Ehemaliger SS-Sanitäter Hubert Zafke angeklagt

Der Vorwurf: Beihilfe zu 3.681 Morden in Auschwitz

Hubert Zafke als Gefangener in seiner SS-Uniform (Bild: Archive of the Auschwitz-Birkenau State Museum in Oswiecim)
Hubert Zafke als Gefangener in seiner SS-Uniform (Bild: Archive of the Auschwitz-Birkenau State Museum in Oswiecim)

Er ist schon 94 Jahre alt, aber soll, nach Angaben der „BILD“, noch geistig fit und rüstig sein. Nun holt ihn die Vergangenheit ein. Die Staatsanwaltschaft Schwerin wirft Hubert Zafke in einer 83-seitigen Anklageschrift vor, an der Ermordung von 3.681 Menschen beteiligt gewesen zu sein.

In einer ersten Vernehmung 2014 bestritt Zafke zunächst, überhaupt in Auschwitz-Birkenau gewesen zu sein. In einer zweiten Befragung behauptete er dann, von den Deportationen nichts mitbekommen zu haben, so berichtet die „BILD“-Zeitung. Dass Millionen Juden in Gaskammern und Verbrennungsöfen umkamen, will er erst nach Kriegsende erfahren haben.

Zafke diente im Jahre 1944 als Unterscharführer in der Sanitätsstaffel von Ausschwitz-Birkenau. Zuvor hatte er eine beispielhafte Nazikarriere hingelegt: Mit 13 Jahren wird er Mitglied in der Hitlerjugend, als 19-Jähriger tritt er der Waffen-SS bei. 1943 steht er als SS-Rottenführer erstmals in Auschwitz. „In dem Zeitraum erreichten Auschwitz-Birkenau mindestens 14 Deportationszüge beispielsweise aus Rhodos, Triest, Wien und Westerbork“, so Oberstaatsanwalt Stefan Urbanek. In einem dieser Züge soll sich laut Ermittlungen auch die Jüdin Anne Frank, die später in Bergen-Belsen starb, und ihre Familie befunden haben.

Kaum vorstellbar, dass Zafke damals von dem organisierten Massenmord nichts mitbekommen haben soll. 1948 stand er schon einmal in Polen vor Gericht und wurde wegen seiner Mitgliedschaft bei der SS und als KZ-Wächter zu vier Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Im Februar 1951 kommt Zafke frei und ist in den besten Jahren. Er zieht in ein mecklenburgisches Dorf nahe Demmin, heiratet und bekommt vier Söhne. In der DDR interessiert sich niemand für seine Vergangenheit und auch nach dem Fall der Mauer vergehen noch mal über 20 Jahre, bis sein Fall erneut von der Justiz aufgerollt wird.

Dass die Staatsanwaltschaft in Schwerin überhaupt Anklage erheben konnte, ist der Verurteilung des ehemaligen und inzwischen verstorbenen KZ-Wächters John Demjanjuk zu verdanken. Am 12. Mai 2011 verurteilte das Landgericht München Demjanjuk zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wegen über zwanzigtausendfacher Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager Sobibor im südöstlichen Polen. Das Urteil schuf einen Präzedenzfall, denn zuvor musste Angeklagten eine konkrete Tat nachgewiesen werden. Teil einer Vernichtungsmaschinerie gewesen zu sein, reichte nicht als Grundlage einer Mordanklage aus. Dass sich die Rechtslage aufgrund dieses Urteils inzwischen geändert hat, ist eine Genugtuung für die Hinterbliebenen der KZ-Opfer. Leider kommt sie viel zu spät, denn falls eine Anklage erhoben wird, sind die Angeklagten meist schon über 90 Jahre alt.

Nach Angaben der „BILD“-Zeitung soll Hubert Zafke vor Gericht inzwischen zugegeben haben, von den Morden gewusst zu haben. Sein Anwalt versucht nun mit einem Gutachten zu beweisen, dass sein Mandant dement und damit nicht verhandlungsfähig sei.