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Ex-Teilnehmerin kritisiert GNTM: "Ich bin fast daran gestorben"

Seit 18 Jahren wählt Heidi Klum "Germany’s Next Topmodel" – und bereits seit 18 Jahren steht die Modelmama mit ihrer Castingshow in der Kritik. Schwere Vorwürfe gab es erst kürzlich von Ex-Teilnehmerin Lijana Kaggwa, aber auch Ex-Juror und Model-Agent Peyman Amin fällt ein vernichtendes Urteil. In dem ZDF-Format 13 Fragen stellen sich beide nun den Fragen des Redaktionsteams und machen auf die Missstände hinter der Kamera aufmerksam. Das sind die fünf größten Kritikpunkte an der Show.

Für die Castingshow
Für die Castingshow "Germany's next Topmodel" wird Heidi Klum seit Längerem kritisiert (Bild: ddp/Sascha Schürmann)

2020 stand Lijana Kaggwa im Finale von "Germany's Next Topmodel", doch sie schied freiwillig aufgrund von Cybermobbing aus. Seitdem erhebt die ehemalige Kandidatin schwere Vorwürfe gegen die Show und gegen ihre einstige Chefin Heidi Klum. Manipulation soll es gegeben haben, schildert sie. Und auch Polizeischutz, unter den sie gestellt wurde, weil sie während der Ausstrahlung der Sendung Morddrohungen und Hasskommentare bekam.

Darüber, wie Cybermobbing Menschen und die Gesellschaft zerstört, spricht sie auch in ihrem Buch "Du verdienst den Tod", das am 3. April erscheint. Nathalie Volk, ebenfalls Ex-GNTM-Teilnehmerin, gibt Kaggwa Recht und unterschreibt, was sie sagt: "Ich habe mich nie dazu geäußert, diese Sendung ist genauso falsch wie die angebliche Model-Mama und sollte schon lange abgesetzt werden."

Sie packt aus: Lijana Kaggwa schießt erneut gegen GNTM

Lijana Kaggwa beim Fotocall zur Vorstellung der GNTM-Finalistinnen (Bild: ddp/Steffens)
Lijana Kaggwa beim Fotocall zur Vorstellung der GNTM-Finalistinnen (Bild: ddp/Steffens)

Der Sender bestreitet die Behauptungen, Heidi Klum dagegen äußerte sich erstmals zu den Vorwürfen in der ersten Folge der aktuellen Staffel von "Germany's Next Topmodel". In einem über zehn Minuten langen Statement bezog die GNTM-Jurorin erstmals Stellung, "nachdem ich mir so viele Sachen anhören musste." Alles sei echt und keinem Skript folgend. "Wir sind nun mal eine Reality-Sendung und wir zeigen genau das, was passiert“, erklärte Heidi Klum.

Heidi reicht's - Klums Verteidigungsrede

Kritik gibt es auch von Ex-Juror Peyman Amin

Doch auch Peyman Amin, Modelagent, der selbst von 2006 bis 2009 GNTM-Juror war, hält nicht viel von der Casting-Show. "Die Qualität der Sendung ist tief gesunken“, sagte er gegenüber T-online. Die Realität in der Modelbranche spiegele GNTM in keiner Weise wider. "Es ist absolut realitätsfremd“, so Amin.

Peyman Amin war lange Zeit selbst ein Juror von
Peyman Amin war lange Zeit selbst ein Juror von "Germany's Next Topmodel" (Bild: Tristar Media/WireImage)

Nun äußerte sich der Casting-Agent im ZDF-Format 13 Fragen, in dem auch Lijana Kaggwa zu Wort kommt. Darin geht es nicht nur um GNTM, sondern um Schönheitswettbewerbe im Allgemeinen. Sind diese wirklich so oberflächlich und sexistisch, wie immer behauptet wird?

In der Sendung verrät Peyman Amin, dass er nur Juror bei GTNM wurde, weil er damals Heidi Klums Manager war. Bis zu der Zeit, bis er da mitgemacht hat, hätte es keine solchen Formate gegeben. Es seien mit der Zeit aber immer mehr Meldungen gekommen, die auf Missstände in der Sendung hingewiesen haben. "Ich bin ehrlich: Ich bin froh, dass ich jetzt aus diesem Format raus bin", sagt Peyman Amin bei 13 Fragen.

Amin: "Es tut mir leid, dass ich dabei war"

"Es tut tatsächlich auch weh, zu erfahren, mit welchen Erlebnissen junge Mädchen wie du da rauskommen", sagte der Model-Agent zu Lijana Kaggwa. "Ich möchte mich nicht dafür entschuldigen, weil ich nicht der Sender bin. Ich bin auch nicht Heidi Klum. Das Einzige, wofür ich mich entschuldigen kann, ist, dass ich einmal Teil des Formats war. Es tut mir leid, dass ich dabei war."

Man könne sich nur dafür einsetzen, dass es in Zukunft anders läuft. Er selbst habe eine Modelagentur. "In meiner Modelagentur tickt die Uhr anders. Es wird auf die Risiken hingewiesen. Ich rate auch den Models davon ab, bei diesen Formaten mitzumachen. Ich bin froh, dass hier eine Plattform dafür geboten wird, dass ich auch meine Meinung kundtun kann."

In der Sendung kritisiert wurden vor allem folgende Punkte:

1. GNTM – und viele andere Schönheitswettbewerbe – sind veraltet

"Im Grunde sind es super veraltete Strukturen, die vielleicht vor 15 oder 20 Jahren so funktioniert haben, aber für unsere heutige Gesellschaft nicht mehr funktionieren", behauptet Lijana Kaggwa. Nicht nur die Modelbranche habe sich verändert, sondern auch die Gesellschaft. "Wir wollen alle Menschen sehen." Misswahlen sollten ihrer Meinung ein Ende haben, weil "dieses Land divers werden muss." Divers bedeute Unterschiede zu akzeptieren und anzuerkennen, und das "schaffen Misswahlen leider immer noch nicht". "Schönheitswettbewerbe sind nicht mehr zeitgemäß“, sagt auch Youtuberin Kayla Shyx.

2. GNTM-Teilnehmerinnen werden geframed

"Der psychische Druck, dem man dort ausgesetzt ist, das, was rausgeschnitten wird, wie man im Schnitt geframed wird, das sagt dir niemand und das weiß man auch nicht“, so Kayla Shyx. Ihrer Meinung nach sollte Schönheit sowieso nicht offiziell bewertet werden, weil sie subjektiv sei.

3. GNTM-Kandidatinnen werden nicht aufgeklärt

"Wer jetzt bei GNTM mitmacht, weiß, was auf ihn zukommt“, meint Peyman Amin. Ein Format wie "Germany’s Next Topmodel“ habe dennoch die Legitimation fortgeführt zu werden, "weil es am Ende des Tages eine Win-Win-Situation ist.“ "Der Sender bekommt natürlich Einschaltquoten, Heidi Klum wird noch reicher, aber auch die Models kommen groß raus“, so Amin. "Ob sie als Influencer erfolgreich sind, als TV-Presenter oder auch als Model, es ist eine Win-Win-Situation.“

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Dieser Behauptung von Peyman Amin muss Lijana Kaggwa jedoch widersprechen. "Der Sender und die Show an sich haben leider nichts dafür getan, dass das auch wirklich sichtbar ist für junge Frauen.“ Nur dank Aufklärungs-Videos wie ihren würden junge Mädchen auf die Missstände bei GNTM aufmerksam gemacht werden.

Bei den Misswahlen gehe es immerhin noch um Bühnenpräsenz und Talent, doch "bei GTNM fehlt mir der Bezug zu Talent fast gänzlich". Doch wieso habe sie dann überhaupt bei solch einer Show mitgemacht, will Moderatorin Salwa Houmsi wissen? Vieles erfahre man erst, wenn man dort sei, vor Ort, erklärt Kaggwa. Es sei keine Glamour- und Glanzwelt 24/7, die sich junge Mädchen vor dem Fernseher vielleicht erhoffen. "Da gehört nicht nur unglaublich viel harte Arbeit, sondern auch Stress und Druck dazu."

Man würde sich selbst außerdem ständig mit anderen vergleichen und sich selbst nicht genug wertschätzen, weil man die ganze Zeit das Gefühl habe, man sei nicht genug. Das alles konnte sie aber vor ihrer Teilnahme an GNTM nicht sehen.

4. GNTM nutzt Diversity für die Einschaltquoten

Peyman Amin findet, dass man Schönheitswettbewerbe von politischen Events trennen sollte. Es werde aber dennoch vermischt, um es besser zu kapitalisieren. "Es geht darum, dass man Dinge schöner darstellt, wenn man ernste Themen mit der oberflächlichen Schönheit zusammenbringt.“ Es gehe auch darum, ein Format besser zu verkaufen. Man frage sich: "Wie kriege ich mehr Quote?“

Da gehöre heutzutage natürlich auch Diversity dazu. "Die Menschen da draußen wollen mehr Diversity, weil das ein aktuelles Thema ist.“ Natürlich setze auch eine Heidi Klum auf das Thema und schaue, das in der Sendung umzusetzen. Auf Diversity zu setzen, habe etwas mit Vermarktung zu tun. "Das ist eine etwas hippokratische Art und Weise, das Thema anzugehen.“

5. GNTM: Rassismus und Cybermobbing werden geduldet

Lijana Kaggwa habe eher ein Problem damit, dass Menschen mit Migrationshintergrund als aggressiv dargestellt werden. Das sei in drei Staffeln hintereinander der Fall gewesen. Sie selbst sei als aggressive Zicke dargestellt worden. Sind die jungen Menschen also zu naiv? "Nein, ihnen wird eine Welt verkauft, die es so nicht gibt. Die werden einfach nicht aufgeklärt. Da sind hunderte Leute, die so medienerfahren sind und einfach wissen, wie der Hase läuft. Aber woher sollen das die Jungen denn wissen?“

"Germany's next Topmodel": Gleich vier Models müssen gehen

Das Thema Cybermobbing sei nicht mal besprochen worden. "Wie kann das sein?“, fragt Kaggwa. "Warum werden wir nicht darauf vorbereitet, was passieren kann?“ Das grundsätzliche Problem sei, dass die Frauen, die bei solchen Formaten mitmachen und nicht gewinnen, einen Fehler bei sich suchen würden. "Da sitzt eine Jury, die dir das Gefühl gibt, du gewinnst nicht, weil etwas mit dir nicht stimmt. Ich glaube, es gibt sehr viele Orte, die etwas weniger toxisch sind, in denen man sein eigenes Selbstbewusstsein finden kann", findet Kayla Shyx.

Lijana Kaggwa kann das bestätigen. "Ich bin fast daran gestorben. Ich bin schwer depressiv und suizidal geworden“, sagt sie. Bei Dingen, die so veraltet sind wie GNTM, könne man auch einfach einen Schlussstrich daruntersetzen, so Shyx. "Man könnte diese Sendezeit für etwas anderes nutzen.“ Doch die Einschaltquoten sprechen für sich, findet Peyman Amin und ist sich sicher: "Solange es eine Heidi gibt, wird es auch noch ein 'Germany's Next Topmodel" geben.

Anmerkung der Redaktion: Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.

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