EM-Kolumne von Pit Gottschalk - Inzwischen vermute ich bei Skandal-Schiri Taylor eine ganz andere Wahrheit

Musiala schießt, Cucurella blockt mit dem Arm, Taylor schaut zu<span class="copyright">Imago</span>
Musiala schießt, Cucurella blockt mit dem Arm, Taylor schaut zuImago

Deutschland hätte das EM-Viertelfinale gegen Spanien vermutlich gewonnen, wenn das Handspiel bei Jamal Musialas Torschuss mit Elfmeter bestraft worden wäre. Aber die Handspielregel versteht eh niemand mehr. Unserem EM-Kolumnist nerven die Ausreden ums Regelwerk.

Mir ist völlig gleichgültig, ob ausgerechnet das Regelwerk den Strafstoßpfiff bei Marc Cucurellas Handspiel gegen Deutschland verhindert und Schiedsrichter Anthony Taylor deshalb seinen Menschenverstand ausschaltet. Jamal Musialas Schuss geht aufs Tor, kommt da aber nicht an, weil die Hand des Spaniers die Flugbahn kreuzt. Das war Hand, basta!

Cucurella hat die Hand weggezogen? Auch egal. Wenn ich auf der Straße einen anderen Autofahrer mit meinem Wagen schneide, nutzt mir die Korrektur meines Fahrfehlers auch nichts: Sobald die Autos kollidieren, bin ich schuld.

Kürzlich hat mir das ein Polizist an der Sechslingspforte in Hamburg unmissverständlich klargemacht. Fehler ist Fehler.

Videobeweis eine Majestätsbeleidigung?

Ich habe darum auch kein Verständnis, wenn Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich, privat Polizeibeamter, Entlastendes für die Dummheit seines Kollegen sucht. Ich vermute bei Taylor eine ganz andere Wahrheit.

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Mir ist bei Premier-League-Spielen auf Sky aufgefallen, dass englische Schiedsrichter wie er den Videobeweis als Majestätsbeleidigung empfinden.

Nur ganz selten lassen sie zu, dass der Video-Assistent ihre Entscheidungen auf dem Rasen korrigiert. Anders als bei Schiris in der Bundesliga.

Mein Verdacht: Taylor wollte sich im EM-Viertelfinale nicht vor den Augen der Welt umstimmen lassen. Er hat die Szene beim Musiala-Schuss gesehen, den Strafstoß verweigert und zieht sich auf die Ausrede zurück, dass es „keine klare Fehlentscheidung“ war.

Selten so gelacht. Mag ja sein, dass irgendein Paragraf in der Handspielregel solche Dinge wie Einfallswinkel, Torschusspanik und Erdrotation definiert und damit die Pfeifreaktion eines Schiedsrichters relativiert. Aber wenn im Dänemark-Spiel ein Flatterball, der einen Fingernagel im Nirgendwo berührt, ein Elfmeter sein soll, kann doch die Verhinderung eines Torschusses mit dem Unterarm keiner sein!

Wollen Schiris den Sport ad absurdum führen oder Gerechtigkeit?

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat schon recht: Es ist ein Unterschied, ob der Arm des Verteidigers einen Ball Richtung Altstadt blockt oder einen Schuss aufs Tor. Das erste ist eine Petitesse, das andere spielentscheidend. Ich höre schon, wie die Schiedsrichter rufen: „Regel ist Regel!“ Na und? Wollt Ihr den Sport ad absurdum führen oder Gerechtigkeit?

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Und wenn die Regel etwas Anderes verlangt, dann, liebes Schiedsrichterwesen, dann ist die Regel einfach Mist. Die könnt Ihr vielleicht nicht ändern. Aber in eurem Ermessensspielraum könnt Ihr den Menschenverstand einbringen und nicht Ausflüchte zusammenspinnen. Die Handspielregel ist seit Jahren ein Ärgernis. Und Taylor übrigens auch. Beides zusammen ist nicht auszuhalten.