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EU startet zweite Phase der Brexit-Verhandlungen

Noch ist das Reisen einfach: Grenzbeamte am Londoner Flughafen Heathrow unter einem Grenzschild. Foto: Andrew Cowie
Noch ist das Reisen einfach: Grenzbeamte am Londoner Flughafen Heathrow unter einem Grenzschild. Foto: Andrew Cowie

In der Trennung von Großbritannien zeigen sich die übrigen 27 EU-Länder geschlossen wie selten. Doch bei den alten Dauerstreitthemen klappt es mit der Harmonie beim Gipfel nicht.

Brüssel (dpa) - Die EU hat das Startsignal zur Ausweitung der Brexit-Verhandlungen gegeben und will bis Herbst 2018 einen Vertrag über den Austritt Großbritanniens unter Dach und Fach bringen.

«Damit beginnt ein noch härteres Stück Arbeit, als wir es bisher hatten», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des zweitägigen EU-Gipfels in Brüssel.

Dort hatten die Mitgliedstaaten auch versucht, sich bei zwei besonders umstrittenen Themen anzunähern: dem Streit über die künftige Verteilung von Flüchtlingen im Krisenfall, bei dem Merkel aber anschließend keinerlei Bewegung sah; und bei der geplanten Reform der Wirtschafts- und Währungsunion.

Hier wollen Deutschland und Frankreich bis März eine gemeinsame Position erreichen, wie Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit Merkel bekannt gab. Im März soll auch ein weiterer Eurozonen-Gipfel in Brüssel Zwischenbilanz ziehen. Bei beiden Streitthemen soll möglichst bis Juni 2018 eine Lösung stehen.

Konkretestes Ergebnis des letzten EU-Gipfels in diesem Jahr war der Brexit-Beschluss. Die 27 bleibenden Staaten stellten offiziell fest, dass die bisherigen Gespräche mit Großbritannien ausreichenden Fortschritt gebracht haben, um in Phase zwei zu starten.

Grundlage war eine Einigung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit der britischen Premierministerin Theresa May vorige Woche. Sie erzielten Kompromisse zu wichtigen Trennungsfragen, darunter Vereinbarungen zur irisch-nordirischen Grenze, zu den Rechten der EU-Bürger in Großbritannien sowie zu finanziellen Verpflichtungen Londons nach dem Brexit 2019.

May hatte erhebliche Zugeständnisse gemacht. Denn Großbritannien will unbedingt rasch die künftige Partnerschaft zur EU klären. Die EU tritt allerdings auf die Bremse: In den nächsten Wochen soll zunächst nur über eine etwa zweijährige Übergangsphase nach dem Brexit gesprochen werden, dann über das Austrittsabkommen. Die EU will vor dem Brexit auch nur den Rahmen der künftigen Beziehungen in einer «politischen Erklärung» festlegen.

Der maltesische Regierungschef Joseph Muscat forderte London auf, erst einmal zu erklären, wie die künftigen Beziehungen aussehen sollen. Ähnlich äußerte sich EU-Ratspräsident Donald Tusk.

May hat schon angekündigt, man werde die EU, den Binnenmarkt und die Zollunion am 29. März 2019 verlassen, strebe aber weiter eine «tiefe und besondere Partnerschaft» an. Aus Sicht der EU kann Großbritannien nach dem Ausstieg jedoch nicht dieselben Vorteile haben wie als Mitglied. Unter welchen Bedingungen beide künftig Handel treiben und bei Sicherheit und anderen Fragen zusammenarbeiten, ist offen.

May steht im eigenen Land enorm unter Druck und sucht eine Linie zwischen Brexit-Hardlinern und jenen, die einen weicheren EU-Ausstieg wollen. Mehrere EU-Kollegen stärkten ihr den Rücken. Nach dem EU-Beschluss zur Ausweitung der Gespräche bedankte sich May auf Twitter: «Heute ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem glatten und geordneten Brexit und zur Gründung einer tiefen und besonderen künftigen Partnerschaft», schrieb sie.

Vor dem Brexit-Beschluss hatten alle EU-Länder bis auf Großbritannien über die Reform der Eurozone debattiert, also auch Staaten, die noch nicht dazugehören. Tusk sagte anschließend: «Wir sind uns einig, dass unsere Finanzminister sich in den kommenden sechs Monaten auf Bereiche konzentrieren sollen, in denen schon die größte Übereinstimmung besteht.» Die Bankenunion solle Schritt für Schritt vollendet und der Euro-Rettungsschirm ESM zum europäischen Währungsfonds weiterentwickelt werden.

Tusk ging zum Abschluss des Gipfels auch noch einmal auf die Kritik an seiner Position zur Migrationspolitik ein. Er hatte die verpflichtende Umverteilung von Flüchtlingen in Frage gestellt und damit Protest der EU-Kommission und einiger Mitgliedsländer ausgelöst, darunter Deutschland. Trotzdem sagte Tusk: «Ich habe meine Meinung nicht geändert, überhaupt nicht.»

Er bestritt jedoch, damit im Sinne seines Heimatlands Polen und anderer östlicher Länder zu handeln, die sich gegen die Umverteilung wehren. Vielmehr appellierte Tusk an Polen, sich in der EU solidarischer zu verhalten.