Exodus: 70.000 Karabach-Armenier auf der Flucht
Die Regierung der international nicht anerkannten Republik Arzach in Berg-Karabach hat nach der Niederlage gegen Aserbaidschan die Auflösung aller ihrer Behörden bis zum Jahresende beschlossen. Die Hälfte der Armenier in Berg-Karabach ist nach Armenien geflohen.
Bis Donnerstagmittag registrierten die Behörden in Eriwan gut 68.400 Zwangsumgesiedelte.
Eine geflohene Frau aus Berg-Karabach sagt: "Es tut so weh. Was soll ich sonst sagen? Wir sind in Berg-Karabach geboren und aufgewachsen. Jetzt ist es nur noch Staub und Asche. Unser Leben, so wie es war, ist ausgelöscht."
Und ein Mann meint: "Ein Karabach-Armenier kann nicht unter dem Joch Aserbaidschans leben. Zuvor verteidigte uns Armenien. Wir fühlten uns sicher in Berg-Karabach und lebten dort als Armenier."
Das aserbaidschanische Militär, das den Korridor zuvor monatelang blockiert und somit eine humanitäre Katastrophe in Berg-Karabach provoziert hatte, hat die Trasse für die Ausreise der Armenier geöffnet.
Die aserbaidschanischen Behörden haben neue Bilder des ehemaligen Chefs der Regierung in Berg-Karabach Ruban Wardanjan veröffentlicht, der beim Versuch, die Grenze zu überqueren, festgenommen wurde. Sie beschuldigen ihn, Terrorismus finanziert und eine illegale Armee aufgebaut zu haben.
Zu denen, die nach Armenien gebracht werden, gehören Menschen, die bei der Explosion eines Treibstoffdepots am Montag verletzt wurden, bei der 68 Menschen ums Leben kamen. Russische Friedenstruppen sagen, dass die letzten Überlebenden ausgeflogen wurden.
Die Region ist seit Jahrzehnten zwischen den Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten. In den 1990er Jahren konnte sich das auf aserbaidschanischem Gebiet liegende, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach mithilfe Eriwans in einem blutigen Bürgerkrieg von Baku loslösen. Die Revanche gelang dem mit Öl- und Gaseinnahmen hochgerüsteten und autoritär geführten Aserbaidschan 2020, als es große Teile Berg-Karabachs zurückeroberte.
Auch der anschließend geschlossene und eigentlich von russischen Truppen zu überwachende Waffenstillstand erwies sich als brüchig.
Nach kurzen heftigen Angriffen in der vergangenen Woche konnte Aserbaischan schließlich die Kapitulation der Regierung in Berg-Karabach erzwingen und das Gebiet vollständig erobern.
Experten erwarten, dass praktisch alle in Berg-Karabach lebenden Armenier die Region verlassen. Offiziellen Angaben zufolge waren das zuletzt 120.000 Menschen.