte Format "Joko & Klaas Live - 15 Minuten", das mit ihrem Heimatsender als "Siegprämie" für den Gewinn in Spielrunden der Show "Joko und Klaas gegen ProSieben" ausgehandelt wurde, werden Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sowie zwei ihrer Mitarbeiter hinter den Kulissen mit dem renommierten TV-Preis ausgezeichnet. Ihren Freiraum nutzten die Entertainer, um unter anderem Aktivisten gegen Rechtsextremismus eine Bühne zur besten Sendezeit zu bieten.

Ebenfalls in der Kategorie "Unterhaltung" setzt sich bei der Jury für den diesjährigen Grimme-Preis überraschenderweise zum ersten Mal eine Dating-Show durch - allerdings eine nicht ganz alltägliche: Prämiert wird in Marl die TVNOW-Produktion "Prince Charming", in der homosexuelle Männer verkuppelt wurden. "Echte Vielfalt" im Programm lobt die Jury. Die Sendung, die im Streaming-Angebot der RTL-Gruppe zu sehen war, stehe für Botschaften von mehr Toleranz. Auch das eine Würdigung für ein gesellschaftspolitisches Statement - in der Unterhaltung.

Ehrungen für Flüchtlingsdramen und Uwelt-Engagement

Mit dem Leid von Migranten, die es über die stark bewachten Grenzen der "Festung Europa" in Sicherheit schaffen wollen, beschäftigt sich die von der Grimme-Jury ausgewählte deutsch-französische SWR-ARTE-Serie "Eden". Ebenso ausgezeichnet wird der Episodenfilm "The Love Europe Projekt", der von ARTE und der ZDF-Redaktion "Das kleine Fernsehspiel" in Auftrag gegeben und von Sperl + Film produziert wurde. Er erhält nun auch für seine gesellschaftlich wichtige Aussagen über das Miteinander im Alltag sehr unterschiedlicher Europäer einen Grimme-Preis.

Thematisch heiße Eisen greift auch der Dokumentarfilm "Dark Eden" (ZDF/3sat) auf, der Umweltverbrechen anprangert und nun prämiert wird. Außerdem wird die Dokumentation "Sea Watch 3" geehrt, die die streitbare Kapitänin und Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete mit der Kamera auf ihrem Seenotrettungsschiff begleitete. Produziert wurde der Beitrag vom NDR. Beim WDR wird die "Besondere journalistische Leistung" der ARD-Politsendung "Monitor" gewürdigt. Der Preis geht an Moderator Georg Restle, stellvertretend für die gesamte Redaktion.

Zwei Grimme-Preise für Netflix

Neben den öffentlich-rechtlichen Sendern, die oft die Grimme-Preisrankings anführen, und den Privatsenderfamilien dürfen sich diesmal auch wieder Pay-TV-Anbieter freuen. Gleich zwei Grimme-Preise gehen an Netflix. Der eine zeichnet die von der btf produzierte Serie "How To Sell Drugs Online (Fast)" aus. Den zweiten Preis bekommt die Netflix-Serie "Skylines", die im Frankfurter Rapper- und Gangster-Milieu spielt. Wermutstropfen: "Skylines" wird von Netflix nicht fortgesetzt.

Freuen dürfen sich unter anderem auch die Verantwortlichen von Sky für die originelle Krimiserie "Der Pass". Dort laufen die Dreharbeiten für eine zweite Staffel.

Überreicht werden die Trophäen am Freitag, 27. März, in Marl. Am selben Abend, ab 22.40 Uhr, zeigt der Kultursender 3sat eine zweistündige Zusammenfassung der Preisverleihung.