„Ein entscheidender Augenblick in unserer Nachkriegsgeschichte“: Norbert Röttgen bei „Markus Lanz“ über seine CDU-Kritik

Zu Gast bei Markus Lanz waren Norbert Röttgen, Dirk Steffens, Lisa-Marie Koroll, Georg Uecker und Jacques Schuster (v.l.n.r.). (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast bei Markus Lanz waren Norbert Röttgen, Dirk Steffens, Lisa-Marie Koroll, Georg Uecker und Jacques Schuster (v.l.n.r.). (Bild: Screenshot ZDF)

Im Kreuzfeuer der Kritik stand bei Markus Lanz am Mittwoch CDU-Politiker Norbert Röttgen. Dieser musste sich für seine Affronts an der eigenen Partei und Kanzlerin Merkel rechtfertigen – und das einen Großteil der Sendung lang.

Norbert Röttgen gilt derzeit als einer der härtesten parteiinternen Kritiker von Kanzlerin Merkel. Vergangene Woche sprach er von einer „inhaltlichen Entleerung“ der Partei, und attestierte gegenüber dem „Tagesspiegel“, dass es noch niemals in der Geschichte der CDU einen derartigen Vertrauensverlust gegeben habe. Diese Kritik kommt nicht überall gut an – auch bei Markus Lanz musste er sich dafür der Kritik des Moderators und des Journalisten Jacques Schuster stellen.

Angespanntes Verhältnis zu Merkel

Wie er die CDU in drei Worten beschreiben würde, fragte Gastgeber Lanz zu Beginn Röttgen. „Die noch stärkste Partei, aber auch Teil der Situation, von der ich sage, dass sie zum ersten Mal auch eine politische Systemschwäche werden könnte. Damit sind wir wiederum Teil einer allgemeinen Lage der westlichen Demokratien, wo wir feststellen, dass der Nationalismus wieder da ist, wo wir feststellen, dass sich Menschen in den traditionellen Parteien nicht mehr wiederfinden, in dem, was sie umtreibt, und sich die Parteien auch nicht trauen, sich auf diese revolutionären Änderungen einzulassen. Vielleicht sind die Parteien genauso überfordert wie die Menschen, und deswegen gibt es eine neue Distanz zwischen den Menschen und den Parteien, dem Parteiensystem […]“, so der Politiker in etwas mehr als den drei von Lanz erbetenen Worten.

Sein Verhältnis zu Kanzlerin Merkel kommentierte Röttgen knapp: „Wir sprechen miteinander.“ Wann das zuletzt der Fall war, wollte er allerdings nicht konkret beantworten. Im Laufe der Sendung fand er aber auch Positives am derzeitigen Kurs der CDU – nämlich die Entscheidung Merkels, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretärin zu nominieren. „Das kommt nicht alle Tage vor, dass Politiker und Politikerinnen von einem Staatsamt zu einem Parteiamt wechseln“, so Röttgen. Besonders habe es es ihm imponiert, dass Kramp-Karrenbauer davon sprach, dass sich Deutschland in einer der schwierigsten Phasen seiner Geschichte befände – denn genau darauf kam auch Röttgen im Laufe der Sendung immer wieder als Kernpunkt seiner Argumentation zu sprechen.

Norbert Röttgen erklärte seine Kritik an der CDU ausführlich. (Bild: Screenshot ZDF)
Norbert Röttgen erklärte seine Kritik an der CDU ausführlich. (Bild: Screenshot ZDF)

Journalist Jacques Schuster, der die derzeitige Merkel-Kritik als „lächerlich“ bezeichnet hatte, fand auch die freundliche Personalpräsentation der Kanzlerin erfreulich: „Es hat mich auch insofern überrascht, weil die Kanzlerin ihre Generalsekretäre immer wie Sekretäre behandelte und nicht wie Generäle.“ „Es kommt hier jemand mit politischem Gewicht ins Amt und ich hoffe, sie kann sich durchsetzen.“ Die CDU habe in den letzten Jahren immer mehr einem Mineralwasser geglichen, aus dem die Kohlensäure entwich – man trinkt es, wenn es sein muss, aber mit Widerwillen. „Wenn es der Kanzlerin jetzt gelingt, Köpfe reinzubringen, Charaktere reinzubringen, Kohlensäure reinzubringen, dann ist das sicher ein guter Schritt.“

Die Kritik Röttgens habe Schuster irritiert. „Es hat ein bisschen was von Rache […]. Sie sind damals ja […] vor der verlorenen Wahl, ich glaube es war 2012, von der Kanzlerin aus dem Kabinett gesetzt worden, höflich formuliert“, so der Journalist. Röttgen war von 2009 bis 2012 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der damaligen Koalition mit der FDP, und musste anschließend unfreiwillig seinen Ministerplatz räumen.

Schuster weiter: „Sie werfen der CDU Konturlosigkeit vor, aber Ihre Kontur – wenn ich die Außenpolitik abnehme – habe ich auch nicht entdeckt. Es wäre doch schon gewesen in den letzten drei, vier Jahren, in denen sich das ja abzeichnete, die geistige Armut dieser Partei – und ich sage das nicht mit Häme, ich sage das mit Trauer – im Grunde mit neuen Ideen zu wecken, auch mit Widerspruch zu wecken. Ich sehe da nur Jasager. Und jetzt, wo die Kanzlerin angeschlagen ist, kommt ein Teil von Politikern an die Oberfläche, die das Kap der Reife längst umschifft haben.“

“Wir müssen neue Antworten finden, wir müssen darum ringen”

Diese Kritik wies Röttgen ab. Die Welt befindet sich mittlerweile in einer gänzlich neuen politischen Lage, die Systeme würden geschwächt und der Nationalismus stärker werden. Und auch durch die völlig verändert geopolitische Situation und den digitalen Wandel stünde man vor großen Herausforderungen. „Wir müssen neue Antworten finden, wir müssen darum ringen – und dabei sind wir nicht gut genug. Und das halte ich für einen ganz entscheiden Augenblick in unserer Nachkriegsgeschichte.“ Besonders im Umgang mit der Flüchtlingskrise sei ein neuer Umgang gefordert, der den Menschen wieder Vertrauen in den Staat schenke.

Das Rachebedürfnis, das ihm von Schuster attestierte wurde, stritt Röttgen ab: „Ich äußere mich zu einer konkreten politischen Situation.“ „Sie diffamieren einen politischen Meinungsbeitrag. Das ist sozusagen Ihr Beitrag zu meinem Beitrag. Ich glaube, das hilft nicht weiter.“

Zudem habe Röttgen nie von Konturlosigkeit innerhalb der CDU gesprochen, erklärte er: „Ich habe gesagt: Das, was wir brauchen, ist eine inhaltliche Erneuerung. Wenn wir damit nicht anfangen, mit einer programmatischen Erneuerung, die die Themen aufgreift, die Menschen umtreiben, und wenn wir diese inhaltliche Entleerung, die wir alle als Parteien miteinander teilen, nicht beenden, dann werden wir dramatische Zeiten erleben.“

„Ich finde, Sie sind sehr nah an dieser Fake-News-Geschichte dran: Dass immer die Journalisten schuld sind“, konterte Schuster – und legte nach: „Dann sagen Sie doch mal, wie sich die CDU denn mit Inhalt füllen kann. Das wäre doch mal interessant.“

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