Ernährungswissenschaftler Uwe Knop - Zuckerkonsum und Herzrisiko: Warum weniger nicht immer besser ist
Die Debatte um Zucker und Herzgesundheit nimmt eine unerwartete Wendung. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die Ergebnisse einer schwedischen Studie, die gängige Annahmen auf den Kopf stellt.
Was fanden schwedische Forscher zu Zucker und Herzkrankheiten heraus?
Schwedische Wissenschaftler haben in ihrer neuen Studie untersucht, wie Zuckerkonsum und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen. Für diese klassische Beobachtungsstudie wurden Ernährungsfragebögen von mehr als 70.000 Teilnehmern, die zwischen 45 und 83 alt Jahren waren, ausgewertet.
Anschließend wurden diese Daten mit nationalen Registern zur Ermittlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern abgeglichen, in denen beobachtet wird, wie sich die Herzgesundheit entwickelt. Die daraus resultierenden Korrelationen (Zusammenhänge) zwischen „Zuckerkonsum und Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ wurden dann mithilfe statistischer Methoden analysiert.
Welche Rolle spielen Süßigkeiten bei der Entwicklung von Herzkrankheiten?
Die Ergebnisse sind besonders für viele „Zucker-Detoxer“ extrem überraschend: Grundsätzlich stieg das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen besonders stark bei jenen an, die sehr wenig bis keinen Zucker konsumierten. Die Ergebnisse weisen auch auf ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei geringerem Süßigkeitenkonsum hin. Oder anders: Wer wenig nascht, ist eher herzkrank!
Wie können wir unser Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch unsere Ernährung minimieren?
Das weiß niemand sicher. Auch die jüngste These der Uni Jena „ Vollkornmangel erhöht Todesrisiko!“ ist nicht mehr als wissenschaftlicher Nonsens. Die neue schwedische Studie legt zumindest nahe, dass ein hoher Süßigkeitenverzehr mit einem niedrigen Risiko für ein krankes Herz zusammenhängt.
Also heißt die Devise nicht nur an Weihnachten: „Naschen für ein starkes Herz“?
In diese Richtung könnte man denken - aber das ist ein wissenschaftlicher Irrweg, da landet man in einer statistischen Sackgasse. Denn der beobachtete Zusammenhang lässt keine Schlussfolgerung zu, dass Süßigkeiten das Herz wirklich schützen.
Es könnte auch so sein: Menschen, die sehr wenig Zucker konsumieren, achten möglicherweise im Rahmen ihrer sehr einschränkenden Diäten auf ihr Gewicht - oder sie reduzieren ihren Zuckerkonsum aufgrund bestehender Krankheiten.
Das höhere Risiko entstünde in diesen (theoretischen) Fällen demnach nicht allein durch den Zuckerverzicht, sondern etwa durch die Begleiterkrankungen oder den Stress, den eine strenge Diät auslöst. Auch diese neue Studie liefert damit ein weiteres Paradebeispiel für die „Glaskugel Ernährungswissenschaft“.
Warum ist auch diese Studie wieder mal eine Paradebeispiel für die „Glaskugel Ernährungswissenschaft“?
Hier greift das Universalcredo der Ernährungswissenschaften, das auf Basis schwacher Beobachtungsstudien lautet: „Nichts Genaues weiß man nicht!“ Konkret: Aus Korrelationen können keine Kausalitäten abgeleitet werden – also banale statistische Zusammenhänge sind keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Denn das ist wissenschaftlich nicht möglich und so ändert sich nichts an der „ewigen Tatsache“: Ernährungsforschung kann keinerlei Kausalevidenz (also Ursache-Wirkungs-Beziehungen) liefern, weil wesentliche Voraussetzungen im Studiendesign dafür nicht erfüllt werden.
Die relevanten Limitierungen, die ökotrophologische Studien auf Kristallkugelniveau „downgraden“ basieren auf Beobachtungsstudien, denn sie sind das Fundament der Ernährungsforschung. Diese Studien, auf denen das gängige Ernährungs(halb)wissen basiert, können keine Beweise (Kausalitäten) liefern, sondern nur vage Vermutungen und Hypothesen abgeleitet von schwachen Korrelationen. Das wiederum sind statistische Zusammenhänge, über deren tatsächliche Verbindung man nichts weiß.
Ein Beispiel: Rotweintrinker leben länger. Liegt es am Rotwein oder am „Rest“ des Lebensstils, weil diese Menschen mehr Geld haben, eine bessere Gesundheit, höhere Jobs, mehr Sex, mehr Zufriedenheit? Eine Korrelation liefert keine Kausalität! So ist und so bleibt es.
Also weiß niemand wirklich wissenschaftlich gesichert, was konkret „gesunde“ Ernährung ist?
Richtig. Das weiß niemand. Die vorgenannten Faktoren Korrelation und Kausalität sind nur nur zwei Beispiele zahlreicher Limitierungen, aufgrund derer die Ernährungsforschung zu einem „bemitleidenswerten“ Forschungszweig wird. So ist insbesondere noch das „wachsweiche“ Datenfundament zu nennen: Die Mengen an verzehrten Lebensmitteln, also die Studiengrundlage, basieren stets auf unüberprüfbaren Eigenangaben der Probanden.
Und hier weiß man zwar nicht, was stimmt, aber man weiß: Es wird gern geschummelt, die Antworten sind (fast) nie 100 Prozent ehrlich, ein Stichwort ist „Underreporting“ – aus Gewissensgründen wird gerne mehr vermeintlich „gesunde Kost“ angegeben, dafür die „bösen“ Lebensmittel nach unten „korrigiert“.
Ergo: Man kann allein die Datengrundlage schon nicht ernst nehmen, denn sie ist alles andere als valide. Und oftmals wird diese nur ein einziges Mal zu Beginn einer Studie abgefragt, die zehn Jahre oder länger läuft. Viele weitere Einschränkungen der Ernährungsforschung können Sie hier nachlesen. Danach wissen Sie, wo wir stehen: Außer Hypothesen nichts gewesen.