Eintrittsalter, Niveau, Kaufkraft - Die größte Rentenlüge ist eine ganz andere als Sie denken
Geht es um die Rente, hält sich in Deutschland eine Lüge, die viele Menschen von der richtigen Altersvorsorge abhält. Sie lautet: „Früher haben die Renten zum Leben gereicht.“ Haben sie nie. Werden sie nie. Drei Punkte erklären, wie Sie trotzdem die Altersarmut vermeiden.
Im Video oben: Das bedeuten die Rentenversprechen der SPD für alle Einzahler
Seit im alternden Deutschland das Verhältnis von Angestellten zu Rentnern immer weiter sinkt, erzählen viele Deutsche die Legende von der ehemals viel besseren Rentenwelt. In den 1970er-Jahren, als noch vier bis fünf Beitragszahler einen Empfänger finanzierten, lebten diese Empfänger viel besser von ihren Bezügen als heute, wo nur noch zwei Beitragszahler einen Empfänger finanzieren, behauptet die Legende.
Klingt logisch. Stimmt aber nicht.
Im zurückliegenden halben Jahrhundert bekamen Rentner im Vergleich zum Durchschnittsentgelt nie deutlich höhere Bezüge als heute.
Die Rente reichte noch nie zum Leben
Im Jahr 1973 erhielten Bezieher einer Standardrente 53 Prozent des Durchschnittsentgelts. Danach stieg der Wert zunächst an, fiel bis Mitte der 2010er-Jahre aber auf unter 48 Prozent. Im Durchschnitt lag der Wert bei 53,4 Prozent. Künftig garantiert die Bundesregierung ein Rentenniveau von 48 Prozent.
Wer heute mit 1600 Euro in Rente geht, hätte bei einem Rentenniveau von 53,4 Prozent (also dem Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre) 1776 Euro Rente bekommen. Ein wenig mehr als derzeit, aber kaum der Retter vor der Altersarmut.
Die Rente wird nie zum Leben reichen
Wichtige Zahlen, denn sie entkräften die Hoffnung, die viele an die Legende von der guten, alten Rentenwelt knüpfen: Dass die Rente irgendwann wieder zum Leben reichen könnte.
Die Rente hat noch nie zum Leben gereicht. Kann sie nicht. Soll sie nicht. Wird sie nie.
Selbst wenn die Deutschen über Nacht die Lust am Kinderkriegen wiederentdecken und bald dutzende Beitragszahler auf einen Senioren kommen, sinken eher die Beiträge als das die Renten ins Astronomische steigen: Die jungen Menschen haben Wählerstimmen. Sie sähen wohl kaum den Zwang, Ruheständler auf eigene Kosten doppelt so gut abzusichern wie vergangene Generationen.
Wer im Alter nicht arm sein will, muss selbst vorsorgen – auch, wenn es schwerfällt
Wer klug für die Rente vorplant, rechnet mit einem Absicherungsniveau um 50 Prozent. Mehr bleibt Wunschdenken.
Reichen diese 50 Prozent vom eigenen Gehalt, super. Reichen sie nicht, hilft nur die private Vorsorge: Zusatzrente, ETF besparen, Haus abbezahlen. Fehlt dafür das Geld, muss mehr Geld her: Gehaltserhöhung fordern, Job wechseln, betriebliche Altersvorsorge nutzen. Reicht auch das nicht, bleibt nur: Ausgaben kürzen. Klingt hart, ist aber nun mal so. Wer sich dieser Realität verweigert, steuert in die Altersarmut.
Dass dazu kleine Beträge reichen, zeigt ein Beispiel: Wer 20 Euro monatlich zu sechs Prozent Rendite anlegt, zum Beispiel mit einem ETF, hat nach einem Arbeitsleben (45 Jahre) über 40.000 Euro gespart. Hebt er davon im Rentenalter nur die Rendite ab, hat er rund 200 Euro pro Monat extra. Wer 40 Euro spart, hat 400 Euro extra. Selbst kleine Verhaltensänderungen oder regelmäßige Versicherungsvergleiche machen im Alter einen riesigen Unterschied.
Zusatzeinkommen können die Rentenlücke schließen
Wieso, das belegen zwei weitere Zahlen: Laut dem Report Alterssicherung in Deutschland bezogen westdeutsche Ruheständler nur rund die Hälfte ihres Bruttoeinkommens aus der gesetzlichen Rente. Der Rest stammte aus betrieblicher Altersversorgung, Beamtenpensionen, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und privater Vorsorge.
Bei einem Rentenniveau von um 50 Prozent füllten westdeutsche Ruheständler die Lücke zum letzten Arbeitseinkommen also mit anderen Einnahmequellen auf.
Ostdeutsche Ruheständler bekamen knapp 85 Prozent ihres Bruttoeinkommens aus der Rente. Ihnen blieb im Vergleich zum letzten Einkommen im Durchschnitt also eine deutliche Lücke.
Ein großer Teil dieses Unterschieds ist historisch gewachsen. Ostdeutschen Angestellten blieben weniger Zeit, weniger Gelegenheit und weniger Möglichkeiten zur Zusatzvorsorge. Wer aber heute noch arbeitet, weiß angesichts dieser Zahlen, worauf er sich einlässt.
Vorausschauend gilt also: Wer die größte Rentenlüge vermeidet – nämlich die vage Hoffnung, dass die Bezüge unter günstigen Bedingungen vielleicht doch irgendwie reichen –, geht den wichtigsten Schritt zu einer soliden Altersvorsorge: Er versteht, selbst etwas tun zu müssen.
Die Zahlen verdeutlichen leider auch, dass dies noch viel zu wenige tun.