Experte Matthias Ballweg - Der große Ampel-Plan, wie Recycling jetzt zur Regel werden soll

Recycling-Hof von oben: Die Bundesregierung will die Wiederverwendung von Rohstoffen stärker in den Mittelpunkt stellen<span class="copyright">Bim/Getty Images</span>
Recycling-Hof von oben: Die Bundesregierung will die Wiederverwendung von Rohstoffen stärker in den Mittelpunkt stellenBim/Getty Images

Die Bundesregierung wagt einen revolutionären Schritt zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Dabei stehen vor allem Baustoffe und die Erhaltung von Gebäuden anstatt deren Abriss im Fokus. Doch gegen den Ampel-Plan regt sich auch Widerstand, schreibt Experte Matthias Ballweg.

Eine wichtige Nachricht, die in dem Trubel der Fußball-EM letzte Woche untergegangen ist: Das Bundesumweltministerium legte - endlich - einen Entwurf für die sogenannte Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) vor. Die Strategie soll im Herbst vom Kabinett beschlossen werden. Der Prozess bis hierher war langwierig - das Bundesumweltministerium hat sich große Mühe gegeben, schon in der Erarbeitung des Entwurfs die verschiedenen Akteure der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft aktiv einzubinden.

Wer hier investiert, verdient Geld

Aber warum braucht es so eine Strategie eigentlich? Das geringe öffentliche Interesse steht in diametralem Gegensatz zur Bedeutung, die dieser Schritt hat. Die Ziele darin mögen erstmal langweilig klingen: Der Verbrauch von Rohmaterial - in der Regel im globalen Süden aus dem Boden gegraben und in China aufbereitet - soll sich pro Kopf halbieren von 16 auf 8 Tonnen pro Jahr. Gleichzeitig soll der Einsatz von Sekundärrohstoffen, also zum Beispiel recyceltem Material, stark steigen.

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Beides ist aus zwei Gründen enorm wichtig:

  1. Wachsende Branche: Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy) ist das Wachstumsfeld schlechthin. Die Start-up-Branche - traditionell ein Frühindikator für zukünftige Wertschöpfung - in dem Bereich boomt. Während das Risikokapital letztes Jahr insgesamt stark geschrumpft ist, hält der Investment-Trend in Start-Ups in der Kreiswirtschaft an und wächst seit mehr zehn Jahren mit durchschnittlich mehr als 30 Prozent im Jahr. Wer in dieses Themenfeld investiert, verdient gutes Geld.

  2. Unabhängigkeit von China: Kreislaufwirtschaft ist außerdem essentiell für eine selbstbewusste internationale Aufstellung Deutschlands. Deutschland ist aktuell in seiner wirtschaftlichen Prosperität vollständig abhängig von diktatorisch geführten Drittstaaten außerhalb Europas. Die schrittweise Entkopplung davon bei gleichzeitiger Erhöhung der Profitabilität der Geschäftsmodelle ist ein zentraler Baustein, um den Erfolg unserer Wirtschaft in den kommenden 30er-Jahren zu garantieren.

Ein Punkt wird lieber verschwiegen

Die konkreten Ideen, welche die Strategie im aktuellen Entwurf benennt, sind zukunftsweisend - zum Beispiel das Ende der Abfalleigenschaft für Baustoffe oder der Vorrang von Gebäudeerhalt vor Abriss. Welche konkreten Gesetze die Bundesregierung dazu auf den Weg bringen sollte, bleibt aber offen. Vermutlich um der Frage aus dem Weg zu gehen, welche Akteure durch diesen Schritt mit Einschränkungen rechnen müssten. Denn eine Transformation geht immer damit einher, dass klassische Modelle in ihrer Rentabilität eingebremst werden, während man zukunftsträchtige Modelle fördert.

Mit der gleichen Logik verzichtet das Papier auch auf jegliche Forderungen nach einem Stopp von Subventionen für klimaschädliche oder ressourcenintensive Geschäftsmodelle. Dass Subventionen von tradierten Geschäftsmodellen zu zukunftssicheren Geschäftsmodellen verschoben werden müssen, ist klar. Aber das Ministerium beschreitet einen gewagten Balanceakt, indem es diesen Punkt verschweigt und damit versucht, in dieser Phase möglichst wenig Ablehnung für die Strategie zu erzeugen.

Bald wieder in den Schlagzeilen

Ob das auf Dauer gut geht, wird sich zeigen. Eine gute Strategie zeichnet sich immer auch dadurch aus, dass sie nicht nur deutlich macht, was man machen sollte, sondern auch klar benennt, was man nicht machen sollte. Und das wird spätestens in der Umsetzung deutlich werden, denn ohne dieses „Weglassen“ sind die Ziele der NKWS nicht erreichbar.

Und dann werden es die Themen aus der Kreislaufwirtschaftsstrategie auch wieder in die Schlagzeilen schaffen. Denn still und heimlich wird sich zum Beispiel die Kunststoffindustrie nicht ihre Steuerprivilegien absägen lassen.