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EU-Staaten finden keine Lösung bei der Seenotrettung

Das Rettungsschiff «Ocean Viking» liegt im Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien vor Anker. Das Rettungsschiff der humanitären Gruppe SOS Mediterranee mit 180 Migranten, die tagelang an Bord gestrandet waren, hat endlich einen italienischen Hafen erreicht.
Das Rettungsschiff «Ocean Viking» liegt im Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien vor Anker. Das Rettungsschiff der humanitären Gruppe SOS Mediterranee mit 180 Migranten, die tagelang an Bord gestrandet waren, hat endlich einen italienischen Hafen erreicht.

Bei ihm sei jetzt «ein richtiges Feuer» entbrannt, sagt Seehofer. Er wolle richtig Gas geben, um unter deutschem EU-Ratsvorsitz einen großen Fortschritt bei der EU-Asylreform zu erreichen. Doch schon im Kleinen, bei der Seenotrettung, geht es wenig vorwärts.

Berlin/Brüssel (dpa) - Auf der Suche nach einer Lösung für die Seenotrettung kommen die EU-Staaten nicht voran.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte zwar nach Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen, alle 27 Länder seien an einer nachhaltigen Regelung interessiert.

Bei der Videokonferenz wurde aber auch klar, dass es eine dauerhafte Lösung für den Umgang mit den Bootsmigranten erst dann geben wird, wenn eine Einigung über die geplante gemeinsame Asylreform erzielt wird. Bei diesem Vorhaben kommt die Staatengemeinschaft allerdings seit Jahren kaum voran. Im September will die EU-Kommission neue Vorschläge vorlegen.

Bis zu einem Abschluss der Reform - frühestens im nächsten Jahr - ist in Sachen Seenotrettung also weiterhin Krisendiplomatie gefragt. Seehofer sagte zu, dass Deutschland sich bei übermäßiger Belastung Italiens und Maltas weiter an der Aufnahme von Bootsmigranten beteiligen werde. Zugleich gab er sich mit Blick auf die Asylreform optimistisch. Er sei zuversichtlich, dass unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft einiges erreicht werde könne.

Noch bis Ende des Jahres leitet Seehofer die Treffen mit seinen Amtskollegen und will alles daran setzen, die Reform voranzubringen. Seine Staatssekretäre sollten das Alltagsgeschäft verstärkt selbst in die Hand nehmen, damit er sich diesem Thema voll zuwenden könne. «Bei mir ist nochmal ein richtiges Feuer heute entzündet worden.»

Mit Blick auf die Seenotrettung sagte Seehofer grundsätzlich: «Fast alle Mitgliedstaaten, in unterschiedlicher Form, sind da zur Solidarität bereit.» Einige Minister hätten erklärt, ihr Land könne Kontrollschiffe, Personal oder Geld zur Verfügung stellen. Die Bereitschaft mitzumachen sei auch von Staaten gekommen, «von denen man das bisher nicht gehört hat», sagte Seehofer. «Es ist ein sehr, sehr dickes Brett, das wir hier zu bohren haben.»

Bis es eine Dauerlösung gebe, seien zwölf Länder «prinzipiell» bereit, unverhältnismäßig belasteten Ländern zu helfen - «wenn klar ist, es gibt eine Dauerlösung».

Noch im September hatte Seehofer sich mit seinen Kollegen aus Malta, Italien und Frankreich auf eine Übergangsregelung für die Seenotrettung geeinigt - darauf wollte er bei der Videokonferenz am Dienstag eigentlich aufbauen. Auf 12 bis 14 EU-Staaten, die sich beteiligen, hoffte Seehofer damals. Sein maltesischer Kollege Michael Farrugia sagte gar: «Wir haben begonnen, Geschichte zu schreiben.»

Tatsächlich wurde diese Geschichte seitdem allerdings kaum fortgeschrieben. Denn neben Deutschland und Frankreich beteiligen sich meist nur wenige Länder wie Luxemburg und Irland an der Aufnahme von Bootsmigranten. Zwar gab es zunächst eine deutliche Verbesserung - die Migranten saßen nicht mehr wochenlang im Mittelmeer auf Rettungsschiffen fest, weil Italien und Malta den Schiffen die Einfahrt in die Häfen verwehrten. Dann aber kam die Corona-Krise; das von der Pandemie besonders betroffene Italien und Malta erklärten, den Schiffen keine sicheren Häfen mehr bieten zu können. Im März lief die Malta-Einigung ohnehin aus.

Die Situation für die Migranten ist heute wieder wie vor der Malta-Einigung. Immer wieder entstehen humanitäre Notlagen auf den Schiffen. Von Hungerstreik und Suizidversuchen berichtete der Betreiber der «Ocean Viking», die 180 Menschen im Mittelmeer gerettet hatte, zuletzt. Auf einem anderen Schiff müssen Medienberichten zufolge mehr als 50 Gerettete seit dem Wochenende in dreckigen Tierställen schlafen. Bei jedem dieser Fälle muss kurzfristig geklärt werden, ob EU-Länder zur Aufnahme der Menschen bereit sind.

Seehofer forderte am Dienstag nun mehr Solidarität der anderen Länder. Zugleich betonte er, alle EU-Staaten befürworteten eine bessere Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Mittelmeerländern Libyen, Tunesien und Algerien, in denen die Migranten meist abfahren. So sollen weniger Migranten in Europa ankommen.

Bei jenen, die es doch schaffen, handelt es sich eigentlich nur um einen Bruchteil der Asylbewerber, die jedes Jahr nach Europa kommen. Dennoch ist die Frage der Seenotrettung aus deutscher Sicht wichtig. Seehofers Idee: Wenn eine Lösung für diese kleine Gruppe gelingen würde, könnte das ein Vorbild für eine Reform des gesamten Asylsystems werden, die schon seit Jahren nicht vorankommt.

Seit 2018 hat die Bundesregierung die Aufnahme von 1206 aus Seenot geretteten Bootsmigranten zugesagt. In Deutschland angekommen sind davon allerdings nach Auskunft des Innenministeriums bislang nur 502 Menschen. Zum Vergleich: Allein 2019 wurden in Deutschland mehr als 165 000 Anträge auf internationalen Schutz gestellt.