Nach Eklat um Mockridge-Witze - Lachen über Menschen mit Behinderung? Experte erklärt, wann das geht - und wann nicht

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Lachen über Menschen mit Behinderung? Experte erklärt, wann das geht - und wann nicht.Lachen über Menschen mit Behinderung? Experte erklärt, wann das geht - und wann nicht.

Luke Mockridge hat Witze über Menschen mit Behinderung gemacht. Darf er das? Kommunikationsexperte Michael Ehlers erläutert, wann ein Witz angemessen ist und wann Sie sich lieber auf die Zunge beißen sollten.

Der Comedian Luke Mockridge hat für eine Reihe abwertender Witze über Sportler bei den Paralympics einen massiven Shitstorm kassiert. Auf seinem Instagram-Kanal ruderte er nun zurück und liefert eine klassische „nonpologise“, eine Entschuldigung, die eigentlich keine ist.  „Selbstverständlich war es nie meine Absicht, Menschen mit Behinderung ins Lächerliche zu ziehen – besonders während dieser großartigen Paralympischen Spiele“. Wer die Sprüche gehört hat, die Mockridge im Podcast „Die Deutschen“ losgelassen hat oder wer das dazugehörige Video gesehen hat, muss da mindestens eine Augenbraue hochziehen.

 

Darf man über Behinderte lachen? Die Antwort ist ein „klares Jein“

Die grundsätzliche Frage, die mir auch als Kommunikationsexperte immer wieder gestellt wird, lautet: „Darf man über Behinderte lachen?“ Darf man überhaupt Witze über Minderheiten machen? Meine Antwort ist ein klares „Jein“ bzw. „die einen sagen so, die anderen sagen so“. Der US-amerikanische Cartoonist Gary Larson, der Altmeister des schwarzen Humors, der wenig Grenzen kannte, hat z.B. nie Witze über Behinderte gemacht. Dann gibt es eine andere Fraktion, vertreten beispielsweise durch Ricky Gervais, die darauf besteht, dass jeder das Recht darauf hat, durch den Kakao gezogen zu werden. Grundsätzlich bin ich bei Ricky Gervais.

Aber! Ja, man darf Witze über jeden machen, aber: Abwertung ist – ebenso wie infantile Provokation und Freude an der Grenzverletzung – kein Humor. Und damit kann man schon mal ganz viele Witze über Minderheiten, ob Menschen mit Behinderung oder mit anderen gruppenbezogenen Merkmalen einfach streichen. Es sind keine Witze, sondern nur mehr oder minder gut getarnte Herabsetzungen, Verhöhnungen und Mittel zur Ausgrenzung. Darunter fallen die meisten Sprüche über Frauen (oder umgekehrt über Männer), Ausländer oder „Dicke“, die man noch aus Grundschulzeiten kennt.

 

Hören Sie auf ihren moralischen Kompass - und erzählen Sie den Witz im Zweifel lieber nicht

Auch ein reines Nachäffen ist nie witzig. Ist mir egal, was Sie darüber denken. Hier gilt – zumindest für Erwachsene – einfach: Ist so. Aus dieser Regel leitet sich ab, dass Humor genau wie Satire von unten nach oben funktioniert und nie aus der „privilegierten“ Sicht. Ich kann beispielsweise so viele Witze über deutsche Männer mittleren Alters und ihre Probleme und Verhaltensweisen machen, wie ich möchte, ich bin nämlich selbst einer. Ausländer können so viele Witze über ihre Community machen, wie sie wollen. Schwierig wird es, wenn ich Witze über Ausländer machen oder weiter erzählen will. Wenn es darum geht, ein paar harmlose Klischees aufs Korn zu nehmen, dann muss das meiner Meinung nach jeder aushalten können. Je böser und schwärzer der Humor ist, desto tiefer sollte der Erzähler in der Community verankert sein und desto mehr sollte er sich auf diese Community beschränken. Es ist also ein schmaler Grat, der viel Abwägung und Kontext benötigt. Auf einer fortgeschrittenen Hochzeitsfeier kann ein Witz schließlich durchaus derber ausfallen als auf einer Beerdigung.

Ob ein Witz angemessen ist, können Sie für sich ziemlich zuverlässig herausfinden. Denn mit Witzen ist es wie mit Komplimenten. Wenn Sie das Kompliment, das Sie einer anderen Person machen wollen, auch Ihrer Mutter, Tochter, Ihrem Sohn oder Vater machen würden, dann ist alles gut. Wenn nicht, lassen Sie es lieber. Wenn Sie also den Witz, der Ihnen gerade auf der Zunge liegt, auch gegenüber einer Person erzählen würden, die Sie für sich als moralische oder ethische Instanz ansehen oder für ihr gutes Urteilsvermögen bewundern, dann erzählen Sie ihn ruhig. Wenn Sie Zweifel haben, dann lassen Sie es.

Überhaupt: Die meisten Menschen haben einen recht guten moralischen Kompass, der Ihnen sagt, welcher Witz in welcher Situation angemessen ist (auch wenn er durch Alkohol manchmal durcheinander gerät). Verlassen Sie sich auf diesen Kompass und auf Ihr Bauchgefühl. Im Zweifel gilt immer: Lieber nicht erzählen!

 

Mockridges Witze waren definitiv unpassend und in diesem Kontext nicht witzig

Vielleicht wären auch Mockridges Witze, die er angeblich mit einem paralympischen Sportler erarbeitet hat, im Rahmen seines Programms mit einer entsprechenden Herleitung ja wirklich zum Lachen gewesen. Im Rahmen dieses Podcasts, in dem sich drei Typen (der paralympische Sportler war natürlich nicht dabei) breitbeinig und schenkelklopfend Sprüche an den Kopf warfen, waren sie definitiv unpassend und in diesem Kontext meiner Meinung nach überhaupt nicht lustig.

Wie es besser geht, lässt sich übrigens aktuell aus der französischen Komödie „Was ist schon normal“ lernen. Auch der deutsche Kinoerfolg „Die Goldfische“ spielt herrlich mit Klischees, aber nutzt sie nicht zur Herabsetzung.