Endlich ist die AfD mal freundlich: in Syrien...

Der AfD-Abgeordnete Christian Blex schüttelt mit Großmufti Badr al-Din Hassoun die Hände. (Bild: Twitter/ChristianBlex)
Der AfD-Abgeordnete Christian Blex schüttelt mit Großmufti Badr al-Din Hassoun die Hände. (Bild: Twitter/ChristianBlex)

Eine Reise von AfD-Politikern geht nach Syrien. Aus erster Hand wollen sie erfahren, ja was denn? Hier ein Auszug ihrer prickelnden Erkenntnisse.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wir machen uns ein eigenes Bild von der Lage in Syrien! Bei all den Fake News aus den Mainstreammedien weiß ja keiner, was man glauben kann. Zum Beispiel der Nahe Osten: Ganz Syrien ist medial besetzt. Ganz Syrien? Nein! Eine Gruppe unbeugsamer Deutscher hat sich aufgemacht, um den Tugendterror der Gutmenschnews zu durchbrechen. Was die “private” Reisegruppe aus AfD-Politikern in Erfahrung bringt, lässt einen schon durchblicken. Alles eine Frage des Willens.

Ein weiteres Motiv der Polittouristen wird die Frage sein, ob es tatsächlich sein muss mit den vielen geflüchteten Syrern in Deutschland. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm in Syrien, Stichwort “Lügenpresse”…

Also, zum Glück berichtet die Gruppe über die Sozialen Medien wie echte Reporter von ihrem Trip. Das ist jetzt ernst gemeint. Solche Reisen sind tatsächlich eine Chance, es ist ja nicht so, dass man nichts auf diesen lernen könnte. Auch Journalisten unternehmen solche Reisen, bei denen man vorab entscheiden muss: Reise ich in Rebellengebiete oder Regierungsgebiete? Zwischen denen herrscht halt Krieg, da sind Frontenwechsel schwierig. Die AfD-Politiker entschieden sich für eine Inspektion der Gegenden, die vom Regime gehalten werden. Und landen in der Hauptstadt.

Alltagsskizzen

“Endlich in Damaskus”, twittert Christian Blex. “Auffällig: Kaum Militär an der Grenze zum Libanon.” Also, doch kein Krieg oder was? Oder liegt es daran, dass die Gruppe die Hauptroute genommen hat, während im Norden und im Süden schon mal ordentlich geballert wird?

Sei’s drum. Blex checkt in Damaskus erstmal die Frauen. “Blue Jeans statt Schleier! Frauen sitzen in Bars. In Mekka kaum vorstellbar – in Berlin-Neuköllm leider auch nicht. Und die Regierung unterstützt ‘Rebellen’, die solche Frauen unter die Burka pressen wollen.” Das sind echte Neuigkeiten – für Neukölln. Bin da letztens durchgefahren. Tatsächlich saßen ein paar Frauen in Bars. Sie trugen Blue Jeans, Baggy-Jeans oder Joggjeans, manche dazu gar einen Schleier. Keine Ahnung, was der Westfale Blex damit meint. Auch dass die Bundesregierung burkaliebende Rebellen unterstützt, ist neu; schließlich beteiligt sich doch die Bundeswehr an den Einsätzen gegen die Terrorgruppe “Islamischer Staat” (IS), aber vielleicht verfügt Mathe- und Physiklehrer Blex über andere, intime Quellen.

Flugs darauf geht es zum Großmufti der Sunniten in Syrien, das ist ein illustrer Herr namens Badr al-Din Hassoun. manche nennen ihn auch Regimepope. “Betont, wie wichtig Trennung von Religion und Kirche ist!” Nun, hat die AfD mit ihm darüber diskutiert, dass sie im Islam gar keine Religion sieht und es nach ihrer Lesart nichts zu trennen gäbe? Jedenfalls verstand man sich offensichtlich gut. Denn das Oberhaupt, welches seit Jahren nicht als theologische Autorität aufgetreten ist, “ruft Syrer in Deutschland zur Rückkehr auf”. Das gefällt Blex womöglich, da können die Syrer ja rasch ihre Koffer packen.

Auch das ist Syrien: Christian Blex und seine Reisegruppe werden vom Elend in Ghuta nichts zu sehen bekommen (wollen). (Bild: Uncredited/Syrian Civil Defense White Helmets/AP/dpa)
Auch das ist Syrien: Christian Blex und seine Reisegruppe werden vom Elend in Ghuta nichts zu sehen bekommen (wollen). (Bild: Uncredited/Syrian Civil Defense White Helmets/AP/dpa)

Der Versuch von Normalität

Damaskus selbst: “Wunderbarer Spaziergang über den Basar Suq al-Hamidiya…Überall viele offene und freundliche Menschen getroffen, die sich über unseren Besuch sehr freuen. Alles total entspannt hier…”

Ob Blex die nach Deutschland geflüchteten Syrer auch als offen und freundlich empfindet? Oder kamen nur die Blöden und Bösen zu uns? Der Basar ist natürlich wunderhübsch, und so ruhig eben, wie ein Viertel sein kann, das keinen Krieg kennt; auch wenn er nur wenige Kilometer entfernt ist. Blex indes hat einen bestimmten Durchblick: “Kaum zu glauben, dass jetzt zigtausend syrische Männer in Deutschland sind und auch noch ihre Familien nachholen sollen…”

Kaum zu glauben, welcher Schizophrenie man zum Opfer fallen kann. Blex sieht in Berlin-Neukölln, was nicht ist. Und dann denkt er, in ganz Syrien sähe es so aus wie auf dem Hamidiya-Basar. Aber wo ein Wille, da ein Weg.

Weiter in der Blexschen Reisebroschüre heißt es: “Damaskus ist eine Reise wert, kann ich nur sagen. Die Leute sind höflich und das Essen schmeckt ausgezeichnet.” Kann ich gut verstehen. Die deutschen Touristen, die ich als Reiseleiter in den Neunzigern durch Damaskus führte, waren ähnlich begeistert. Und das Bemühen der Damaszener, den Krieg möglichst weit weg zu halten und das Leben würdig zu führen, wird hoch sein. Es ist eben eine Seite einer Medaille.

Dieses Gerede erinnert mich an die “offiziellen” Termine, die ein jeder von uns Syrienreisenden stets mal hatte – lange vor dem Krieg. Sprach man über Politik, war von Regimeseite auch alles entspannt, da galt Syrien als friedlicher Hort. Man lebte ja auch friedlich, wenn man nicht gegen das System aufmuckte, kein kritisches Wort verlor und keine Peanuts wie Freiheiten forderte oder sich über ungerechte Behandlung im Korruptionsapparat der Militärclique um die Machthaber beschwerte – tat man das nicht, war zwar nicht alles easy, aber zumindest gefoltert wurde man nicht. Leider konnte selbst jeder unpolitische Syrienreisende aus dem Westen nicht über diese Unterdrückung hinwegsehen. Mal waren es politisch Verfolgte, die einen im Museum ansprechen, in der Hoffnung, man könne ihnen helfen. Mal erstaunte das häufige Verstummen von Gesprächspartnern, wenn es um Themen wie Grundwerte ging.

Die Gesprächspartner der AfD-Politiker indes sprudeln vor Redseligkeit. Da ist der “Minister für nationale Versöhnung”, der von friedlicher Reintegration spricht. Ob der wohl auch mit der Opposition spricht, wenigstens mit den gewaltlosen Vertretern der Zivilgesellschaft im Exil? Der Minister sucht sich anscheinend seine Gesprächspartner derart raffiniert aus wie die Reisekader der AfD. Und so kritisiert der Minister die “Anwesenheit ausländischer Kämpfer, unterstützt von Saudi-Arabien, Qatar u.d. Türkei”. Zurecht. Aber fragte den Minister auch nach den ausländischen Kämpfern der Hizbullah und den Unterstützern in Russland und im Iran? Wenn schon Reporter, dann gern auch mal eine kritische Frage, bittschön. Sonst ist man schnell Lügenpresse.

Fahren die Leute von der AfD auch nach Aleppo oder nach Homs? Schauen sie auf dem Rückweg, wenn es zum Flughafen von Beirut geht, bei einem der Flüchtlingslager im Libanon vorbei? Fragen sie dort Syrer, warum sie nicht zurückkehren? Oder geht es nur um die Zementierung des Mythos “Flüchtlingslüge”, wonach Syrien kein Land mehr sei, aus dem man fliehen müsse? Diese Reisegruppe hat Scheuklappen auf. Was sie schreibt, lässt zwei Schlüsse zu: Entweder berichtet sie wider besseres Wissen oder ist tatsächlich minderbemittelt in Sachen Auffassungsgabe.

Morgen ist übrigens nicht nur der Frauentag, sondern auch der Jahrestag des Militärputsch der syrischen Baath-Partei im Jahr 1963. Das wird sicher eine tolle Sause geben, liebe AfDler.