Experte René Braun - Deutschland gibt Milliarden aus, um seine Klimaziele zu sabotieren

Autos, Lastwagen und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm in der Hauptstadt stadteinwärts. «Wenn wir schnell und entschlossen handeln, kann der Verkehrssektor bis 2045 klimaneutral werden», sagte die stellvertretende Direktorin der Agora Verkehrswende, Wiebke Zimmer.<span class="copyright">Michael Kappeler/dpa</span>
Autos, Lastwagen und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm in der Hauptstadt stadteinwärts. «Wenn wir schnell und entschlossen handeln, kann der Verkehrssektor bis 2045 klimaneutral werden», sagte die stellvertretende Direktorin der Agora Verkehrswende, Wiebke Zimmer.Michael Kappeler/dpa

Wird unsere Zukunft buchstäblich verbrannt? Eine neue Studie verdeutlicht die Diskrepanz zwischen den angestrebten Klimazielen und der Realität in Deutschland. Der Gründer und Fachmann Rene Braun erläutert, warum unsere Steuergelder zur Erhöhung von CO2-Emissionen beitragen und wie dies verbessert werden kann.

Dass die Ampel-Koalition vor großen Herausforderungen steht, ist kein Geheimnis. Aber wie weit Versprechen und Wirklichkeit in manchen Bereichen auseinanderklaffen, zeigt eine aktuelle Studie.

Angetreten ist die aktuelle Regierung mit dem Ziel, den Abbau klimaschädlicher Subventionen voranzutreiben und damit gleichermaßen die Staatskasse sowie das Klima zu entlasten. So wurde es als eines der zentralen Vorhaben im Koalitionsvertrag festgehalten. Hierfür wurde die Koalition 2021 unter anderem von 57 Prozent der Deutschen gewählt, wenn man die Stimmen von SPD, Grünen und FDP zusammennimmt.

Deutschland gibt Milliarden aus, um seine Klimaziele zu sabotieren

Um auf einer aussagefähigen Datengrundlage zu überprüfen, welche Subventionen sich besonders schädlich auf das Klima auswirken und wie kostenintensiv diese sind, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) verschiedene renommierte Forschungsinstitute beauftragt (unter anderem das Fraunhofer-Institut und das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg). Die Ergebnisse liegen bereits seit November letzten Jahres vor, wurden aber erst kürzlich veröffentlicht.

Die Vermutung liegt nahe, dass dies aus taktischen Gründen getan wurde. Denn was bei der Untersuchung herausgekommen ist, rüttelt auf. Vor allem im Verkehrssektor existieren noch immer viele Subventionen, die hohe CO2-Emissionen verursachen und damit dem Klima schaden. Im Vergleich dazu sind die Investitionen in eine gelungene Verkehrswende nicht hoch genug. Von einer Erfüllung des Versprechens ist die Ampel-Koalition derzeit weit entfernt.

Milliarden-Subventionen fördern CO2-Emissionen

Untersucht wurden Subventionen der Sektoren Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft im Jahr 2020. Insgesamt übersteigt die Summe der Subventionen und Investitionen in emissionssteigernde Maßnahmen die der emissionsmindernden Maßnahmen. Vor allem der Verkehrssektor fällt ins Gewicht. In diesem Sektor sind 24,8 Milliarden Euro und damit knapp 70% der sich schädlich auf das Klima auswirkenden staatlichen Begünstigungen erfasst worden.

Unter die Subventionen fallen Maßnahmen wie die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff, die Entfernungspauschale und die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen. Für die Landwirtschaft wurden 4,7 Milliarden an klimaschädlichen Subventionen erfasst, danach folgen die Industrie mit 4,1 und Energiewirtschaft mit 2,1 Milliarden Euro. Beunruhigend ist auch, dass diese Zahlen in anderen Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit noch höher ausgefallen wären. Immerhin war 2020 die Wirtschafts- und Reisetätigkeit durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt.

Die Klimaziele rücken in weite Ferne

Der Verkehrssektor trägt damit entscheidend dazu bei, dass Deutschland sein Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken, verfehlen wird. Die Forschungsorganisation Climate Action Tracker (CAT) hat das ebenfalls erst kürzlich bestätigt und malte ein düsteres Bild für die Zeit ab 2030: Wenn wir im Verkehrssektor nicht besser werden, drohen sogar Fahrverbote.

Deutschland in der EU: Strafzahlungen in Milliardenhöhe statt Vorreiterrolle

Besonders bitter ist, dass die Verfehlung der Klimaziele uns bis 2030 schon viele Milliarden kosten wird. Grund dafür ist die europäische Einigung auf Ausgleichszahlungen an Länder, die ihre Ziele erreichen. Das werden laut einer aktuellen Studie der NGO Transport & Environment voraussichtlich Spanien, Griechenland und Polen sein. Für Vorreiter Spanien würde das laut Prognose bedeuten, zehn Milliarden Euro von anderen europäischen Ländern einzunehmen. Für Länder wie Frankreich und die Niederlande scheint es laut Studie knapp zu reichen. Schlusslicht sind wir Deutschen mit der errechneten größten Klimaschutzlücke von 10 Prozent. Wenn das so eintrifft, kommen Ausgleichszahlungen für Zertifikate in Höhe von ca. 16 Milliarden Euro auf uns zu.

Wenn wir die klimaschädlichen Subventionen nicht streichen, zahlen wir am Ende doppelt

Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene Studie zeigt klar an, bei welchen staatlichen Begünstigungen gekürzt werden könnte, damit wir nicht später doppelt zahlen. Im Verkehrssektor sind das unter anderem die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff (25,7 Millionen Tonnen) und das Dienstwagen-Privileg (7,9 Millionen Tonnen).

Das Umweltbundesamt, das unter dem von den Grünen geführten Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz steht, sieht in der Pauschalbesteuerung für Dienstwagen schon lange eine umweltschädliche Subvention . Problematisch ist vor allem, dass durch die steuerlichen Vergünstigungen der Umstieg auf alternative Verkehrsmittel wenig attraktiv bleibt. Auch die Wirtschaftsweisen haben sich bereits gegen das Privileg ausgesprochen und empfehlen die verwendeten Mittel lieber in den Ausbau des Nahverkehrs oder die Senkung der Ticketpreise zu investieren.

„Lindners Mobilitätsbudget“ lässt hoffen

Neben der Verschiebung der Subventionen zugunsten von öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es außerdem moderne Konzepte, wie das Mobilitätsbudget, um die Verkehrswende voranzubringen. Der im April veröffentlichte Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 zeigt da in die richtige Richtung: In dem von der FDP geführten Bundesministerium für Finanzen verfassten Vorschlag ist ein Steuervorteil für das Mobilitätsbudget von jährlich bis zu 2400 Euro vorgesehen.

Eine ähnliche Entscheidung bezüglich der Nutzung von Dienstfahrrädern hat 2019 einen Boom ausgelöst. Damals wurde das Firmenrad steuerlich der Nutzung eines Dienstwagens angeglichen. Seitdem gibt es fast keinen Dax-Konzern mehr ohne Fahrrad. Dieses Jahr folgte mit den Plänen zur Einführung eines Mobilitätsbudgets ein steuerlicher Anreiz, um das Mobilitätsangebot für Mitarbeitende weiter auszubauen.

Für eine sozialgerechte Verkehrswende brauchen wir die steuerliche Gleichstellung

Damit klimafreundliches Verhalten begünstigt wird, sollte der neue Steuervorteil aber eins zu eins mit dem Dienstwagen harmonisiert werden. Das würde die Mobilitätsoptionen endlich gleichstellen und auch sozial für einen stärkeren Ausgleich sorgen. Denn nur fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben Zugang zu einem privat nutzbaren Dienstwagen, und diese Gruppe ist überdurchschnittlich wohlhabend und überwiegend männlich . Dadurch werden ohnehin bereits privilegierte Personen weiter begünstigt.

Warum also ist das Dienstwagenprivileg nicht schon längst abgeschafft?

Die Mehrheit (rund 60 Prozent) der jährlich etwa 2,6 Millionen in Deutschland zugelassenen Neuwagen entfällt auf die gewerbliche Nutzung. Das stellt die Politik vor ein großes Dilemma, denn Dienstwagen sind somit eines der Hauptwege, wie die Automobilindustrie in diesem Segment ihre Verkaufszahlen stabil hält. Mit der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs würde genau das Gegenteil passieren: Die Zahl der Neufahrzeuge würde zurückgehen, damit die Produktion, damit die Zahl der Arbeitsplätze und das macht sich in keiner Legislaturperiode und schon gar nicht im Wahlkampf gut.

Die Lösung: Ja zum Dienstwagen, aber elektrisch

Dienstwagen soll es also weiterhin geben, aber muss das ein Verbrenner sein? Klare Antwort: Nein. Um Arbeitsplätze zu schützen, aber auch den Ansprüchen an die Klimaziele gerecht zu werden, wäre es sinnvoll, den Steuervorteil auf elektrische Autos einzuschränken. Außerdem hätten so auch Menschen, die sich aus infrastrukturellen Gründen nicht für eine nachhaltige Mobiliätsoption, wie Sharing oder ÖPNV entscheiden können, die Möglichkeit zu Verkehrswendemachern zu werden.

Weitere Vorteile: Durchbruch im Massenmarkt und Schutz vor der Konkurrenz aus China

Genauso wie die aktuelle Dienstwagenbesteuerung noch immer die Anschaffung großer, klimaschädlicher Fahrzeuge fördert, könnte die Neuausrichtung uns auch im Hinblick auf die Konkurrenz aus China wirtschaftlich stärken. Damit die deutschen Autobauer zukunftsfähig bleiben und um Arbeitsplätze zu erhalten, müssen wir aufhören, den Verbrenner zu verteidigen und uns stattdessen voll auf E-Fahrzeuge konzentrieren. Durch das Ende der Förderprämie Ende 2023 passiert aber genau das Gegenteil. Hinzu kommt, dass niemand der Erste sein möchte, ein Auto mit geringer Batterieleistung und Reichweite zu fahren. Wenn die Anreize fehlen, wird sich daran so schnell nichts ändern. Deshalb ist eine steuerliche Nachjustierung dringend notwendig.

Verkehrswende mit Wahlfreiheit und Klimaschutz

Jede Person hat ein Recht darauf, auf dem Land ein Auto zu fahren und in der Stadt darauf zu verzichten. Das sollte sich auch in der politischen Gesetzgebung widerspiegeln. Eine steuerliche Gleichstellung des Mobilitätsbudgets zum Dienstwagen würde genau das leisten. Setzt man beim Dienstwagen voll auf elektrisch und schafft das Steuerprivileg für den Verbrenner ab, ist das gut für Klima und Wirtschaft, aber einschränken muss sich niemand.