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"Es scheint eine Armee aus dem Irrenhaus ausgebrochen zu sein"

In der Alterskomödie "Der Liebhaber meiner Frau" droht Christian Kohlund seine vernachlässigte Frau Suzanne von Borsordy an Nebenbuhler Walter Sittler zu verlieren. Ein guter Anlass, um über Liebe im Alter und die Herausforderungen jener Lebensphase zu refektieren.

Christian Kohlund, in einer jüngeren Version Arzt der Schwarzwaldklinik sowie von 2004 bis 2014 "Gastgeber" der ARD-Reihe "Das Traumhotel", ist neuerdings wieder im substanzhaltigeren Rollen unterwegs. Sie tun dem Schweizer Vollblutschauspieler sichtlich gut, was man an seinem kraft- und lustvollen Spiel ablesen kann. Bevor der 69-Jährige am Donnerstag, 16. Januar, mit einem neuen Fall des "Zürich-Krimis" aufwartet, ist er in der Alterskomödie "Der Liebhaber meiner Frau" (Montag, 6. Januar, 20.15 Uhr, ARD) zu sehen. Darin droht er seine Frau (Suzanne von Borsordy) nach jahrzehntelanger Ehe an einen Nebenbuhler (Walter Sittler) zu verlieren. Im Interview reflektiert Christian Kohlund über das Geheimnis langer, erfolgreicher Liebesbeziehungen sowie die Aufgaben, die das Leben im Alter bereithält.

teleschau: Ändert sich das Gefühl des Verliebtseins oder auch der Enttäuschung, wenn man nicht mehr 20 oder 30, sondern deutlich älter ist?

Christian Kohlund: Es verändert sich auf jeden Fall - und andererseits auch gar nicht. Das ist wie mit dem Alter an sich. Ich werde im nächsten Sommer 70 Jahre alt, wundere mich aber extrem darüber. Klar, hier und da zwickt es im Körper. Man ist ganz klar kein junger Mann mehr. Andererseits fühle ich mich im Kopf total jung und neugierig auf ganz viele Dinge, die da kommen mögen. Genauso ist es mit der Liebe. Einerseits ist man erfahren, vielleicht sogar ein bisschen abgeklärt. Andererseits fühle ich mich im Kopf wie 30 und dazu offen, sensibel, verletzlich. Alles kann passieren ...

teleschau: Muss eine Liebes-Dreiecksgeschichte mit zwei reifen Männern und einer ebensolchen Frau trotzdem anders erzählt werden?

Kohlund: Ja, ein bisschen anders ist es schon. Es liegt eine Lebensmelancholie über diesem Drehbuch und dem Film, bei allen komödiantischen Momenten. Jeder, der die 60 überschritten hat, blickt auf eine ganze Menge Leben zurück. Folglich hat man viel mitgemacht. Sicher war nicht alles gut, und das bleibt nicht in den Kleidern hängen. All diese Dinge gilt es mitzuspielen, wenn es authentisch werden soll. Andererseits ist es auch nicht so schwer. Dem älteren Schauspieler geht es ja wie der Figur: Man hat schon eine ganze Ecke Leben mitgemacht.

"Meine Frau weiß, wann ich leide"

teleschau: Kann man sich mit 70 noch so richtig heftig verlieben?

Kohlund: Ich glaube schon, dass es möglich ist. Ich kenne Kollegen und Freunde, die sich im fortgeschrittenen Lebensalter in einer solchen Weise verliebt haben. Mittelfristig man hat man jedoch andere Themen, es geht perspektivisch um andere Dinge. Deshalb ist es problematisch, wenn es einen großen Altersunterschied zwischen den Liebenden gibt. Ich kenne einen Mann, der hat sich gleich zweimal in eine deutlich jüngere Frau verliebt. Beide Beziehungen sind schiefgegangen - und der Kerl ist am Boden zerstört. Ich dagegen bin schon 37 Jahre mit meiner Frau zusammen - und ziemlich froh, dass dieses Thema nicht meines ist.

teleschau: Was kann man tun, damit eine Langzeit-Beziehung glücklich bleibt?

Kohlund: Das ist eine der großen Fragen der Menschheit. Ich kann sie nur für mich beantworten: Wir sind glücklich geblieben, weil wir immer viel gemeinsam unternommen haben und miteinander redeten. Außerdem bringen wir beide viel Humor mit, eine ganz wichtige Sache. Meine Frau kennt mich auch sehr gut. Das ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Wir haben die letzten 15, 20 Jahre vieles gemeinsam gemacht. Zum Beispiel viele Reisen zusammen unternommen, als ich noch beim "Traumhotel" war. Es scheinen simple Dinge zu sein. Aber sie machen den Unterschied aus.

teleschau: Wie viel Nähe und wie viel Distanz gehört zu einer erfolgreichen Beziehung?

Kohlund: Über die Nähe habe ich gerade gesprochen. Man muss immer irgendwie in Kontakt bleiben. Andererseits ist es wichtig, dass man den anderen so lassen kann, wie er oder sie ist. Manchmal entwickle ich mich sich selbst irgendwo anders hin. Dann wieder beobachte ich, dass sich meine Frau gerade verändert. Man muss diese Prozesse annehmen. Nichts bleibt, wie es ist. Auch das gilt es zu akzeptieren, ja es nach Möglichkeit sogar interessant finden, um glücklich zu bleiben.

teleschau: Die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz ist also ein Glücksbaustein?

Kohlund: Einer der wichtigsten sogar. Unsere kleine Familie, meine Frau Elke und die beiden Kinder, sind auf jeden Fall das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Trotzdem war auch bei uns nicht immer alles einfach und reibungslos. Glatte Lebensläufe ohne Dellen gibt es nicht. Man muss manchmal warten und aushalten können. Meine Frau, die viel lebenstüchtiger und pragmatischer ist als ich, weiß, wann ich leide. Sie weiß auch, wann es hilft, etwas zu sagen und wann ein keinen Sinn ergibt.

"Natürlich war früher nicht alles besser, nur eben langsamer"

teleschau: Worunter leiden Sie den vornehmlich?

Kohlund: Momentan an allem. Ich habe eine solche Unruhe auf der Welt noch nie erlebt. Es scheint eine Armee aus dem Irrenhaus ausgebrochen zu sein, die in vielen Staaten die Macht übernommen hat. All die Trumps, Bolsonaros und Urbans. Die Probleme der Welt sind explodiert. Ob es in der Weltschaft, in Umweltfragen oder im Zusammenleben ist: Wir befinden uns in einem Zustand der sich ständig verschärfenden Krise. Jeder muss immer mehr leisten, für noch weniger Geld. Vom Klimaschutz will ich gar nicht reden. Da ist es nicht fünf vor zwölf, sondern eher 13 Uhr. Wir brauchen eine Klima-Notambulanz und keinen Klimaschutz.

teleschau: Das Thema scheint Sie besonders umzutreiben ...

Kohlund: Na klar, weil es zeigt, dass wir Menschen offenbar nicht dazu in der Lage sind, das zu tun, was dringend erforderlich ist, um uns selbst zu retten. Auch dass die Politik in einer Frage des nackten Überlebens einmal so schwach und handlungsunfähig wäre, hätte ich niemals für möglich gehalten. Nun demonstrieren Kinder - und erst da kommen Politiker in die Bredouille. Weil sie den Kindern nicht einfach sagen können, dass sie keine Ahnung hätten. Das käme nicht so gut. Deshalb sagen sie ihnen, wie toll es ist, dass sich so viele junge Leute engagieren. Nur löst das leider nicht die Probleme, die sie selbst anpacken müssten.

teleschau: Sie sprachen davon, dass Sie an unserer Zeit leiden. Gibt es heute denn mehr Probleme als früher?

Kohlund: Auch, wenn es mir persönlich gut geht, sehe ich in meiner Umgebung, dass die Menschen an zu viele Fronten kämpfen müssen. Klar, es reden alle übers Klima. Doch für das Individuum ist es nicht das vordringliche Problem. Da ist viel wichtiger: Wie pflege ich meine Mutter? Bekomme ich für mein Kind einen Kita- oder Ausbildungsplatz? Wie kann ich das Schulgeld oder die Arztkosten noch bezahlen? Natürlich ist es auch die Flut an Informationen, die uns heute schwarzsehen lässt. Wir erfahren zu viel, an dem man verzweifeln könnte.

teleschau: Aber es ist eben nicht nur eine Frage der Wahrnehmung ...

Kohlund: Nein, die Probleme der Welt sind explodiert. Der Fortschritt, die Weiterentwicklung der Menschheit schreitet im exponentiellen Tempo voran: Überbevölkerung, Globalisierung, Digitalisierung. Es passiert einfach alles viel zu schnell für unser träges Denken, die trägen Systeme. Natürlich war früher nicht alles besser, nur eben langsamer. Im Zweiten Weltkrieg, während der napoleonischen Kriege, zu Zeiten von Pest und Kreuzzügen hätte man sicher auch nicht leben wollen.

"Waldspaziergänge, Sonnenuntergänge, ein gutes Frühstück"

teleschau: Wie gehen Sie persönlich mit dem Leiden an der Welt um?

Kohlund: Es ist sehr schwierig. Man darf nicht verzweifeln oder resignieren. Andererseits ist es schlimm, sich abzuschotten. Ich kenne intelligente Leute, die haben sich komplett zurückgezogen und ausgeklinkt. Sie schauen keine Nachrichten mehr, kümmern sich nur noch um ihren Mikrokosmos und sind immer gut drauf. So etwas kann ich nicht. Ich war schon immer an der Welt interessiert, mein Vater war ebenfalls so. Aber man muss sehen, dass man dabei nicht kaputtgeht.

teleschau: Wann sind Sie glücklich?

Kohlund: Oft, sehr oft. Wir haben immer schon Spaß beim Frühstück, meine Frau und ich. Ich habe einen neuen Hund, mit dem ich morgens gegen um halb sieben im Wald spazieren gehe. Es ist ein russischer Hirtenhund, ein Bastard. Er lebte lange alleine auf der Straße, deshalb ist er so autark. Wenn er mich anguckt, bin ich oft glücklich. Selbst, wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Ich glaube, er muss noch viel lernen. Er ist der Meinung, ich müsse noch viel lernen. Aber wir kommen gut miteinander aus (lacht).

teleschau: Sind viele Menschen im fortgeschrittenen Alter glücklicher, weil sie die schönen Dinge mehr zu schätzen wissen?

Kohlund: So ist es. Waldspaziergänge, Sonnenuntergänge, ein gutes Frühstück. All das nimmt man einfach so hin, wenn man jung ist. Man ist dann eben "gut drauf". Im Alter machen derlei schönen Dinge aber richtig glücklich. Zwischen 16 und 40 befinden wir uns in einer Aufbauphase. Man muss ständig rennen oder hat Angst, etwas zu verpassen. Es ist nichts Reflektierendes dabei. Und irgendwann rennt einem die Zeit dann einfach weg. Ich weiß noch, dass ich mit Maria Furtwängler einen Film auf einer Nordseeinsel drehte und dort meinen 50. Geburtstag feierte. Es kommt mir vor, als wäre es gestern oder zumindest neulich gewesen. Nun werde ich 70. Auch im eigenen Leben trifft man die permanente Beschleunigung.

teleschau: Was kann man tun?

Kohlund: Man kann dem nur mit Reflexion begegnen, indem man über das eigene Leben, auch die eigenen Versäumnisse nachdenkt. Das Leben wird nachdenklicher und nachhaltiger mit Alter. Aber darin liegt auch eine Chance auf Glück.