Heute BAMBI in München - Toni Kroos: „Jetzt habe ich endlich mal das echte Familiengefühl“

Toni Kroos jubelt nach dem gewonnenen Finale der Champions League.<span class="copyright">Nick Potts/PA Wire/dpa</span>
Toni Kroos jubelt nach dem gewonnenen Finale der Champions League.Nick Potts/PA Wire/dpa

Toni Kroos kann seiner eigens angefertigten Trophäen-Sammlung noch einen Preis hinzufügen: Er wird mit dem BAMBI in der Kategorie Sport ausgezeichnet. Im Interview spricht der Ex-Fußballer über das verlorene EM-Viertelfinale und verrät, ob er sich eine Trainerkarriere vorstellen kann.

FOCUS online: Herr Kroos, Sie sind auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere zurückgetreten. Mit 34 gewonnenen Titeln sind Sie der erfolgreichste deutsche Fußballspieler aller Zeiten. Zuletzt haben Sie ein Spiel Ihres Ex-Clubs Real Madrid besucht – und wurden von den Fans frenetisch gefeiert. Mal ehrlich: Bereuen Sie Ihren Abschied noch nicht?

Toni Kroos: Nein, überhaupt nicht. Auch wenn es natürlich schön ist, immer noch so einen Wahnsinns-Empfang und so einen Zuspruch von den Fans zu bekommen. Ich hatte da überhaupt nicht mit gerechnet! Das zeigt mir, dass meine zehn Jahre bei Real eine gute Zeit waren, die nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Ich habe offenbar den Menschen in Madrid etwas hinterlassen. Das ist emotional wichtiger als jeder Titel.

„Wir haben sehr gute Spieler, die sich bis zur WM noch weiter verbessern werden“

Mit Blick auf Ihre Nachfolger im Deutschland-Trikot, die gerade einen ganz guten Lauf haben: Gibt es ein Vermächtnis, dass Sie der Mannschaft mit auf den Weg gegeben haben?

Kroos: Na ja, nicht wirklich. Ich habe immer versucht, voranzugehen und meine Auffassung von Fußball an das Team weiterzugeben. Das sind alles Profis, da kann schon jeder für sich entscheiden, was er sich abschauen will.

Ist für das Team von Julian Nagelsmann der WM-Titel 2026 drin?

Kroos: Sie sind ganz gut unterwegs! Die Euphorie, die wir bei der Europameisterschaft im eigenen Land erzeugen konnten, hat das Team in die Nations League mitgenommen. Da sind wieder große Spielfreude, Leidenschaft und Zusammenhalt zu sehen. Das ist nicht zuletzt auch Julian Nagelsmanns Verdienst.

Deutschland zählt wieder zum Kreis der Top-Teams in der Welt. Es ist aber noch zu früh, um über eine Favoritenrolle bei der WM zu sprechen.

Im vergangenen November hat auch noch keiner gedacht, dass wir eine so gute EM spielen. Aber die Voraussetzungen sind gut! Wir haben sehr gute Spieler, die sich bis zur WM noch weiter verbessern werden.

„Jetzt haben wir endlich auch mal in schöner Regelmäßigkeit das echte Familiengefühl“

Sie waren in den letzten Wochen häufiger auch in Ihrer deutschen Wahlheimat Köln zu sehen, haben Ihren Hauptwohnsitz mit der Familie aber weiterhin in Madrid. Haben Sie schon entschieden, wohin die Reise geht? Oder bleibt es erstmal dabei, zwischen Spanien und Deutschland zu pendeln?

Kroos: Der Plan für die nächsten Jahre ist ganz klar: Unser Hauptwohnsitz ist und bleibt Madrid. Es wird aber immer auch einige Phasen im Jahr geben, in den Sommerferien oder auch mal rund um Weihnachten, in denen wir in Deutschland sind.

Ich kann sagen, dass sich wirklich alle Familienmitglieder in Madrid sehr wohl fühlen. Hier gehen unsere Kinder zur Schule, sie haben hier ihre Hobbys, hier haben wir einen großen Freundeskreis. Es gibt für uns keinen Grund, das nach zehn Jahren alles aufzugeben.

Was überhaupt nicht heißt, dass wir nicht auch gerne in unserem Haus in Köln oder allgemein in Deutschland sind!

Wie muss man sich den Alltag des Familienmenschen Toni Kroos nach seinem Karriereende vorstellen? Geben Sie jetzt öfter den Hausmann, kochen, lesen den Kindern vor?

Kroos: Gefühlt arbeite ich ja gerade fast mehr als vorher ( lacht ). Das Schöne für mich und die ganze Familie ist aber, dass wir uns viel öfter sehen, weil ich viel seltener über Nacht weg sein muss.

Als Spieler von Real Madrid war man ja normalerweise drei, vier Tage pro Woche unterwegs, sei es bei Auswärtsspielen in der Liga oder in der Champions League, wo wir meistens ja relativ weit gekommen sind.

Jetzt haben wir endlich auch mal in schöner Regelmäßigkeit das echte Familiengefühl. Ich glaube, das gefällt allen ganz gut so und ich gehe niemandem auf den Keks. Ich hoffe, das wird noch lange so anhalten.

Trotzdem werde ich wohl nie so ein typischer Hausmann werden – mit all den Dingen, die da dran hängen.

„Wir waren viel näher dran am Titel, als es viele vorher vermutet haben!“

Wie tief sitzt noch der Stachel nach der EM-Viertelfinal-Niederlage gegen Spanien und dem nicht gegebenen Handelfmeter?

Kroos: Nicht mehr so tief. Ich habe zwei, drei Tage gebraucht, um das Spiel zu verarbeiten. Gar nicht so sehr den nicht gegebenen Elfmeter. Wir hatten ja genügend Möglichkeiten, das Spiel auch so zu gewinnen.

Wir waren mit den Spaniern auf Augenhöhe, es war ein 50:50-Spiel der beiden besten Mannschaften des Turniers. In so einem engen Match kann das Pendel zu beiden Seiten ausschlagen.

Ich bin in meiner Karriere zum Glück sehr oft als Sieger vom Platz gegangen. In diesem Fall war es leider anders.

Für die Fans in Deutschland und viele Experten war es das vorweggenommene EM-Endspiel…

Kroos: Gefühlt war das auch so. Im Nachhinein lässt sich sagen: Wir waren viel näher dran am Titel, als es viele vorher vermutet haben!

Drei Monate nach dem Spiel ist ja auch die Uefa zu der Erkenntnis gekommen, dass es Elfmeter hätte geben müssen. Sie haben dazu ironisch die Frage gestellt: „Darf ich mich jetzt noch Europameister nennen?“

Kroos: Ja, und damit ist eigentlich alles dazu gesagt.

Hatten Sie seitdem Kontakt zu dem spanischen Spieler Marc Cucurella, der das klare Handspiel beging?

Kroos: Nein.

Würden Sie sich gerne mal mit ihm treffen und sich über das Spiel austauschen?

Kroos: Ach nein, wegen der Szene nicht. Wie gesagt, wir hatten genügend Möglichkeiten, das Spiel auch ohne den nicht gegebenen Elfmeter zu gewinnen.

„Die Akademie ist ein Projekt, das mir unfassbar viel Spaß macht“

Sie haben Ihre eigene Fußball-Nachwuchsakademie in Madrid mitsamt dem „Toni-Kroos-Club“ gegründet. Zudem läuft aktuell Ihre eigene Hallenliga, die „Icon League“ mit Ex-Profis und Prominenten. Zeigt sich da der Ehrgeiz eines Sportlers, der schon auf dem Platz Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person war?

Kroos: Die Akademie ist ein Projekt, das mir unfassbar viel Spaß macht. Seit wir das vor anderthalb Monaten begonnen haben, stehe ich nahezu täglich mit auf dem Platz und schaue, dass wir in den Mannschaften unsere eigene Philosophie hineinbekommen und die Kids in ihrem Spiel verbessern.

Wir stellen Nachwuchsteams, die in den Madrider Ligen mitspielen. Schönes Gefühl, wenn da 220 Kinder in 16 Mannschaften in deinem Trikot rumlaufen. Das ist es, was mir große Erfüllung gibt.

Ich habe ja selbst auch diese ganzen Schritte durchlaufen. Jetzt bin ich halt der „Präsident“ (lacht) .

Ähnlich wie bei der Icon League, und na klar, auch die Icon League, ein großes Projekt, das ich mit viel Herzblut verfolge. Da hat sich schon einiges verändert: Videocalls, organisieren, planen, diskutieren...

Können Sie sich vorstellen, eine Profi-Trainerkarriere einzuschlagen – und sogar Bundestrainer zu werden?

Kroos: Aktuell nicht. Ich kann natürlich nicht sagen, ob das in zehn Jahren anders ist. Aber ich will nicht so schnell wieder in einen Rhythmus hineinkommen, den ich ganz bewusst verlassen habe: Von morgens bis abends eingebunden sein, viele Reisen, in Hotels schlafen – das ist das, was mich über die Jahre ermüdet hat.

Ich möchte nicht wieder eins zu eins in dieses Leben hineingehen. Auch wenn ich denke, dass ich für den Trainerjob ein bisschen was mitbringen würde.

Wie sieht Ihr Alltag in der Akademie gerade aus?

Kroos: Vormittags erstelle oder kontrolliere ich die Trainingspläne für die Coaches. Ich möchte schon ein Stück weit vorgeben, was trainiert wird.

Nachmittags, wenn die Kids aus der Schule kommen, wird trainiert. Dann schaue ich mir die Umsetzung auf dem Platz an.

An den Samstagen fahre ich durch Madrid und schaue mir drei, vier Spiele meiner Teams an. Früher bin ich ins Bernabèu-Stadion gefahren und habe selbst gekickt – jetzt gucke ich mir meine Jungs an.

„Da kann man nicht einfach die Tür zu machen und gehen, da möchte man helfen“

2015 haben Sie die Toni-Kroos-Stiftung gegründet – mit dem Ziel, gesundheitlich stark beeinträchtigte Kinder und Jugendliche sowie deren Familien zu unterstützen. Sie selbst sind ja Vater von drei Kindern. Wie kam es zu diesem Schritt?

Kroos: Kurz vor Weihnachten 2014 habe ich mit einigen Real-Spielern in Madrid ein Krankenhaus für schwerkranke Kinder besucht . Die Idee für die Stiftung bestand da zwar schon länger, aber nach dem Besuch in der Klinik war auch das Ziel klar.

Da stand ein Kind vor mir, das war zu der Zeit genauso alt wie mein Sohn, und hatte Krebs. Das hat mich beschäftigt. Da kann man nicht einfach die Tür zu machen und gehen, da möchte man helfen.

Es gibt dazu in der Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Hospizen ganz viele Möglichkeiten. Sei es ein Wunsch, den die Kinder haben, den die Eltern aber nicht erfüllen können. Sei es Hilfe für die Familien, um ihnen den Alltag zu erleichtern.

Egal, ob das der Umbau eines Badezimmers oder ein Treppenlift ist oder die Finanzierung von Therapien der Kids – das hilft den Kindern und Familien im Alltag. Da sind wir jetzt knapp zehn Jahre dabei und ich bin sehr stolz darauf.

Gehört das Thema noch stärker in die Öffentlichkeit?

Kroos: Ganz allgemein gesehen: Ja. Um auf Schicksale aufmerksam zu machen und um weitere Unterstützer zu gewinnen.

Es kommt aber immer darauf an, was die betroffenen Familien wollen. Viele möchten eben nicht, dass ihre Geschichte in der Öffentlichkeit breitgetreten wird. Und das ist absolut zu respektieren.

Können Sie beispielhaft ein Projekt nennen, das Sie aktuell mit Ihrer Stiftung unterstützen und das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Kroos: Auf dem Hannah Hof in Zülpich entsteht ein inklusiver, geschützter Lebensraum und Arbeitsort für beeinträchtigte Jugendliche.

Hinter diesem Projekt steckt eine sehr berührende Geschichte: die Familie Schumacher hatte den alten Bauernhof 2016 erworben, um für ihre Tochter Hannah und weitere beeinträchtigte Jugendliche diesen besonderen Ort zu schaffen, insbesondere weil solch wertvolle Orte für junge Erwachsene mit Beeinträchtigung schlichtweg fehlen.

Doch zweieinhalb Jahre später verstarb Hannah. In Gedenken an ihre Tochter hat die Familie an ihrer Vision festgehalten.

Ein Ort an dem Betroffene und ihre Familien eine Auszeit nehmen und Kraft tanken können Anfang 2025 wird der Neubau bezugsfertig sein.

Es ist bewundernswert, wie die Familie dieses Projekt aus ihrem eigenen Schicksal heraus gestemmt hat und deswegen unterstützen wir das Projekt von Herzen gerne.

„Ich komme sehr gerne nach München, um das Reh abzuholen!“

Sie erhalten für Ihre Karriere und Ihr großes soziales Engagement mit dem BAMBI 2024 den wichtigsten deutschen Medienpreis. Wie wichtig ist Ihnen diese Auszeichnung?

Kroos: Ein toller Preis mit einer überragenden Tradition! In einer Reihe mit all den Persönlichkeiten zu stehen, die schon den BAMBI erhalten haben, empfinde ich als große Ehre.

Was ich wirklich schätze, ist, dass ich nicht alleine als Fußballer, sondern auch als Mensch, dem soziale Themen wichtig sind, ausgezeichnet werde. Also: Ich komme sehr gerne nach München, um das Reh abzuholen!

Bekommt BAMBI einen Ehrenplatz in Ihrer Trophäensammlung?

Kroos: Kein Witz: Wir haben gerade erst einen Schrank dafür in unserem Wohnzimmer neu gebaut. Nicht um damit anzugeben, aber schon als Blickfang. Normale Menschen stellen da ihre Bücher rein. Da ich aber nicht so der Viel-Leser bin und meine Buch-Sammlung überschaubar ist, kann ich da den BAMBI neben den Champions-League-Pokalen stellen – er wird sich bestimmt ganz wohl fühlen.

Herr Kroos, vielen Dank für das Gespräch.

 

BAMBI wird am 7. November 2024 zum ersten Mal ab 20.15 Uhr live aus den Bavaria Filmstudios gestreamt. Medienpartner von BAMBI ist Prime Video. Noch kein Amazon Prime Video Kunde? Hier 30 Tage kostenlos testen – anschließend für 8,99 Euro/Monat oder für 89,90 Euro/Jahr streamen.