Eklat im britischen Parlament: Abgeordneter will Zeremonienstab entführen

Ohne den Zeremonienstab darf das britische Parlament keine Gesetze erlassen (Bild: Getty Images)
Ohne den Zeremonienstab darf das britische Parlament keine Gesetze erlassen (Bild: Getty Images)

In der Regel verlaufen Debatten im britischen Unterhaus, dem House of Commons, leidenschaftlich aber gesittet. Nun sorgte ein Abgeordneter für einen denkwürdigen Moment, als er versuchte, den Zeremonienstab zu entwenden.

Bei der Brexit-Debatte im britischen Unterhaus sorgte Premierministerin Theresa May am Montag für eine Überraschung. Sie gab bekannt, dass die für den Dienstag geplante Abstimmung verschoben wird. Im krisengebeutelten Noch-EU-Land ein Schachzug, den viele für undemokratisch halten. Ein Abgeordneter tat seinen Unmut mit einer eigenwilligen Aktion kund.

Labour-Politiker protestierte gegen Verschiebung

Lloyd Russell-Moyle, ein Politiker der Labour-Partei, zeigte seine ablehnende Haltung, indem er in die Mitte des Plenarsaals schritt, den Zeremonienstab vom Rednerpult nahm und damit aus dem Raum gehen wollte. Bei diesem zeremoniellen Streitkolben handelt es sich um eine Insignie des britischen Monarchen. Der Stab symbolisiert die Übertragung der legislativen Aufgaben vom Monarchen auf das Parlament.

Schon kurz, nachdem Russell-Moyle den Stab entwendete, wurde er von seinen Kollegen aufgehalten, wie ein Video zeigt.

Hier sehen Sie Lloyd Russell-Moyle, wie er sich den Streitkolben greift.”

Es gibt drei Streitkolben, einen im House of Commons, dem Unterhaus, und zwei im House of Lords, dem Oberhaus. In Großbritannien kann das Parlament nicht rechtmäßig tagen, wenn ein Streitkolben in einer der beiden Kammern fehlt.

Der Abgeordnete Lloyd Russell-Moyle sorgte im Unterhaus für einen skurrilen Zwischenfall. (Bild: Getty Images)
Der Abgeordnete Lloyd Russell-Moyle sorgte im Unterhaus für einen skurrilen Zwischenfall. (Bild: Getty Images)

Nach seiner Aktion gab sich Russell-Moyle auf Twitter humorvoll:

Zum Glück haben sie mich nicht im Tower of London eingesperrt, aber wenn sie das getan hätten, hätte ich erwartet, dass May in der Zelle neben mir sein würde, für ihren Umgang mit dem Parlament heute. Nach meinem symbolischen Protest gegen diese Regierung werde ich morgen wieder eingelassen. Ich wünschte, May würde nicht mehr eingelassen werden.”

Fast ein Jahrtausend lang wurden Kriminelle, darunter Hochverräter oder Revolutionäre, im Tower of London eingesperrt. Bis 1941 wurden in der Festung hochrangige Personen inhaftiert, zu denen Abgeordnete der Parlamentskammern zählen. Eine solche Strafe muss Russell-Moyle natürlich nicht befürchten, worauf er augenzwinkernd in seinem Tweet angespielt hatte.

Auf Twitter reagierten etliche User auf den ungewöhnlichen Vorfall.

“Großbritannien an die Welt: Wir sind eine edle, respektierte und extrem fortschrittliche Demokratie. Auch Großbritannien: Oh, jetzt geht es los, sie haben den großen Streitkolben entwendet!”

“Trump wird einen Wutanfall bekommen, weil er keinen Streitkolben hat.”

“Man muss die britisch-parlamentarische Form des Protestes lieben – den riesigen Streitkolben nehmen.”

In der Vergangenheit kam es bereits zu ähnlichen Vorfällen. Im Jahr 1930 wollte der Labour-Abgeordnete John Beckett ebenfalls mit dem Zeremonienstab aus dem Raum gehen. Aus Protest gegen die Suspendierung gegen einen anderen Mandatar. Für diese Tat wurde Beckett schließlich selbst suspendiert.

1976 nahm der konservative Abgeordnete Michael Heseltine den Stab und hielt ihn in die Höhe, nachdem ein Labour-Abgeordneter damit begonnen hat, die Hymne der Labour-Partei im Unterhaus anzustimmen. Noch schlimmer kam es 1988, als der Labour-Politiker Ron Brown den Stab auf den Boden warf. Dabei ging die Insignie teilweise zu Bruch. Brown musste 1.500 britische Pfund für die Reparatur zahlen.