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EU schickt nach Flüchtlingsdrama mehr Schiffe ins Mittelmeer

Mit einer Verdreifachung der Mittel für die Seenotrettung und mehr Schiffen reagiert die Europäische Union auf die jüngsten Bootsunglücke im Mittelmeer mit Hunderten toten Flüchtlingen.

Damit stehen für die EU-Grenzschutzmissionen «Triton» und «Poseidon» monatlich rund 9 Millionen Euro pro Monat zur Verfügung. Das beschlossen die Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel in Brüssel. Diese Summe entspricht dem Budget der italienischen Vorgängermission «Mare Nostrum», die nach Angaben aus Rom mehr als 100 000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet hatte. Dennoch hält die Kritik an der EU an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bot an, zwei Marineschiffe - eine Fregatte und einen Versorger - für die Seenotrettung ins Mittelmeer zu schicken. Das Budget könne auch aufgestockt werden: «Wenn es noch mehr sein muss, dann muss es mehr sein. Dann wird es am Geld nicht scheitern.» Laut Abschlusserklärung sollen die Mittel «mindestens verdreifacht» werden. Auch über eine Ausweitung des Einsatzgebietes der «Triton»-Mission - bisher 30 Seemeilen vor der italienischen Küste - muss laut Kanzlerin gesprochen werden. Darüber gebe es aber unterschiedliche Ansichten unter den EU-Ländern.

Viele Staaten hätten Schiffe, Flugzeuge und Experten angeboten, sagte Gipfelchef Donald Tusk: «Das Leben von unschuldigen Menschen zu retten, hat absolute Priorität für uns. ... Wir stehen vor einem schwierigen Sommer und müssen in der Lage sein zu handeln». In den Sommermonaten wagen bei günstigem Wetter mehr Menschen den gefahrvollen Weg über das Mittelmeer. Die mit Abstand meisten Bootsflüchtlinge kommen in Italien an. Der italienische Premier Matteo Renzi sagte: «Das war ein großer Schritt vorwärts für Europa.»

Neben der Verdreifachung der Mittel vereinbarten die Gipfelteilnehmer auch, den Kampf gegen Schleuserbanden zu verstärken. Nach den Worten von Tusk sollen Militäreinsätze geprüft werden, um von Schleusern in Libyen zum Flüchtlingstransport genutzte Schiffe zu zerstören. Frankreich und Großbritannien wollen sich dafür einsetzen, dass der UN-Sicherheitsrat das dafür erforderliche Mandat erteilt. Er sei optimistisch, dass auch Russland davon überzeugt werden könne, dass es dabei nicht um eine Intervention in Libyen gehe, sagte der französische Präsident François Hollande. Er wolle mit Kremlchef Wladimir Putin noch am Freitag am Rande einer Gedenkfeier in Armenien darüber sprechen.

Russland könnte den Einsatz theoretisch mit seinem Vetorecht im Sicherheitsrat blockieren. Das Land hatte Nato-Staaten 2011 zusammen mit China vorgeworfen, eine UN-Vollmacht zum Schutz der Bevölkerung in Libyen für eine militärische Einmischung mit dem Ziel des Sturzes von Diktator Muammar al-Gaddafi missbraucht zu haben.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, regte in der «Bild»-Zeitung (Freitag) eine engere Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-, Durchreise- und Zielländern der Flüchtlinge an, um das Netzwerk der Menschenhändler zu zerschlagen. Zudem mahnte er: «Ohne die wirklichen Wurzeln der Flucht anzugehen, werden wir die Boote nicht stoppen können und noch mehr Menschenleben verlieren.»

Nicht einigen konnten sich die Staatenlenker in Brüssel auf eine fairere Verteilung von Asylbewerbern mit festen Quoten. Dies hatten vor allem Deutschland, Italien und Schweden gefordert. Auch über die Schaffung legaler Fluchtwege nach Europa gab es keine Übereinkunft. Vereinbart wurden lediglich mehr Hilfen für Ankunftsländer und eine Kooperation mit afrikanischen Staaten. Eine bessere Kooperation in der Asylpolitik in der EU soll noch beraten werden.

Weitere Maßnahmen soll der reguläre EU-Gipfel Ende Juni beschließen. Die EU will zudem gemeinsam mit der Afrikanischen Union (AU) und weiteren Ländern einen Sondergipfel zum Thema Migration noch in diesem Jahr auf Malta veranstalten. Das schrieb der maltesische Premierminister Joseph Muscat auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Kritiker wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warfen der EU vor, zu wenig zu tun. Sie wiesen darauf hin, dass nur eine Ausweitung des Einsatzgebietes für die EU-Missionen Fortschritte bringe. Die Boote der EU-Missionen «Triton» und «Poseidon» patrouillieren vor der Küste Italiens und Griechenlands. Sie sollen die Grenzen überwachen und gegen Schlepper vorgehen. Viele Flüchtlingsschiffe geraten aber bereits unweit der libyschen Küste in Seenot. Die Grenzschutzboote dürfen ihr Einsatzgebiet bei Bedarf zwar verlassen, sie patrouillieren dort aber nicht routinemäßig. Libyen ist das Haupttransitland für Flüchtlinge.

Abschlusserklärung des Gipfels - Englisch

Tagesordnung des Sondergipfels

Zehn-Punkte-Plan der EU-Kommission

Video: Pressekonferenz zu Zehn-Punkte-Plan - Englisch

Amnesty International zum Thema Flüchtlingstragödien

Hintergrundinformationen der EU-Kommission - Englisch