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"Ethisch absolut katastrophal": "Anne Will"-Gäste verurteilen schwedischen Sonderweg

Während in Deutschland ein Lockdown verhängt wurde, setzten die Schweden auf Eigenverantwortung und Empfehlungen. Welcher Weg war besser, um der Corona-Pandemie zu begegnen? Diese Frage diskutierte Moderatorin Anne Will in der jüngsten Ausgabe ihrer ARD-Talkshow mit ihren Gästen.

"Ethisch absolut katastrophal": "Anne Will"-Gäste verurteilen schwedischen Sonderweg
"Ethisch absolut katastrophal": "Anne Will"-Gäste verurteilen schwedischen Sonderweg

Hat Deutschland im März die richtige Entscheidung im Umgang mit dem Coronavirus getroffen? Oder haben es die Schweden besser gemacht, die weniger auf Lockdowns und mehr auf Eigenverantwortung und Empfehlungen gesetzt haben? Diese Frage diskutierten die Gäste in der jüngsten Ausgabe der ARD-Talkshow "Anne Will" am Sonntagabend, die weitgehend einhellig und wenig kontrovers vonstatten ging. So auch in der Bewertung des skandinavischen Sonderwegs.

“Schweden hat beim Schutz der alten Menschen versagt”

"Die Menschen haben sich stark selber eingeschränkt in Schweden. Selbst wenn die Regierung keinen Lockdown verordnet hat, die Menschen haben sich so verhalten, als hätte es einen gegeben", hielt die Virologin Melanie Brinkmann fest. Demgegenüber hätte das Land jedoch beim Schutz der alten Menschen versagt, kritisierte die Helmholtz-Forscherin, "und das finde ich dramatisch und ethisch absolut katastrophal. Es ist für mich absolut nicht der richtige Weg gewesen."

Auch die Strategie auf sogenannte "Herdenimmunität" zu setzen, sei nicht aufgegangen, bemerkte Brinkmann. Von der sei man auch in Schweden noch weit entfernt. Sie gehe davon aus, dass im Winter die Infektionszahlen wie in anderen Ländern auch wieder steigen werden. Auch Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, erinnerte an die hohen Todeszahlen in schwedischen Alten- und Pflegeheimen: "Die haben einfach sehr viele Menschen verloren. Das wäre bei uns undenkbar gewesen. Und das finde ich auch sehr richtig, dass das undenkbar gewesen wäre."

Corona-Schnelltests: Was können sie wirklich?

Die Medizinethikerin wurde noch deutlicher: Menschen mit "gewissen Risikostrukturen" seien "geopfert" worden. Zudem machte Buyx darauf aufmerksam, dass Long-Covid-Fälle damals noch nicht bekannt waren, also Langzeitfolgen, die auch bei milderen Verläufen und bei jüngeren Menschen ohne Vorerkrankung noch Monate später die Lebensqualität einschränken. "Dieser alten Idee der Herdenimmunität, der kann man inzwischen einfach eine Absage erteilen", fasste sie zusammen.

"Am Ende geht das nur, wenn alle mitmachen"

Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, schloss sich dieser Meinung an. "Man würde sich ja wünschen, dass es so geht." Allerdings hätten die Schweden seiner Meinung nach die älteren Menschen nicht "geopfert", sondern "schlicht nicht auf dem Schirm gehabt", das sei "ein grober Fehler" gewesen. "Corona ist keine Erkrankung, die man kriegen muss. Schöner ist, man bekommt sie nicht. Wir sind alle froh, wenn wir einen Impfstoff haben." Zwar seien ihm die Idee der Eigenverantwortung und ein selbstbestimmter Lockdown "grundsätzlich sympathischer als ein verordneter". Von einem Strategiewechsel hierzulande riet er jedoch ab. "Wir haben es unterm Strich gar nicht so schlecht gemacht in Deutschland. Wir sollten auf unserem Weg voranschreiten, den aber mit Maß und Ruhe begehen."

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Vizekanzler Olaf Scholz betonte, dass "unterschiedliche nationale Strategien auch mit unterschiedlichen Ergebnissen" geendet haben. "Ich finde, dass wir in Deutschland insgesamt doch einen sehr verantwortlichen Weg gewählt haben, der auch dazu beiträgt, dass die Bürgerinnen und Bürger mitgehen. Denn ohne das würde das gar nicht funktionieren", erklärte der Sozialdemokrat. "Am Ende geht das nur, wenn alle mitmachen. Das kann nicht verordnet werden, das ist eine Sache, die wir als Volk gewissermaßen gemeinsam hinkriegen müssen."

Corona-"Wundermittel" im Anmarsch? So ist der Stand bei den Schnelltests

Große Hoffnungen ruhen dabei weiterhin auf neuen Corona-Schnelltests. Zum Stand der Forschung äußerte sich ausführlich Melanie Brinkmann. Die Virologin erklärte, dass diese gerade in der Entwicklung seien. Allerdings müssen sie noch validiert werden. "Es muss klar werden, was können diese Tests? Das sind Vorgänge, die brauchen noch etwas Zeit." Die Professorin rechnet mit einer breiten Verfügbarkeit Anfang 2021.

Bei dem Test selbst müsse man einen Abstrich nehmen, die Probe auf den Test geben und innerhalb von 15 Minuten habe man das positive oder negative Ergebnis vor einem liegen. "Der Test weist nach: Bin ich gerade akut infiziert?", referierte Brinkmann. 100-prozentige Sicherheit bringe der "nicht sehr sensitive" Schnelltest jedoch wohl nicht: Zeige er ein positives Ergebnis, sei man sicher infiziert. Bei einem negativen Ergebnis könnte es allerdings sein, dass der richtige Zeitpunkt verpasst wurde. "Man braucht schon eine gewisse Virus-Menge im Rachen, dass dieser Test auch positiv ist. Das ist gerade die Gefahr", warnte Brinkmann.

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Ein neues "Wundermittel", nach dem Moderatorin Anne Will fragte, seien Covid-19-Schnelltests somit nicht, bestätigte auch Andreas Gassen. Es bleibe immer eine Rest-Unsicherheit, da die Tests negativ sein können, obwohl man trotzdem infiziert sei. Dennoch könnten sie als weiteres "Tool" im Umgang mit der Pandemie hilfreich sein. "Man muss offen diskutieren, wie will man die einsetzen, wissend, dass da möglicherweise eine gewisse Grauzone ist."

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