Warum Angela Merkel plötzlich den Weg für die "Ehe für alle" freimacht

Angela Merkel im Gespräch mit “Brigitte”-Chefredakteurin Brigitte Huber. (Bild: dpa)
Angela Merkel im Gespräch mit “Brigitte”-Chefredakteurin Brigitte Huber. (Bild: dpa)

Plötzlich geht alles ganz schnell: Auf einem Event der Zeitschrift “Brigitte” verrät Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie sich durchaus eine Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare vorstellen könne. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nimmt den Ball auf und fordert eine Abstimmung des Bundestages noch in dieser Woche, bevor die Sommerpause beginnt. Merkel spielt mit: Wie im “Brigitte”-Gespräch angedeutet, hebt sie in Absprache mit der CSU den Fraktionszwang für die Union auf: Jeder Abgeordnete darf nun nach seinem Gewissen entscheiden.

Dabei hatte die Kanzlerin noch im letzten Wahlkampf ganz andere Töne angeschlagen. 2013 erklärte sie in der ARD-Wahlarena, als es um Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare ging: “Ich tue mich schwer damit.” Die Ablehnung der gleichgestellten Homo-Ehe begründete sie damals auch mit dem Kindeswohl bei Adoptionen. Doch nun berichtete sie von einem “einschneidenden Erlebnis” in ihrem Wahlkreis.

Eine lesbische Frau habe sie zu sich und ihrer Partnerin eingeladen – das Paar habe acht Pflegekinder und wollte der Kanzlerin die Gelegenheit geben, sich über deren Wohlbefinden zu vergewissern. Für Merkel Grund genug, ihre Haltung zu ändern: Wenn das Jugendamt einem lesbischen Paar acht Pflegekinder anvertraue, könne der Staat nicht mehr mit dem Kindeswohl gegen Adoptionen argumentieren, schlussfolgerte die Kanzlerin.

Ohne Fraktionszwang bei CDU und CSU gilt ein Ja zur “Ehe für alle” als extrem wahrscheinlich, da bis auf die Union derzeit alle im Bundestag vertretenen Parteien die Gleichstellung von Homosexuellen in der Ehe fordern. Und im Falle einer “Gewissensentscheidung” dürften sicher auch so manche Abgeordnete von CDU/CSU dafür stimmen.

Zwei Männer heiraten am 12. August 2016 evangelisch in der Berliner Marienkirche. (Bild: dpa)
Zwei Männer heiraten am 12. August 2016 evangelisch in der Berliner Marienkirche. (Bild: dpa)

Im Abstand von nur wenigen Tagen haben sowohl SPD, Grüne als auch FDP ein Ja zur “Ehe für alle” als Bedingung für eine mögliche zukünftige Koalition mit der CDU/CSU formuliert. Da die CDU weder mit der Linkspartei, die ebenfalls eine “Ehe für alle” befürwortet, noch mit der AfD koalieren will, musste sich die Partei von Angela Merkel nun in der Frage bewegen.

In Deutschland dürfen homosexuelle Paare seit 2001 eine “Eingetragene Lebenspartnerschaft” eingehen. Mit der heterosexuellen Ehe ist diese allerdings nicht gleichgestellt: Neben steuerlichen Nachteilen haben schwule und lesbische Paare bisher nicht die Möglichkeit, Kinder zu adoptieren. Eine “Ehe für alle” würde jedoch nur Zivilehen gleichstellen.

Doch auch die Evangelische Kirche traut mittlerweile gleichgeschlechtliche Paare. Im August 2016 wurde in der Marienkirche in Berlin die erste kirchliche Männerehe in Deutschland geschlossen.