Entscheidenden Test beeinflusst? - „Studie dient politischen Zwecken“: Brisante Mail belastet Habeck in AKW-Affäre

Im Untersuchungsausschuss zum endgültigen Atomausstieg geht es auch um die Rolle von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Im Untersuchungsausschuss zum endgültigen Atomausstieg geht es auch um die Rolle von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).Kay Nietfeld/dpa

Im Untersuchungsausschuss zum endgültigen Atomausstieg steht Wirtschaftsminister Habeck unter Druck. Eine Mail zeigt, wie er offenbar das Ergebnis einer entscheidenden Überprüfung beeinflussen wollte. Doch den Abgeordneten rennt die Zeit davon, um die Ermittlungen abzuschließen.

Als die AKW-Akten im Frühjahr öffentlich wurden, hagelten von CDU und CSU Rücktrittsforderungen in Richtung Robert Habeck . Der Vorwurf: Der Wirtschaftsminister soll nicht ergebnisoffen geprüft haben, ob wegen der Energiekrise ein Weiterbetrieb der drei damals noch laufenden Atomkraftwerke möglich gewesen wäre. Weil Habeck und die Grünen das vehement bestritten, setzte die Union kurzerhand einen Untersuchungsausschuss ein.

Seit Juli befragen die Mitglieder Zeugen und sichten Akten. Die Unterlagen, die Ministerien und Behörden bei einem Untersuchungsausschuss herausgeben müssen, bringen nun immer mehr brisante Details ans Licht. Wie „Cicero“ berichtet , soll eine Mail belegen, wie Habeck sich in eine wichtige Überprüfung einmischte.

Vorgaben von Habeck: „Die Studie dient politischen Zwecken“

Die Nachricht wurde im Juli 2022 geschrieben und stammt von Achim Zerres. Er ist im Wirtschaftsministerium Leiter der Netzagentur-Abteilung 6. Damit ist er direkt Klaus Müller, dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, unterstellt. Die Behörde soll eigentlich unabhängig und neutral sein – ob sie das tatsächlich ist, wird schon länger diskutiert. Neben juristischen Aspekten wird vor allem kritisiert, dass Habeck mit Müller einen ehemaligen grünen Landesminister an die Behördenspitze setzte.

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In der Mail von Abteilungsleiter Zerres an eine Kollegin geht es um einen „Stresstest“ für das Stromnetz, also darum, ob im Winter 2022/23 die Kapazitäten ausreichen würden. Ganz ohne Einmischung fand diese Überprüfung aber nicht statt: „Bitte nicht an den Vorgaben von Habeck versuchen etwas zu ändern. Die Studie dient politischen Zwecken, die Vorgaben spiegeln das wider“, heißt es in der Mail, die „Cicero“ komplett veröffentlicht hat.

Schmaler Grat zwischen zulässiger Führung und unzulässiger Beeinflussung

Konkret sollten „nutzbare Eingangsparameter“ gefunden werden. Übersetzt bedeutet das: Wer festlegt, was genau geprüft werden soll, beeinflusst, welches Ergebnis am Ende stehen wird. Das Ziel formuliert Zerres – womöglich im Auftrag von Habeck – gleich mit: „Als Ergebnis wäre allenfalls ein Streckbetrieb für Isar akzeptabel.“ Gemeint ist das Atomkraftwerk Isar 2 in Niederbayern, das von der Eon-Tochter Preussenelektra betrieben wurde.

Dass Ministerien Studien oder Prüfungen mit klaren Zielvorstellungen beauftragen, kommt immer wieder vor. Wie so oft im AKW-Untersuchungsausschuss ist es ein schmaler Grat zwischen zulässiger politischer Führung durch Habeck und unzulässige Beeinflussung einer für Deutschland womöglich existenziellen Entscheidung sehr dünn.

Zumindest ließen sich die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) von den Vorgaben aus dem Wirtschaftsministerium nicht unter Druck setzen – obwohl Zerres in der Mail schreibt, man solle in Habecks Haus eingreifen, „falls die ÜNB meckern sollten“. Der Chef des Netzbetreibers Tennet, Tim Meyerjürgens, sagte im Untersuchungsausschuss, dass man sich trotz intensiver Diskussionen mit Habecks Staatssekretär Patrick Graichen schließlich auf gemeinsame Grundannahmen für den „Stresstest“ geeinigt habe. Schließlich sprachen sich alle vier ÜNB für einen Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke im Winter aus.

AKW-Betreiber belastet Habeck – macht aber widersprüchliche Aussage

Einer der Kraftwerksbetreiber hat Habeck im Untersuchungsausschuss ebenfalls belastet. Guido Knott, Chef von Preussenelektra und zuständig für das AKW Isar 2, erzählte den Abgeordneten: „Die Abwägungsentscheidung ist aus meiner Sicht politisch motiviert und sie war erwartbar.“ Ein Weiterbetrieb sei nie am Unwillen der Kraftwerksbetreiber gescheitert.

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Knott behauptet, direkt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und dem damit verbundenen Beginn der Energiekrise eine Laufzeitverlängerung angeboten zu haben. Allerdings habe im Wirtschaftsministerium niemand darauf reagiert. Einige Abgeordneten im Untersuchungsausschuss hat das überrascht. Aber nicht, weil Knott damit eine zentrale Aussage von Habeck widerlegt – sondern weil Knott sich damit scheinbar in einen Widerspruch verwickelt.

Denn mit Leonhard Birnbaum, Chef von Eon und damit des Mutterkonzerns von Preussenelektra, gab es durchaus Gespräche. Auch RWE-Chef Markus Krebber berichtete im Ausschuss Gegenteiliges. Er sagt, neue Brennelemente zu beschaffen, hätte damals mindestens eineinhalb Jahre gedauert. Eine Verlängerung wäre also technisch machbar, aber unpraktikabel gewesen.

Dem AKW-Untersuchungsausschuss rennt die Zeit davon

Insgesamt gibt es starke Indizien dafür, dass Habeck kein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wollte. Ein handfester Beweis, dass die Überprüfung dazu ins Gegenteil verkehrt wurde, gibt es aber – bislang – nicht. Angesichts des Zeitplans des Untersuchungsausschusses ist auch fragwürdig, ob es dazu noch kommen wird.

Denn das Vorhaben war von Anfang an schwierig. Untersuchungsausschüsse enden nämlich mit dem Ablauf der Legislaturperiode. Schon regulär hätte man also nur ein Jahr Zeit für die parlamentarischen Ermittlungen gehabt. Durch die vorgezogene Bundestagswahl hat sich die Zeit fast halbiert, den Abgeordneten rennt die Zeit davon.

„Grüne setzen ihre Politik durch, komme was wolle“

Von Anfang an haben die Grünen den Untersuchungsausschuss deshalb als Wahlkampfmanöver der Union bezeichnet. Es sei schließlich keine Überraschung, dass die Grünen immer für den Atomausstieg gewesen seien und versucht hätten, das politisch umzusetzen. Ernst nimmt die Partei die Angelegenheit dennoch: Konstantin von Notz, der Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen hat, haben die Grünen als Obmann in das Gremium geschickt, um Angriffe auf Habeck abzuwehren.

In der Union gesteht man zwar ein, dass Untersuchungsausschüsse immer auch politische Instrumente seien. Man hätte aber auch ohne nahenden Wahlkampf so entschieden, heißt es. Man ärgert sich nämlich zum einen über die Intransparenz von Habeck, die Politik unglaubwürdig machen würde. Zum anderen kritisiert man den Starrsinn der Grünen, wie ein Abgeordneter im Gespräch mit FOCUS online erklärt: „Sie setzen ihre Politik durch, komme was wolle – zum Beispiel eine bedrohliche Energiekrise.“