EEG-Umlage - Staat muss Energie verschenken: Solarstrom-Erfolg kostet Bundesregierung Milliarden

Solaranlagen kosten den Staat viel Geld - aufgrund einer Preisgarantie für die Betreiber.<span class="copyright">Karl-Josef Hildenbrand/dpa</span>
Solaranlagen kosten den Staat viel Geld - aufgrund einer Preisgarantie für die Betreiber.Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Weil die Bundesregierung Betreibern von Solaranlagen einen bestimmten Strompreis garantiert, steigen die Ausgaben dafür an sonnigen Tagen immens an. Das geplante Budget für dieses Jahr muss nahezu verdoppelt werden. Die Ampel sucht nach Auswegen.

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Einen Tag, nachdem Deutschland gegen Spanien aus der Fußball-Europameisterschaft in diesem Jahr ausgeschieden war, liefen die Photovoltaikanlagen im Land im wahrsten Sinne des Wortes heiß. Binnen 24 Stunden lieferten sie am 6. Juli so viel Sonnenstrom, dass der Strompreis an der Börse im Tagesdurchschnitt negativ war. Statt Geld zu bezahlen, bekamen Käufer an diesem Tag für jede Kilowattstunde sogar noch fast einen Cent geschenkt.

Solche Tage sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Allein dieses Jahr sank der Strompreis im Tagesmittel gleich fünfmal ins Minus. Stundenweise passiert das noch häufiger. Im ersten Halbjahr waren es genau 224 Stunden, wie die TU Darmstadt für das Handelsblatt ausgewertet hat. Hinzu kommen etliche Tage und Stunden, in denen der Strompreis nur knapp über dem Nullpunkt lag.

Grund für diese geringen Börsenpreise ist der immer höhere Anteil von Solarstrom am deutschen Strommix. Laut Statistischem Bundesamt sind mittlerweile 3,4 Millionen Photovoltaikanlagen in Deutschland verbaut, die eine Nennleistung von 81,5 Gigawatt besitzen. Laut Fraunhofer-Institut lieferten sie im ersten Halbjahr 32,4 Terawattstunden Strom, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit hat Solarstrom fast die Leistung von Braunkohle eingeholt. Zusammen mit der weit besser ausgebauten Windkraft und den kleineren erneuerbaren Quellen Wasserkraft und Biomasse kamen erneuerbare Energien von Januar bis Juni auf den Rekordanteil von 66 Prozent.

Warum geringe Strompreise teuer für den Staat sind

Auf den Strompreis wirkt sich das aus, weil Strom aus erneuerbaren Quellen deutlich günstiger ist als aus Kohle und Erdgas. Windkraft liegt laut Fraunhofer-Institut mittlerweile bei 4,3 bis 10 Cent, Solarenergie in den meisten Fällen bei 4,1 bis 14,4 Cent. Lediglich Biomasse-Strom ist mit 12 bis 33 Cent deutlich teurer, aber immernoch auf einem Level mit Braun- und Steinkohle (15 bis 29 Cent) und Erdgas (9 bis 36 Cent). Wird nun an einem sonnigen und/oder windigem Tag viel günstiger Strom aus erneuerbaren Quellen in Stromnetz eingespeist, herrscht ein solche Überangebot, dass der Strompreis insgesamt einbricht – teilweise sogar in negative Werte.

Das freut in erster Linie Energieversorger, die Strompakete dann sehr günstig einkaufen können. Wer als Privatverbraucher einen dynamischen Stromtarif besitzt, kann dies auch ausnutzen. Die Produzenten von Solarstrom sollten sich darüber eigentlich ärgern, möchte man meinen, aber weit gefehlt. Für sie spielt der Strompreis kaum eine Rolle, denn die Bundesregierung garantiert ihnen eine Einspeisevergütung. Deren Höhe richtet sich nach der Größe der Anlage. Geld gibt es bis 100 Kilowatt, die Vergütung schwankt dabei zwischen 6,46 und 12,73 Cent pro Kilowattstunden, wobei kleinere Anlagen bevorzugt werden. Auch für Wind- und Wasserkraft gibt es Fördersätze.

Diese Regelung ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2000 festgelegt, das zuletzt 2023 angepasst wurde. Demnach erhalten Solarstromproduzenten die Einspeisevergütung für 20 Jahre nach Bau der Anlage garantiert. Sie verkaufen den selbst produzierten Strom dabei an den lokalen Netzbetreiber, der wiederum verpflichtet ist, diesen Strom vorrangig einzukaufen, bevor er Strom aus fossilen Quellen oder Kernkraft einkaufen darf. Den mit der Einspeisevergütung bezahlten Strom darf der Netzbetreiber dann an der Börse verkaufen. Liegt der Strompreis allerdings – wie aktuell oft der Fall – unter den Vergütungssätzen, macht der Netzbetreiber zwangsweise Verlust.

 

Dieser Verlust wird vom Staat ausgeglichen. Er hat dafür ein spezielles Konto eingerichtet, das EEG-Konto. Auf dieses zahlten bis 2022 die Verbraucher ein. Mit jeder verbrauchten Kilowattstunde gingen ein paar Cent EEG-Umlage auf das EEG-Konto. Weil mit der Energiekrise die Stromkosten aber in die Höhe schossen, wollte die Bundesregierung die Verbraucher entlasten und übernimmt deswegen die EEG-Umlage seit vergangenem Jahr komplett selbst. Die Entschädigungen für die Netzbetreiber werden jetzt also aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt.

Dafür wiederum muss der Staat das EEG-Konto füttern. Für dieses Jahr hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dafür einen Posten von 10,6 Milliarden Euro im Bundeshaushalt vorgesehen. Doch schon nach sechs Monaten ist absehbar, dass diese Summe bei weitem nicht reichen wird. Im ersten Halbjahr wurden vom EEG-Konto bereits 9,8 Milliarden Euro ausgezahlt. Lindner schoss 8,8 Milliarden Euro nach, doch es ist fraglich, ob selbst das bis Jahresende reicht. Die tatsächlichen EEG-Kosten könnten am Ende mehr als doppelt so hoch liegen wie geplant.

Das plant die Bundesregierung kurzfristig

Auf der einen Seite ist das eigentlich eine gute Sache, denn die EEG-Kosten steigen nur wegen des Erfolges der günstigen erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite wird durch die staatlich garantierte Einspeisevergütung daraus aber ein sehr kostspieliges Unterfangen für den Staat. Der steuert deswegen dagegen. In der im Juli beschlossenen Wachstumsinitiative wird das EEG-Problem mit zwei Maßnahmen bedacht. Erstens soll die Vergütung bei negativen Strompreisen ab 1. Januar 2025 wegfallen. Ausgenommen davon sind schon bestehende Anlagen, die eben unter anderen Voraussetzungen gebaut wurden, und kleine Anlagen, bei denen der administrative Aufwand dafür zu hoch wäre. Zweitens soll die Einspeisevergütung nur noch für neue Anlagen mit weniger als 25 Kilowatt Leistung gelten statt wie bisher bis 100 Kilowatt. Die Grenze wird ab 2025 in drei Jahresschritten heruntergesetzt.

Die erste Maßnahme ist eine kleinere Änderung als es scheint. Erstens steigt zwar die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen, aber 224 Stunden in einem Halbjahr machen trotzdem gerade einmal fünf Prozent der Zeit aus. Zudem gilt bereits jetzt eine Grenze: Dauert eine Phase mit negativen Strompreisen mindestens drei Stunden an, wird die Einspeisevergütung sowieso ausgesetzt. Die Wachstumsinitiative verkürzt diese Dauer als nur von 3 auf 0 Stunden. So kurze Phasen mit negativen Strompreisen machen aber wiederum nur 5 Prozent der 224 Stunden aus – es ist also eher eine kosmetische Maßnahme, die kurzfristig kaum Geld spart.

Anders sieht es bei der Absenkung der maximalen Größe einer Anlage aus. Wer heute eine Solaranlage mit mehr als 100 Kilowatt Leistung baut, muss seinen Strom direkt an der Börse vermarkten. Sinkt der Preis dort, bekommt er eben auch weniger, der Staat springt hier nicht ein. Wenn diese Grenze gesenkt wird, müssten ab 2027 eben auch Betreiber neu gebauter Anlagen ab 25 Kilowatt den Strom selbst vermarkten. Der Staat spart dann also die Einspeisevergütung für alle neuen Anlagen im Bereich von 25 bis 100 Kilowatt.

Diese machen aktuell einen überschaubaren Anteil aus. Die TU Darmstadt hat für das Handelsblatt ausgewertet, dass derzeit 47 Prozent aller neu gebauten Solaranlagen über 100 Kilowatt liegen. Zwischen 25 und 100 Kilowatt liegen rund 14 Prozent der Anlagen. Nur diese wären dann also zusätzlich von der Einspeisevergütung ausgenommen. In Euro dürfte der Anteil höher liegen, da es sich um die größten Profiteure der Einspeisevergütung handelt, aber genaue Zahlen sind schwer auszumachen. Unklar ist auch, ob eine Änderung der Regelung zu einer Verhaltensänderung bei den Anlagenbetreibern führt, also etwa vermehrt kleinere Anlagen gebaut werden.

Das plant die Bundesregierung langfristig

Langfristig soll die EEG-Umlage ein Auslaufmodell sein. Mit der Einspeisevergütung sollen Anlagenbetreiber für die hohen Anschaffungs- und Installationskosten entschädigt werden. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) legte gerade erst vergangene Woche einen Entwurf dafür vor, wie das EEG ab 2027 reformiert werden könnte. Eine Idee wäre, dass Anlagenbetreiber dann zwar immer noch geringe Vergütungssätze als heute erhalten, aber umgekehrt Geld an den Staat zahlen müssen, wenn ihre Einnahmen über der Einspeisevergütung liegen.

Die Bundesregierung plant laut der Wachstumsinitiative langfristig zwei Maßnahmen: Erstens soll die Einspeisevergütung abgeschafft und durch eine Investitionskostenförderung ersetzt werden. Dabei bekämen Anlagenbetreiber nur noch Zuschüsse für den Bau neuer Wind- und Solaranlagen, aber keine mehr für den Betrieb. Daneben sollen auch Solaranlagen an einem möglichen Kapazitätsmarkt teilhaben können. Bei diesem würden Anlagenbetreiber dafür entschädigt, dass sie Stromkapazitäten vorhalten, die ins Netz eingespeist werden, sollten die Kraftwerke in Deutschland zu einer bestimmten Zeit weniger Strom liefern als gerade benötigt wird. Originär ist dieser Kapazitätsmarkt für Gaskraftwerke gedacht, die dann angeworfen werden könnten. Die Ampel-Koalition plant, denselben Mechanismus aber auch für Anbieter von Stromspeichern anzubieten. Diese Stromspeicher könnten Betreiber dann mit günstigem Solar- und Windstrom füllen, wenn ein Überangebot an diesem herrscht und teurer verkaufen, wenn Strom benötigt wird. Zudem würden sie für die Speicherung eine geringe Entschädigung erhalten. Details sind aber noch nicht bekannt, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte seinen Parteikollegen zuletzt nur, man würde verschiedene Modell durchtesten.

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