Eltern sollten nicht in Förderfalle tappen - Familientherapeut nennt eine Voraussetzung, unter der Kinder am besten lernen

<span class="copyright">Getty Images</span>
Getty Images

Was brauchen Kinder, damit sie gut lernen können? Sollten Eltern sie möglichst früh fördern? Der bekannte Familientherapeut Jesper Juul hat noch zu Lebzeiten einige spannende Impulse zu der Frage gegeben und empfiehlt vor allem eins: Gelassenheit.

Frei nach dem Motto „früh übt sich“ wollen immer mehr Eltern ihren Kindern einen künftigen Vorteil verschaffen, indem sie ihnen in einem möglichst jungen Altern bereits akademische Fähigkeiten vermitteln. Fremdsprachen sind etwa beliebt, aber auch das frühe Erlernen von Buchstaben und Zahlen soll den Kindern später zugutekommen, wenn sie in die Schule kommen.

Solange die Kinder dazu nicht gedrängt werden und das Lernen ihnen Spaß macht, spricht auch nichts dagegen. Doch es gibt etwas, das aus Sicht des verstorbenen Familientherapeuten Jesper Juul für erfolgreiches Lernen noch wichtiger ist: Ein Kind sollte sich natürlich entwickeln dürfen – ohne dass Erwachsene an ihm ziehen, es also etwa durch zu viel Förderung überfordern.

Kinder sollten sich in ihrem eigenen Tempo entwickeln dürfen

In einem Video von „ Familylab “ sagte Juul: „Wenn man alle Erfahrungen und Forschungen zusammenzieht, ist die Botschaft ganz deutlich: Man muss als Eltern, aber auch als Erzieher, ein gewisses Gleichgewicht finden. Das heißt, es muss einem Kind erlaubt sein, sich harmonisch zu entwickeln, in seinem eigenen Tempo. Nur dann kann es auch kognitiv lernen.“

Es gilt also, auf die Signale des Kindes zu achten. Interessiert sich das Kind für Buchstaben und möchte wissen, wie sie sich zusammenfügen lassen? Dann können wir dieses Interesse fördern. Möchte das Kind aber lieber spielen? Dann sollte auch das ihm ermöglicht werden. Juul ist überzeugt, dass auch das Interesse etwa an Buchstaben irgendwann auf natürliche Weise entsteht:

„Wenn der Fünfeinhalbjährige jetzt vielleicht viel lieber mit seinen Autos spielt als sich für Buchstaben interessiert – und das dauert vielleicht noch ein halbes Jahr, ein Jahr oder sogar zwei Jahre – wird die Welt danach immer noch stehen. Das ist kein Problem. Wenn man es problematisiert und therapeutisiert – dann geht es schlechter.“

 

„Spielen ist Forschung für Kinder“

Überhaupt sei Spielen etwas sehr Wichtiges und nicht etwa ein Gegensatz zum Lernen: „Wir haben diesen uralten Gegensatz zwischen Spielen und Lernen (verinnerlicht). Und das ist Wahnsinn! Das sind keine Gegensätze. Spielen ist Forschung für Kinder. Es ist Lernen. Es ist kein Zeitverlust“, meint der Therapeut und spricht damit aus, was auch wissenschaftlicher Konsens ist.

Im Spiel experimentieren Kinder, sowohl mit Gegenständen als auch mit Emotionen. Im Rollenspiel versetzen sie sich in andere Perspektiven und entwickeln so einen Zugang zu den unterschiedlichen Emotionen und Standpunkten, was die Empathie fördert. Im Spiel lernen Kinder durch Nachahmung und können sich ausprobieren. Zudem hilft es ihnen, Erlebtes zu verarbeiten und senkt ihren Stresspegel. All das fördert eine gesunde Entwicklung.

Juul betont: „Die psychosoziale und mentale Gesundheit sollte das absolut Wichtigste sein. Denn Menschen, die diese Gesundheit haben, lernen viel besser und viel mehr.“

 

„Bleiben Sie gelassen!“

Kinder entwickeln sich nicht schneller, wenn man an ihnen zieht. Andersherum kann aber ein zu starkes Ziehen im Sinne einer Überforderung durch zu viel Förderung negative Auswirkungen haben.

Auch wenn es schwierig sein kann, ist es manchmal am besten, nicht zu viele Gedanken an die Zukunft und mögliche Probleme zu verschwenden, sondern das Hier und Jetzt zu sehen und bewusst wahrzunehmen. Gelassenheit ist das Zauberwort. Und so lautet eins von Juuls bekanntesten Zitaten:

„Bleiben Sie gelassen! Genießen Sie einander und die Kinder. Eine bessere Erziehung gibt es nicht.“