Erpressung und Gewalt: Das sind die mafiösen Methoden der Mailänder Ultra-Fans
Taschendiebstahl, missbräuchliche Bewirtschaftung der Parkplätze des Meazza-Stadions (genannt San Siro), Kontrolle über den Verkauf von Getränken, Lebensmitteln und Geräten zwischen den Tribünen und außerhalb des Stadions, illegaler Verkauf von Eintrittskarten für Milan- und Inter-Spiele, Erpressung, Einschüchterung und Gewalt – das sind nur einige der Vorwürfe an die Ultra-Fans der italienischen Fußball-Klubs Inter Mailand und AC Mailand.
Unter anderem sollen die Ultra-Fans mithilfe verbotener Mittel ihre Vorherrschaft über das Millionengeschäft beider Fußball-Klubs aufrechterhalten haben. Dabei sollen die Fans beider Klubs, die auf dem Spielfeld gegeneinander kämpfen, einen "Nichtangriffspakt" geschlossen haben, über den sie die Profite aus den illegalen Geschäften untereinander aufgeteilt haben sollen.
Dies und vieles mehr geht aus den Ermittlungen der italienischen Polizei und der Guardia di Finanza hervor. Die Ermittlungen wurden von der Mailänder Antimafia-Behörden koordiniert und führten am Montag zur Festnahme von 19 Personen. 16 von ihnen kamen in Untersuchungshaft, drei weitere sind im Hausarrest.
Den führenden Köpfen der Mailänder Ultra-Fans werden vor allem "kriminelle Verschwörungen mit mafiösen Methoden" vorgeworfen. Unter anderem sollen sie Schlägereien vor und im Stadion organisiert und Schutzgeld von Verkäufern vor dem Stadion verlangt haben.
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Aus den 530 Seiten Ermittlungsunterlagen gehen aber auch schlüpfrige Details über die Fußballvereine selbst hervor. Sie sollen sich in einem Zustand der "Unterwürfigkeit" gegenüber den Mailänder Ultra-Fans, insbesondere den Fans von Inter, befunden haben.
Demnach waren die beiden Fußballvereine "Curva Nord", also den Anführern der Ultra-Fans nicht nur finanziell unterworfen, sondern wurden auch in Bezug auf die sportliche Leitung der Mannschaft beeinflusst und sogar eingeschüchtert. Gegen die Fußballvereine wurde ein "Präventionsverfahren" eingeleitet. Wenn die Klubs sich nicht an den pärventiven Maßnahmen halten, könnten sie unter gerichtliche Zwangsverwaltung geraten.
"Curva Nord" soll Druck auf Trainer Inzaghi geübt haben
In den Unterlagen wird der Druck beschrieben, den die Anführer der Inter-Ultras auf den Trainer von Inter Mailand, Simone Inzaghi, ausgeübt habne sollen. Sie sollen sich an ihn gewandt haben, um sich über die Leistung der Spieler auf dem Spielplatz zu beschweren und um sich bei der Vereinsführung einzumischen.
In einem Fall wurde der Trainer gebeten, sich an den Geschäftsführer von Inter Mailand, Giuseppe Marotta, zu wenden, um 1.500 Eintrittskarten für das Champions-League-Finale gegen Manchester City in Istanbul zu besorgen und sie dann zum zehnfachen Marktpreis zu verkaufen. Darüber hinaus sollen die Ultra-Fans Kontakt zu den ehemaligen Fußballern Marco Materazzi und Javier Zanetti, dem derzeitigen Vizepräsidenten des Vereins, aufgenommen haben, und ihr Ziel erreicht haben.
Zu Beginn des Jahres 2023, als Inter Mailand in der Liga zu kämpfen hatte, wollten sich Marco Ferdico und Mauro Nepi von der "Curva Nord" mit Inzaghi treffen, um über die Schwierigkeiten der Mannschaft zu sprechen. Außerdem verlangten sie ein Treffen mit dem Fußballer Milan Skriniar, der kurz davor stand, den Verein zu verlassen. Denn sie wollten, dass er bleibt. Aus den abgehörten Telefongesprächen wird deutlich, dass sie Skriniar einschüchtern wollten.
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In den Unterlagen wird auch ein Treffen des am Montag verhafteten Chefs der "Curva Nord", Luca Lucci, mit dem Kapitän von AC Mailand, Davide Calabria beschrieben. Die beiden Männer sollen sich am 8. Februar 2023 in einer Bar in Cologno Monzese in der Metropolitanstadt Mailand getroffen haben. Es sind jeodch keine Einzelheiten bekannt.
Was riskieren die Fußballvereine?
Der Umgang mit Fans ist keine Straftat, und niemand aus dem Management der Vereine steht auf der Liste der Verdächtigen. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat jedoch ein "Präventionsverfahren" gegen Inter Mailand und AC Mailand eingeleitet. Sie werden beschuldigt, die Aktivitäten von Verdächtigen zu fördern, und sei es auch nur, weil sie sich einschüchtern lassen oder träge oder disorganisiert sind.
Die beiden Fußballvereine werden nachweisen müssen, dass sie ihre Verbindungen zu den angeklagten Ultra-Fans abgebrochen und organisatorische Lücken geschlossen haben, sodass die Ultras die fußballbezogenen Geschäfte nicht mehr beeinflussen können. Sollte es ihnen nicht gelingen, so könnte die Staatsanwaltschaft beim Gericht von Mailand die Anordnung der Zwangsverwaltung der Vereine beantragen. In diesem Fall würde ein Beamte die Verwaltung der Vereine übernehmen, um diese von Fesseln der Kriminellen zu befreien.
Auch die Staatsanwaltschaft des italienischen Fußballverbands FIGC hat die Mailänder Staatsanwälte aufgefordert, die Beziehungen zwischen der Vereinsführung und den Anführern der Ultras zu untersuchen und zu prüfen, ob das italienische Sportgesetz eingehalten wird. Im Artikel 25 des Sportgesetzes, das die Beziehungen zwischen Vereinen und Fans regelt, wird die "Verhinderung von Gewalttaten" vorgesehen.
Neben dem Verbot für die Vereine, organisierte Fangruppen zu finanzieren, steht Folgendes im Sportgesetz: "Während der Spiele oder in Situationen, die mit der Ausübung ihrer Tätigkeit zusammenhängen, ist es den Mitgliedern untersagt, in einen Dialog mit den Fans einzutreten oder sich Demonstrationen oder Verhaltensweisen zu unterwerfen, die Formen der Einschüchterung darstellen, Beleidigung, Verunglimpfung oder persönliche Beleidigung verursachen oder auf andere Weise die Menschenwürde verletzen."
Als Sanktionen für diese Art von Verstößen sind Geldstrafen, mehrtägige Disqualifizierungen für Spieler und Suspendierungen für Manager vorgesehen.
Auch gegen Politiker und Unternehmer wird ermittelt
Laut den Ermittlungsunterlagen gab es bei der Verwaltung der Stadionparkplätze eine "für beide Seiten vorteilhafte Verbindung zwischen Unternehmern und Personen". Dabei sollen die Ultra-Fans nicht nur während der Fußballspiele von den Parkgebühren profitiert haben, sondern auch während anderer Großveranstaltungen, wie zum Beispiel Konzerte.
Die Parkplätze werden von Kiss and Fly im Auftrag der M-I Stadio srl verwaltet. Sein eigentümer Gherardo Zaccagni steht nun unter Hausarrest. Er soll den Anführern der Ultras monatlich viertausend Euro gezahlt haben.
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Auch gegen den lombardischen Regionalrat Manfredi Palmeri wird wegen Korruption ermittelt. Er ist zwanzig Jahre lang Stadtrat von Mailand und Manager des M-I Stadio srl gewesen. Dabei gilt er als "Referent" für die Vergabe des Parkvertrags.
Palmeri wurde von Zaccagni in einigen Telefongesprächen mit Ultras erwähnt, in denen es um die Bewirtschaftung der Stadionparkplätze während der Konzertsaison 2024 ging. Der Mailänder Politiker soll von dem Unternehmer 20.000 Euro und ein Gemälde im Wert von 10.000 Euro erhalten haben.