Ernährungsforscher zu Langlebigkeit - Das Geheimnis der Langlebigkeit: Ist Kalorienzählen wichtiger als Genetik?

Eine Studie kam zu dem Schluss, dass eine geringere Kalorienzufuhr einen größeren Einfluss auf die Lebensdauer hatte als Intervallfasten.<span class="copyright">Getty Images/KatarzynaBialasiewicz</span>
Eine Studie kam zu dem Schluss, dass eine geringere Kalorienzufuhr einen größeren Einfluss auf die Lebensdauer hatte als Intervallfasten.Getty Images/KatarzynaBialasiewicz

Die Wissenschaft versucht schon lange, dem Altern auf den Grund zu gehen. Eine Studie, die kürzlich im Fachmagazin Nature erschien, hat dazu neue Erkenntnisse hervorgebracht - und einen Zusammenhang zur Ernährung aufgestellt. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop hat sich die Ergebnisse angesehen.

Was genau haben die Forscher bei ihrer neuen Studie untersucht?

In einer lange erwarteten Studie, die im renommierten Medizinjournal Nature erschien, haben amerikanische Wissenschaftler den Gesundheitszustand von fast eintausend Mäusen bei unterschiedlichen Diäten beobachtet - um so neue Erkenntnisse zur Beantwortung folgender Kernfrage zu gewinnen: Warum leben manche Mäuse bei eingeschränkter Nahrungszufuhr länger und andere nicht?

Die Wissenschaftler wiesen dazu weiblichen Mäusen fünf verschiedene Diäten zu: eine, bei der die Tiere jederzeit beliebig viel Futter zu sich nehmen konnten, zwei, bei denen die Tiere täglich nur 60 Prozent oder 80 Prozent ihrer Grundkalorienmenge erhielten, und zwei, bei denen die Tiere an einem oder zwei aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche gar nichts fressen durften, an den anderen Tagen aber so viel essen durften, wie sie wollten (eine der vielen Arten des Intervallfastens).

Anschließend wurden die Mäuse ihr Leben lang untersucht, wobei regelmäßige Bluttests und eine umfassende Bewertung ihres allgemeinen Gesundheitszustands durchgeführt wurden. Die Studie wurde so konzipiert, dass jede Maus genetisch einzigartig war, was es dem Team ermöglichte, die genetische Vielfalt der menschlichen Population besser nachzuahmen. Dadurch wurden die Ergebnisse klinisch relevanter und die Studie wurde laut Autoren "zu einer der bislang bedeutendsten Untersuchungen zum Thema Alterung und Lebensdauer."

Welche Ergebnisse hat die Langlebe-Mäusestudie ergeben?

Die Studie kam zu dem Schluss, dass eine geringere Kalorienzufuhr einen größeren Einfluss auf die Lebensdauer hatte als Intervallfasten. Die Daten zeigten, dass eine kalorienarme Ernährung die Lebensdauer der Mäuse im Allgemeinen verlängerte, unabhängig von ihrem Körperfett- oder Glukosespiegel – beides werden normalerweise als Marker für Stoffwechselgesundheit und Alterung angesehen.

Innerhalb jeder Gruppe gab es jedoch große Unterschiede in der Lebenserwartung. Mäuse mit der geringsten Kalorienzufuhr beispielsweise hatten eine Lebenserwartung von einigen Monaten bis zu viereinhalb Jahren. Als die Forscher ihre Daten genauer analysierten, um diese große Bandbreite zu erklären, stellten sie fest, dass genetische Faktoren einen weitaus größeren Einfluss auf die Lebensdauer haben als die Ernährung.

„Wenn Sie lange leben möchten, gibt es Dinge, die Sie im Laufe Ihres Lebens kontrollieren können, wie zum Beispiel Ihre Ernährung, aber was Sie wirklich wollen, ist eine sehr alte Großmutter“, bringt es Studienleiter Gary Churchill auf den "genetischen Punkt".

Überraschenderweise waren die Mäuse, die mit der eingeschränkten Ernährung am längsten lebten, diejenigen, die trotz geringerer Nahrungsaufnahme am wenigsten Gewicht verloren. Die Tiere hingegen, die am meisten Gewicht verloren, neigten dazu, wenig Energie, ein geschwächtes Immunsystem und ein geschwächtes Fortpflanzungssystem zu haben und kürzer zu leben. "Unsere Studie unterstreicht deutlich die Bedeutung von Resilienz“, so Churchill, „Die robustesten Tiere halten ihr Gewicht auch bei Stress und Kalorienbeschränkung, und sie sind diejenigen, die am längsten leben."

Aber Mäuse sind keine Menschen - sind die Erkenntnisse auf uns übertragbar?

Generell sind Mäusestudien nicht auf Menschen übertragbar - schon gar nicht, wenn es um eine klinische Käfigstudie über die gesamte Lebenslänge geht, wie hier. Aber es lassen sich einige grundsätzliche Hypothesen daraus ableiten. So identifizierte das Forscherteam die genetisch kodierte Belastbarkeit als entscheidenden Faktor für die Lebensdauer. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für Menschen.

Und Mäuse, die ihr Körpergewicht, ihren Körperfettanteil und die Gesundheit ihrer Immunzellen während Stressphasen oder geringer Nahrungsaufnahme auf natürliche Weise beibehielten, sowie solche, die im späteren Lebensverlauf kein Körperfett verloren, überlebten am längsten. Auch das erscheint für unsere Spezies Mensch rein evolutionsbiologisch sehr plausibel.

Diese Ergebnisse bedeuten vor allem, dass Studien zur Langlebigkeit am Menschen – die häufig Stoffwechselmessungen als Marker für Alterung oder Jugendlichkeit verwenden – möglicherweise wichtigere Aspekte des gesunden Alterns übersehen.

"Während Kalorienrestriktion im Allgemeinen gut für die Lebensdauer ist, zeigen unsere Daten, dass Gewichtsverlust bei Kalorienrestriktion tatsächlich schlecht für die Lebensdauer ist“, erklärte Churchill. „Wenn wir uns also Studien zu Langlebigkeitsmedikamenten an Menschen ansehen und feststellen, dass die Menschen abnehmen und bessere Stoffwechselprofile haben, stellt sich heraus, dass dies möglicherweise überhaupt kein guter Indikator für ihre zukünftige Lebensdauer ist.“ Man sollte sich besser die Erblinie, die Genetik, also die direkte Blutsverwandtschaft anschauen.

Was spricht denn noch für die relevante Rolle der Gene?

Sehr viel Forschung aus den letzten Jahren spricht dafür. Man weiß beispielsweise, dass Kinder, deren Mutter und Vater fettleibig sind, eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, ebenfalls adipös zu werden. Ihnen werden die Fettpfunde de facto in die Wiege gelegt, sie können nichts dafür.

Eine aktuelle Studie konnte dies jüngst erneut bestätigen: Die israelischen Wissenschaftler zeigten, dass Kinder von übergewichtigen und fettleibigen Eltern deutlich häufiger selbst übergewichtig oder adipös sind. So hatten fast  80 Prozent der Kinder mit zwei fettleibigen Elternteilen ebenfalls ein Gewicht im Bereich Übergewicht oder Fettleibigkeit. Bei Kindern von Eltern mit Normalgewicht lag diese Wahrscheinlichkeit nur bei 15 Prozent.

Was ist mit den "Blue Zones", wo die Menschen auch aufgrund von gesunder Ernährung sehr alt werden sollen?

Das ist nicht mehr als ein wohlklingendes Märchen. Spekulationen zu den wahren Gründen gab es schon lange. Nun hat eine eine aktuelle Forschungsreihe ergeben, dass die meisten Behauptungen über Höchstbetagte der Blue Zones falsch sind - sie basieren auf Betrug und Wunschdenken. Die Gründe dafür sind vielfältig, dabei stehen drei spannende Phänomene im Fokus: Fehlende Geburtsurkunden, falsche Altersangaben und Rentenbetrug (also nicht gemeldete Sterbefälle).

Am häufigsten würden Menschen vermeintlich in jenen Regionen 100 bis 110 Jahre alt, in denen der Druck am größten ist, Rentenbetrug zu begehen. Dort findet man auch die schlechtesten Datengrundlagen. Oder anders: Das Geheimnis, 110 Jahre alt zu werden, besteht darin, seinen Tod nicht zu melden.