Neue antisemitische Vorfälle - Pro-Palästina-Demos
Berlin (dpa) - Politiker haben mit Entsetzen auf neuerliche antisemitische Vorkommnisse in Deutschland reagiert. So wurden vor der Neuen Synagoge in Erfurt ausgelegte Papiere angezündet. In Frankfurt am Main wurden drei Männer wegen antisemitischer Beleidigungen festgenommen. In verschiedenen Städten Deutschlands gingen am Wochenende mehr als Zehntausend Menschen bei propalästinensischen Demonstrationen auf die Straße.
Brennende Zettel vor Synagoge
In Erfurt wurden in der Nacht zum Sonntag vor der Neuen Synagoge Zettel angezündet. Nach Angaben von Thüringens Staatskanzlei hatten Menschen auf den Schreiben ihre Solidarität mit Israel bekundet. Die Polizei nahm demnach zwei betrunkene Männer aus Libyen vorübergehend fest, sie kamen aber wieder frei. Laut Polizei waren sie 22 und 25 Jahre alt. Es sei niemand verletzt worden, an den Treppenstufen der Synagoge seien leichte Verrußungen entstanden, hieß es.
Nach Angaben von Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) handelt es sich um Asylbewerber aus Libyen. «Man muss davon ausgehen, dass die Synagoge gezielt angesteuert wurde.» Sollte sich der Verdacht bestätigen, sprach sich Maier für eine Ausweisung aus.
Antisemitische Beleidigungen
In Frankfurt löste die Beleidigung von zwei Juden Empörung aus. Laut Polizei waren der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und das Mitglied der Jüdischen Gemeinde Dortmund zur Ratsversammlung des Zentralrats der Juden gekommen und hielten sich am Samstagabend vor einem Hotel auf, einer mit Kippa, als die drei Tatverdächtigen sie wegen ihrer Religion beleidigten. Die Polizei nahm die teils stark alkoholisierten Tatverdächtigen fest. Bei ihnen handele es sich um American-Football-Fans aus Baden-Württemberg. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt teilte mit, es sei Strafanzeige gestellt worden.
Attacke gegen Israeli
In Berlin wurde ein 37 Jahre alter Israeli, der Davidstern-Sticker verteilte, am Samstag vor einem Restaurant angegriffen und bedroht. Das Auslegen der Aufkleber in dem Lokal missfiel laut Polizei jedoch dem Besitzer. Er rief laut einer Polizeisprecherin «Hier nicht!». Vor dem Geschäft habe sich ein Streit entwickelt. Der Mann sei auf den filmenden Israeli losgegangen. Er soll auf die Kamera geschlagen und laut der Sprecherin gerufen haben: «Ich schneide dich auf!»
Politiker zeigen sich entsetzt
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sagte der «Bild am Sonntag»: «Wir als Gesellschaft haben den Antisemitismus nicht gesehen oder wollten ihn nicht sehen - ob in der Kulturszene, im Internet oder im Alltag.» Jetzt breche er sich hemmungslos Bahn. Es brauche einen Schulterschluss aller gesellschaftlichen Gruppen dagegen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich vor dem Hintergrund antisemitischer Vorfälle bei propalästinensischen Demonstrationen grundsätzlich offen für eine Änderung des Strafrechts. Schnelle Strafen und tatsächliche Verurteilungen seien wichtig, sagte sie in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Wenn man dafür das Strafrecht ändern muss, dann bin ich dafür, aber ich wäre jetzt erst einmal dafür, dass das geltende Strafrecht auch wirklich angewendet wird.»
Mehrere Pro-Palästina-Demos
In München nahmen an einer propalästinensischen Demonstration unter dem Motto «Stoppt den Krieg - Freiheit für Palästina» am späten Samstagnachmittag bis zu 5500 Menschen teil. Die Zahl wurde erst im Verlauf des Zuges erreicht, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Die Demonstration verlief demnach weitgehend friedlich. Allerdings kam es zu drei Anzeigen wegen des Verwendens verbotener Kennzeichen beziehungsweise der Verherrlichung von Straftaten auf Plakaten.
In Berlin gingen am Samstag nach Polizeiangaben mehr als 6000 Menschen auf die Straße und forderten unter anderem Freiheit für Palästina. Sie sprachen demnach mit Blick auf das Vorgehen Israels im Gazastreifen von Genozid.
In Wuppertal in Nordrhein-Westfalen kamen ebenfalls Samstag nach Polizeiangaben etwa 2000 Menschen zu einer ähnlichen Demonstration zusammen. Zu einer zeitgleichen proisraelischen Kundgebung in der Innenstadt hätten sich etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammengefunden, sagte ein Polizeisprecher. Einem dpa-Reporter zufolge blieb es friedlich, die Stimmung sei aber emotional gewesen.
In Frankfurt beteiligten sich am Sonntag laut Polizei rund 750 Menschen an einer Kundgebung «Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten».