Mordfall Bögerl: Polizei will Akte nicht schließen

Im Juni 2010 durchsuchen Polizisten bei Heidenheim ein Rapsfeld nach Spuren im Fall Bögerl.
Im Juni 2010 durchsuchen Polizisten bei Heidenheim ein Rapsfeld nach Spuren im Fall Bögerl.

Es ist einer der bekanntesten ungeklärten Mordfälle der Republik: Vor zehn Jahren wird Maria Bögerl aus ihrem Haus in Heidenheim entführt. Wochen später findet ein Spaziergänger ihre Leiche. Das Schicksal der Bankiersfrau lässt die Ermittler nicht los.

Heidenheim (dpa) - Es ist ein Vormittag im Mai, an dem Maria Bögerl in ihrem Haus im württembergischen Heidenheim überwältigt wird. Mit Handschellen wird die Frau des damaligen Sparkassenchefs gefesselt, zu ihrem Auto gebracht und entführt.

Kurze Zeit später klingelt das Telefon ihres Ehemanns Thomas Bögerl. Der Entführer fordert 300.000 Euro Lösegeld, schnell. Der Ablageort soll an der A7 sein, markiert mit einer Deutschlandflagge. Doch das gelieferte Geld wird nie abgeholt.

An diesem Dienstag (12. Mai) ist das genau zehn Jahre her: die Entführung, die Erpressung - und schließlich ein nicht auszuhaltendes Warten. Warten auf einen weiteren Anruf des Entführers, der nie kommt. Warten auf ein Lebenszeichen der Frau, das es nicht gibt.

In ihrer Verzweiflung wenden sich Ehemann und Kinder der Entführten knapp eine Woche später über die ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY... ungelöst» an die Öffentlichkeit. Sie flehen um die Freilassung der Mutter und Ehefrau. Vergebens. Knapp drei Wochen später findet ein Spaziergänger in einem Waldstück ganz in der Nähe der Geldübergabestelle die Leiche der 54-Jährigen.

Heute vermuten die Ermittler, dass Maria Bögerl bereits kurz nach ihrer Entführung erstochen wurde. «Wir gehen anhand unserer Befunde davon aus, dass sie zeitnah am Tattag zu Tode kam - zwischen Erpresseranruf und Geldübergabe», sagt Thomas Friedrich, der die Ermittlungen in dem Fall seit Anfang 2014 leitet. «Mutmaßlich wäre sie nicht zu retten gewesen.»

Fast sechs Jahre lang hatte sich die «Soko Flagge» um die Aufklärung des Falls gekümmert, ein weiteres Jahr eine personell reduzierte Ermittlungsgruppe. Aktuell ist noch der erfahrene Mordermittler Michael Bauer beim Polizeipräsidium Ulm damit beschäftigt.

«Dass so lange in Soko-Besatzung mit 40, 50 Leuten ermittelt wurde, ist in Deutschland einzigartig», sagt Friedrich. Kontinuierlich werde an dem Fall gearbeitet. Im Januar gab es die letzte größere Aktion: Die Wohnungen von drei Beschuldigten wurden durchsucht. Doch auch diese Spur führte ins Nichts.

Für Christoph und Carina Bögerl ist es furchtbar. Knapp ein Jahr nach dem Tod der Mutter nimmt sich der Vater das Leben. Er war in Verdacht geraten, in den Fall verwickelt zu sein. Die Verleumdungen, die erfolglosen Ermittlungen der Polizei und den Verlust seiner Frau habe er nicht ertragen, hieß es in der Traueranzeige der Familie.

Als Vorstandschef war Bögerl in der Region sehr bekannt. Der spektakuläre Fall bewegte die Menschen. Die Bilder der wochenlangen Suchaktion, die Hoffnung, die Umstände der Entführung - all das bleibe in Erinnerung, sagt Heidenheims Oberbürgermeister Bernhard Ilg. Der CDU-Politiker war schon 2010 im Amt. Es sei sehr bedrückend, dass der Mörder auch nach zehn Jahren nicht gefunden worden sei.

Doch nach Friedrichs Angaben gibt es noch viele Ermittlungsansätze. Derzeit würden vor allem noch physikalische Daten, beispielsweise aus Funkzellen, ausgewertet. Mehr als 10 000 Spuren seien gesammelt worden. In eine setzen Friedrich und seine Kollegen weiterhin große Hoffnung: eine DNA-Spur. «Die ist zu 100 Prozent tatrelevant», sagt der Ermittler. Es fehle leider immer noch der passende Treffer. Unter den 8000 Speichelproben, die man bisher von Männern aus der Region genommen habe, sei keine passende dabei gewesen.

Vermutet wird, dass der Mörder aus der Region stammt - männlich, im mittleren Alter. Der Profiler und frühere Bremer Mordermittler Axel Petermann kann sich gut vorstellen, dass Bögerl ihren Mörder kannte. Dafür spreche das abrupte Ende der Entführung. Nach der Tat eines Profis sehe das alles nicht aus. «Wenn Opfer ihre Täter kannten und erkannten, sorgt die Angst vor einer Aufdeckung der Tarnung oft für eine Kurzschlussreaktion», sagt der Experte. Er glaubt an eine Gewalttat aus Geldnot.

Auch Chefermittler Friedrich geht von einem finanziellen Motiv aus. «Doch die Tarnung war dem Täter wohl wichtiger als das Geld», mutmaßt der Beamte. «Fragen kann ich ihn aber erst, wenn er vor mir sitzt.» Wie wahrscheinlich das ist, will Friedrich nicht in Prozentzahlen ausdrücken. «Solange es erfolgversprechende Ermittlungsansätze gibt, ist weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei bereit, diese Akte zu schließen.»