Edelmetall-Profi Wieschowski - Goldpreis-Manipulation: Wird das Edelmetall zum Spielball für Spekulanten?
Der Goldpreis erlebt eine ungewöhnliche Rally, die viele Fragen aufwirft. Ist der Anstieg auf normale Marktdynamik zurückzuführen, oder wirken hier unsichtbare Kräfte? Der Edelmetall-Profi Sebastian Wieschowski erklärt die Hintergründe und die möglichen Risiken für Anleger.
Die Frage, ob der Goldpreis manipuliert wird, ist eine der am häufigsten diskutierten Themen unter Anlegern und Analysten in der Welt der Edelmetalle. Seit Jahren kursieren Gerüchte und Spekulationen, dass der Goldmarkt nicht frei von äußeren Einflüssen ist – speziell, wenn der Preis plötzlich in Handelsphasen mit geringer Liquidität in die Höhe oder Tiefe schnellt.
Schnell geht uns Edelmetall-Bullen dann das Wort „Manipulation“ über die Lippen, weil es ganz vorzüglich das Narrativ vom guten Gold gegen die bösen Kräfte der Finanzmärkte bedient. Doch während man früher von Eingriffen sprach, um den Preis zu drücken, stellt sich heute eine neue Frage: Wird der Goldpreis im Jahr 2024 in die Höhe manipuliert?
Treiben unsichtbare Kräfte den Goldpreis?
Tatsächlich hat der Goldpreis in diesem Jahr eine beispiellose Rally erlebt, die bei nüchterner Betrachtung nur teilweise erklärt werden kann - so würden die durchwachsenen Zentralbank-Käufe (wir denken an die nunmehr fünf Monate anhaltende Kauf-Pause der Chinesen) oder die vereinzelten Zinssenkungen (und die aktuelle Rückkehr der Inflation) eigentlich keine Goldpreis-Explosion rechtfertigen.
Die Bullen im Markt, die auf einen weiter steigenden Goldpreis setzen, wirken auch im Herbst 2024 unaufhaltsam. Viele fragen sich nun: Sind diese Preissteigerungen Ausdruck einer ganz normalen Marktdynamik - oder ist hier eine unsichtbare Hand am Werk, die die Preise treibt - nur eben diesmal nach oben?
Ein Argument für die These der Preismanipulation liegt in den Handelspraktiken selbst. Gold wird hauptsächlich über Futures gehandelt – also über Verträge, die in der Zukunft erfüllt werden sollen. Dabei wird auf den Terminmärkten oft ein Vielfaches des real existierenden Goldes gehandelt, was die Frage aufwirft, ob diese „Papier-Gold-Transaktionen“ den Markt dominieren.
Der Einfluss von Derivaten wie Futures ist enorm, und es wäre theoretisch denkbar, dass Akteure mit großen Positionen gezielt Preisbewegungen beeinflussen könnten - und in den vergangenen Monaten kräftig an einem steigenden Goldpreis verdient haben, zumal über Hebelprodukte der Gewinn vervielfacht werden kann.
Hedgefonds und andere Großinvestoren bauen aggressiv Long-Positionen auf
Doch wie läuft eine Manipulation am Goldmarkt überhaupt ab? In der Vergangenheit wurde häufig spekuliert, dass Banken und andere Institutionen den Goldpreis künstlich niedrig halten, um die Währungspolitik zu stützen und Inflationsängste zu mildern. Man stellt sich dabei unweigerlich finstere Gestalten vor, die in einem Hinterzimmer konferieren ihr Urteil über Gold mit gesenktem Daumen fällen. Heute jedoch scheint das Gegenteil der Fall: Hedgefonds und andere Großinvestoren bauen aggressiv Long-Positionen auf und spekulieren auf immer höhere Preise.
Dies bringt neue Dynamiken ins Spiel. Während früher ein gedrückter Goldpreis der vermeintliche Skandal war, wird im Jahr 2024 eine übermäßige Preissteigerung durch massive Spekulation offenbar nicht als problematisch empfunden. Wenn Hedgefonds jedoch, wie in den vergangenen Monaten immer wieder aufs Neue von seriösen Wirtschaftsmedien gemeldet, ihre „bullishen“ Wetten intensivieren, mag dies den Preis für Gold in schwindelerregende Höhen katapultieren - doch diese Bewegungen bergen eine erhebliche Gefahr. Denn was geschieht, wenn diese Investoren plötzlich das Interesse verlieren und weiterziehen?
Handfeste Beweise für bewusste Manipulation - Fehlanzeige !
Zwar ist es bis heute schwierig, handfeste Beweise für eine bewusste Manipulation des Goldpreises zu finden - nach unten wie nach oben. Zwar gibt es Berichte und Untersuchungen über unregelmäßige Handelsaktivitäten, jedoch konnten diese bislang kaum gerichtsfeste Ergebnisse liefern. Dagegen ist belegt, dass große Finanzakteure den Markt in beide Richtungen bewegen können, und dass das Volumen im Papiergold-Handel enorm ist.
Dies führt zur zentralen Frage: Ist das, was im Jahr 2024 mit dem Goldpreis passiert ist, noch eine natürliche Marktdynamik - oder schon Manipulation? Die Definition von „Manipulation“ bleibt unscharf, da der Markt von Natur aus durch Angebot und Nachfrage geprägt wird - und wenn sich Hedgefonds plötzlich auf die Seite von Gold schlagen, werden sie ihre guten Gründe dafür haben. Doch wenn wenige Akteure den Preis dominieren, verschwimmt die Grenze zwischen Manipulation und Marktmacht.
Gold und Hedgefonds - eine Hassliebe
Was die Hedgefonds derzeit am Goldmarkt treiben, erinnert selbst überzeugte Gold-Bullen an eine Blase, die zunehmend auf Spekulation und nicht auf fundamentalen Werten basiert. Sollte diese Blase platzen, könnten die Preise ebenso schnell wieder fallen, wie sie gestiegen sind. Computergestützte Handelssysteme, die mit Stop-Kursen agieren, können eine Verkaufslawine auslösen - wer seit einigen Jahren den Edelmetallmarkt beobachtet, hat diese Lawinen mehr als einmal miterlebt.
Die derzeitige Hausse zeigt, dass das Edelmetall für viele zu einer Spekulationswährung geworden ist. Eine scharfe Korrektur könnte dementsprechend auch viele private Anleger verunsichern, aber letztlich auch eine reinigende Wirkung haben. Gold wurde über Jahrhunderte als sicherer Hafen und Vermögensschutz geschätzt. Doch in den Händen der Spekulanten könnte es zunehmend an seiner ursprünglichen Bedeutung verlieren - diesen psychologischen Effekt beobachten wir ganz eindrucksvoll im Jahr 2024.
Den meisten Privatanlegern ist das, was in den vergangenen Monaten auf dem Goldmarkt passiert ist, nicht mehr geheuer. Sie machen Kasse und warten an der Seitenlinie. Und das ist auch nachvollziehbar, denn der Goldmarkt sollte nicht von jenen dominiert werden, die nur schnelle Gewinne suchen. Eine Rückkehr zu einem Goldpreis, der stärker durch reale Nachfrage als durch Spekulation getrieben ist, wäre wünschenswert - denn dann wäre der „sichere Hafen“ Gold auch langfristig sicher.