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Europawahl: Jeder Zweite kennt keinen der Spitzenkandidaten

Blick in den Plenarsaal des Europaparlaments. Foto: Patrick Seeger
Blick in den Plenarsaal des Europaparlaments. Foto: Patrick Seeger

Schirdewan? Bullmann? Giegold? Schon mal gehört? Bei den meisten Deutschen löst diese Frage ein Schulterzucken aus. Und das, obwohl der Europawahlkampf längst begonnen hat.

Berlin (dpa) - Einen Monat vor der Europawahl sind die deutschen Spitzenkandidaten noch weitgehend unbekannt.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gaben 45 Prozent an, keinen der neun Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien zu kennen. Mit 39 Prozent hat die von der SPD ins Rennen geschickte Justizministerin Katharina Barley noch den höchsten Bekanntheitsgrad, knapp vor dem AfD-Parteivorsitzenden Jörg Meuthen mit 35 Prozent.

Überraschendstes Ergebnis: Den Unions-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU), der Präsident der EU-Kommission werden will, kennt nur jeder Vierte (26 Prozent). Auf denselben Wert kommt FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Weit abgeschlagen liegen die Spitzenkandidaten der Grünen, Ska Keller (7 Prozent) und Sven Giegold (6 Prozent), sowie die der Linken, Özlem Alev Demirel (15 Prozent) und Martin Schirdewan (4 Prozent).

Den letzten Platz auf der Bekanntheitsskala teilt sich Schirdewan mit Udo Bullmann, dem zweite Spitzenkandidaten der SPD, der ebenfalls nur auf 4 Prozent kommt. Selbst von den SPD-Anhängern kennt den hessischen Politiker, der seit 20 Jahren im Europaparlament sitzt, nur jeder Zwanzigste (5 Prozent). Nur einer der neun Spitzenkandidaten kommt zumindest bei den Wählern der eigenen Partei auf einen Bekanntheitsgrad von mehr als 50 Prozent: Jörg Meuthen von der AfD mit 54 Prozent.

In Deutschland werden die Abgeordneten des Europaparlaments am 26. Mai gewählt. Die Bedeutung der Wahl wird der YouGov-Umfrage zufolge geringer eingeschätzt als die der Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. 23 Prozent halten sie für den unwichtigsten der vier Urnengänge. Dahinter folgen die Kommunalwahl (15 Prozent), die Landtagswahl (8 Prozent) und die Bundestagswahl (3 Prozent). Jeder Zweite sagte, er halte keine der Wahlen für die unwichtigste.

38 Prozent wollen ihre Wahlentscheidung am ehesten an der Europapolitik ausrichten, nur 27 an der deutschen Innenpolitik. Als mit Abstand wichtigstes Thema wird von den Befragten Klimaschutz und Umweltpolitik (55 Prozent) genannt, knapp vor der Flüchtlingspolitik (54 Prozent). Dahinter folgen rechter Populismus (28), Finanzpolitik (26), Brexit (17), Verteidigungspolitik (15) und Regulierung des Internets (12).

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nahm die EU unterdessen in einem Interview gegen den Vorwurf ausufernder Bürokratie in Schutz. Zwar habe die EU-Kommission 32.000 Mitarbeiter. «Das klingt viel, aber wenn man sich die größeren Städte in Deutschland anschaut, dann sieht man, dass eine Millionenstadt bei uns etwa 17.000 Beamte und Angestellte hat. Dabei leben in der Europäischen Union fünfhundertmal so viele Menschen», sagte Steinmeier dem Magazin «DB mobil» der Deutschen Bahn AG.

Mit Blick auf die Wahl betonte er, die Europäer könnten nur gemeinsam ihnen wichtige Akzente setzen und unliebsame Dinge verhindern. «Nur eine EU, die als globaler Player aktiv und erfolgreich ist, kann auch im Innern für Wohlstand und Sicherheit sorgen. Wir dürfen nicht vergessen, wie die EU vielen armen Regionen in Europa auf die Beine geholfen hat.»