Experten uneinig - Sind Zurückweisungen erlaubt? So umstritten ist die Frage unter Juristen
Seit Tagen diskutiert die Bundesrepublik über den Umgang mit Migranten an deutschen Grenzen und die Frage, ob Zurückweisungen überhaupt möglich sind. Unter Juristen gehen die Meinungen dazu weit auseinander.
Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht und Jura-Professor Peter Huber sieht belastbare Gründe, die dafür sprechen. „Zurückweisungen an der deutschen Grenze sind möglich, da die Bundesrepublik von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Dementsprechend droht keinem Schutzsuchenden politische Verfolgung“, sagte Huber im Gespräch mit FOCUS.
Es gebe in allen europäischen Ländern das Recht auf ein ordentliches Asylverfahren. „Das Unionsrecht vermittelt kein Recht darauf, sich das Land auszusuchen, in dem man Schutz erhält.“ Auch sei die Integrationsfähigkeit des Landes überschritten. „Wenn Terroranschläge drohen, Kitas und Schulen überlastet sind, das Land überfordert ist, kann die Bundesregierung auch aufgrund von Art. 72 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) zurückweisen.“
Fachanwalt: „Ich bezweifle stark, dass die geplanten Zurückweisungen vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten werden“
In anderen europäischen Ländern seien Zurückweisungen bereits gängige Praxis. „Frankreich weist Menschen bereits seit Jahren zurück, Österreich hat es ebenfalls getan. Soweit der Europäische Gerichtshof dies beanstandet hat, betraf es die konkrete Ausgestaltung, nicht die Zurückweisung als solche.“
Der Fachanwalt für Migrationsrecht Martin Manzel ist skeptisch. „Ich bezweifle stark, dass die geplanten Zurückweisungen vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten werden. Denn Zurückweisungen können auch die Menschenwürde tangieren, wenn die Menschen dabei zu reinen Verfahrensobjekten degradiert werden. Und die Würde des Menschen ist bekanntermaßen unantastbar“, so Manzel.
Der Völkerrechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz vertritt wie auch andere Juristen die Auffassung, dass nach der Dublin-Verordnung keine Zurückweisungen erlaubt sind. Unter anderem liege es daran, dass Grenzkontrollen nicht gleichsam auf der Grenzlinie stattfinden: „Faktisch ist das meist irgendwo mehrere Meter hinter der Grenze.“ Zudem müsse ein kurzes Verfahren durchgeführt werden, mit erkennungsdienstlicher Behandlung und Befragung.