Einsam hinter dem DJ-Set

Der Tod des Elektropop-DJs Avicii erschüttert die Musikszene. Der Mensch hinter der Kunstfigur gerät dabei schnell in Vergessenheit. Ein Rückblick auf eine erstaunliche Karriere und den Versuch eines Neuanfangs.

Avicii verstarb am 20. April 2018 in einem Hotel in Oman. Er galt als einer der größten Stars der internationalen DJ-Szene. (Bild: Getty Images)
Avicii verstarb am 20. April 2018 in einem Hotel in Oman. Er galt als einer der größten Stars der internationalen DJ-Szene. (Bild: Getty Images)

Von Moritz Piehler

Er hat die Menschen weltweit zum Feiern gebracht. Avicii galt als einer der größten Stars der internationalen DJ-Szene, produzierte Hits mit Aloe Blacc oder Chris Martin. Am Freitag wurde der DJ tot in seinem Hotel im Oman aufgefunden. Die Polizei in Maskat ließ nach zwei durchgeführten Autopsien verlauten, dass die Todesursache eindeutig geklärt sei. Mit Rücksicht auf die Familie würde man aber davon absehen, sie öffentlich zu machen. Nur eine Fremdeinwirkung sei in jedem Fall auszuschließen. Sofort kochte die Spekulationsküche hoch.

Aviciis Geschichte ist die eines jungen Superstars. Von einem, der vielleicht zu schnell zu berühmt und groß wurde und der eigentlich gerade im Begriff war, sein Leben zu entschleunigen und einen Neustart zu wagen. Sie lässt sich erzählen als das Klischee von der vergnügungssüchtigen DJ-Szene, die ohne Rücksicht auf den nächsten Kick, die nächste durchfeierte Nacht wartet und in der synthetische Drogen gängiges Accessoire sind. Von einem Jungen, der die Aufmerksamkeit genossen hat, sich in der Jetsetwelt der Stars und schönen Frauen bewegte und sich dabei verloren hat. Aber so einfach ist es vermutlich nicht. Denn der 28-jährige Schwede, der eigentlich Tim Bergling heißt, hatte sich schon vor anderthalb Jahren bewusst aus dem Rummel zurückgezogen, seitdem keine Live-Auftritte mehr gemacht. Schon nach seinem Aus auf der Bühne hatte es Gerüchte um seine Gesundheit gegeben. Die wahren Gründe sind vermutlich noch komplexer. Auf seiner Website hatte sich Bergling damals an seine Fans gerichtet, um zu erklären, warum er nicht mehr live als DJ performen wollte und dass er sich sehr auf die zukünftige Arbeit als Producer freue: “Es ist der Anfang von etwas Neuem. Ich hoffe, ihr habt so viel Spaß damit, wie ich.”

Natürlich fordert der Job als weltbekannter DJ einen hohen Tribut. Die vielen Reisen, der ständige Partymodus und die Verführungen der Szene. Viele DJs können schlecht damit umgehen, besonders die große Fallhöhe vom gefeierten Star in der Nacht zum einsamen Kater am Tag danach, ist für manche schwer zu verarbeiten. Es ist kein Geheimnis, dass viele DJs mit gesundheitlichen und psychischen Problemen zu kämpfen haben. Auch Avicii landete zweimal im Krankenhaus und hatte anscheinend ein Alkoholproblem. Aber es gibt auch zahlreiche Beispiele für Star-DJs, die mit dieser Karriere äußerst professionell umgehen. Die entweder “straight-edge” leben, also komplett auf Alkohol und Drogen verzichten, oder das Feiern und Gefeiertwerden mit einem gesunden Umfeld aufwiegen. Viele davon haben allerdings nicht so einen rasanten Aufstieg als junger Mensch hinter sich.

Seit 2011 und seinem ersten Megahit “Levels” stand Avicii permanent im Rampenlicht. Sein Song “Wake me Up” war ein weltweiter Hit Seine insgesamt drei Alben erreichten in Deutschland zweimal fünffachen und einmal achtfachen Platinstatus. Es lässt sich schwer beurteilen, was das mit einem jungen Erwachsenen macht. Er arbeitete mit den größten Musikstars der Welt zusammen und produzierte die Hymne für die Fußball-WM 2014. Zwei Jahre später, am 28. August 2016 stand Bergling zum letzten Mal als Avicii auf einer Bühne in Ibiza, kurz danach verkündete er seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Er war zu dem Zeitpunkt 26 Jahre alt. In einem Interview mit Billboard erklärte er seine Entscheidung: “Die Szene war einfach nichts für mich. Es lag nicht an der Musik oder den Auftritten, aber der ganze Kram drum herum lag mir nie.” Er beschreibt sich in dem Interview als eher introvertiert: “Ich glaube, ich hab einfach viel zu viel negative Energien aufgenommen.”

Die Doku “Avicii: True Stories” zeichnet seine Karriere noch einmal sehr schonungslos nach, es war auch ein Versuch, den Fans den Menschen hinter dem Star näher zu bringen und die Entscheidung hinter seinem Rückzug. Ein Vollblutkünstler blieb Avicii trotzdem, er hatte sich keineswegs von der Musik verabschiedet und begann kurz darauf wieder, Tracks zu produzieren. Es ist reine Spekulation, sich über seinen psychischen Gesundheitszustand zu äußern. Sicher scheint aber, dass er mit der von ihm geforderten Rolle als Anheizer auf den Partysets dieser Welt sehr unglücklich war.

Stars wie Madonna, Felix Jaehn oder David Guetta kondolierten am Wochenende über die sozialen Medien, alle zeigten sich bestürzt über den Tod des Jungstars. Aber ob die Musikszene Konsequenzen daraus zieht und den Menschen in ihrer Mitte, die dem Druck nicht gewachsen sind oder unter Depressionen leiden wirklich Halt geben kann, ist doch sehr zu bezweifeln. Zu groß ist der Wunsch nach unbelasteter Partystimmung und immer gut gelaunten Stars. Und in seiner Heimatstadt Stockholm feierten die Menschen am Samstag zu tausenden auf dem Sergels-Torg-Platz zu Aviciis Hits, um sein Leben zu feiern. Tim Bergling verschwindet schon wieder hinter der Legende seines DJ-Alter-Egos.