Europäische Soldaten in der Ukraine - „Brandgefährlich, unverantwortlich“: Militärexperte zerpflückt Bodentruppen-Idee

Ukrainische und deutsche Soldaten trainieren auf einem Truppenübungsplatz das Flugabwehrraketensystem "Patriot". (Symbolbild)<span class="copyright">Jens Büttner/dpa</span>
Ukrainische und deutsche Soldaten trainieren auf einem Truppenübungsplatz das Flugabwehrraketensystem "Patriot". (Symbolbild)Jens Büttner/dpa

Der Politikwissenschaftler Carlo Masala bringt eine europäische „Koalition der Willigen“ ins Gespräch, die Bodentruppen in die Ukraine schicken könnte. Militärexperte Wolfgang Richter warnt nun eindringlich vor den gigantischen Risiken eines solchen Einsatzes.

Der jüngste Vorstoß der russischen Streitkräfte kam überraschend für die ukrainischen Verteidiger. Südlich von Pokrowsk erzielten die Truppen des  russischen Präsidenten Wladimir Putin einen unerwarteten Durchbruch. Die ohnehin in Unterzahl agierenden ukrainischen Streitkräfte wurden überrumpelt und die Frontlinie um etwa 20 Kilometer ins ukrainische Hinterland verlagert.

Seit Tagen spitzt sich die Lage an der Ostfront im Ukraine-Krieg zu. Ein Grund dafür: die angespannte Personallage auf Seiten der Ukrainer. Die Truppen von Präsident Wolodymyr Selenskyj kämpfen weiterhin mit begrenzten Möglichkeiten, da Kiew nicht auf ausländische Kämpfer zurückgreifen kann wie Moskau. An der Seite der russischen Truppen kämpfen bereits bis zu 10.000 nordkoreanische Soldaten .

Europäische Bodentruppen für die Ukraine: „Koalition der Willigen“

Die Mobilisierung der eigenen Bevölkerung bleibt daher die wichtigste Strategie, um den Krieg fortzuführen. Doch das läuft mehr als schleppend. Großbritannien und Frankreich brachten jedoch eine zusätzliche Möglichkeit zur Unterstützung der Ukraine ins Gespräch. Einem Bericht der französischen Tageszeitung „Le Monde“ zufolge, erwägen sie die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine.

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Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu wollte diese Überlegungen am Montagabend auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren.

Der Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala spricht in diesem Zusammenhang von der „Koalition der Willigen“.  Europäische Bodentruppen könnten Masala zufolge eine Option sein, die Ukraine zu stärken, falls die USA unter einem möglichen Präsidenten Donald Trump ihre Militärhilfe für Kiew erheblich reduzieren.

Masala erklärte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND): „Wir brauchen eine Rückfalloption für den Fall, dass die USA ihre Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen.“ Er betonte, dass es bereits erste Hinweise auf eine solche Koalition gebe: „Es gibt viel in Bewegung, in Frankreich, Großbritannien und Polen.“

Deutschland sei bei den meisten Entwicklungen außen vor. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verfolge Masala zufolge aber offenbar das Ziel, Deutschland wieder ins Spiel zu bringen.

„Kampfeinsatz europäischer Landstreitkräfte würde Ukraine-Krieg zu einem europäischen Krieg ausweiten“

Die Idee, eine europäische „Koalition der Willigen“ aufzustellen, die „bereit ist, Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden“, sollten die USA unter Trump ihre Hilfen an Kiew einstellen, hält der Militärexperte Wolfgang Richter für „brandgefährlich und unverantwortlich“. Gegenüber FOCUS online sagt er: „Ein Kampfeinsatz europäischer Landstreitkräfte gegen die russischen Streitkräfte würde den Ukraine-Krieg zu einem europäischen Krieg ausweiten.“

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Einen Punkt hält Richter in diesem Zusammenhang für besonders bedenklich: „Er wäre auch ein Krieg zwischen Atommächten, der auf europäischem Boden ausgetragen würde.“ Dies würde Europa geradewegs in einen Dritten Weltkrieg führen. Dass solche Gedankenspiele in Frankreich, Großbritannien oder Polen diskutiert würden, habe vielleicht das Ziel, die Abschreckung gegenüber Russland zu stärken. Das ändere aber nichts an seiner Einschätzung.

Richter sagt mit Blick auf die Bundesrepublik: „Solche leichtfertigen Erwägungen gefährden die Sicherheit Europas und Deutschlands und setzen in unverantwortlicher Weise die Lebensgrundlagen der deutschen Bevölkerung aufs Spiel.“

Darum seien solche Vorschläge auch völlig unrealistisch. „Kein deutscher Bundeskanzler könnte ihnen zustimmen. Denn alle Bundeskanzler, gleich welcher Parteizugehörigkeit, leisten einen Eid, der da lautet, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden.“