Für bis zu 3,2 Milliarden Euro - Steuergeld für Kreuzfahrtschiffe: Warum die Bundesregierung die Meyer-Werft rettet

Bei der kriselnden Meyer Werft scheint eine Lösung in Sicht - Bundeskanzler Scholz will zu den Beschäftigten sprechen. (Archivfoto)<span class="copyright">Lars Penning/dpa</span>
Bei der kriselnden Meyer Werft scheint eine Lösung in Sicht - Bundeskanzler Scholz will zu den Beschäftigten sprechen. (Archivfoto)Lars Penning/dpa

Die kriselnde Meyer-Werft in Papenburg bekommt von der Bundesregierung 400 Millionen Euro direkt und 2,8 Milliarden Euro in Bürgschaften, damit sie nicht insolvent geht. Die Rettungsaktion ergibt Sinn – und könnte sogar Geld einbringen.

Wenn der Bundeskanzler persönlich zu einer Betriebsversammlung bei Ihren Unternehmen kommt und dort nicht gerade das 100-jährige Jubiläum gefeiert wird, dann kann das selten einen guten Grund haben. Bei der Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg war Olaf Scholz (SPD) denn auch nur am gestrigen Donnerstag zu Gast, weil das Unternehmen in einer schweren Krise steckt. Ohne eine augenblickliche Geldspritze stehen das Geschäft und damit rund 3300 Arbeitsplätze vor dem Aus. Doch der Kanzler brachte gute Nachrichten mit. Der Bund werde einspringen und die in der Krise steckende Werft retten. Das steckt dahinter.

Warum steckt die Meyer-Werft in der Krise?

Die Meyer-Werft wurde bereits 1795 von Willm Rolf Meyer gegründet und wird von seinen Nachkommen heute in der siebten Generation geleitet. Von einst 20 Werften in Papenburg nahe der Mündung der Ems in die Nordsee ist sie die Einzige, die bis heute überlebt hat. Zwar hat die Werft in ihrer Geschichte auch Fischdampfer, Feuerwehrschiffe, Containerschiffe und Tanker hergestellt, das Hauptaugenmerk liegt aber seit jeher auf Passagierschiffen. Seit den 1980er Jahren bedeutet das hauptsächlich große Kreuzfahrtschiffe.

Die Konzentration auf diesen lukrativen Markt wurde ab 2020 plötzlich zum Problem. Mit dem unvorhergesehenen Ausbruch der Corona-Pandemie brach der Markt für Kreuzfahrten ein. Die Aktienkurse von Kreuzfahrtbetreibern wie Carnival Cruises##chartIcon brachen um mehr als 80 Prozent ein und haben sich vielfach bis heute nicht erholt. Für die Meyer-Werft bedeutete das, dass keine neuen Aufträge mehr hereinkamen. Vergangenes Jahr war das Auftragsbuch erstmals leer. Kurzarbeit und sogar eine vorübergehende Schließung des Betriebes waren in dieser Zeit notwendig. Zudem traf die Energiekrise 2022 die Werft hart.

Mittlerweile hat die Meyer-Werft wieder genug Aufträge. Erst vor kurzem bestellte die Disney##chartIcon Cruise Line vier Kreuzfahrtschiffe, was nach Werft-Angaben der größte Auftrag der Firmengeschichte ist. Doch bezahlt werden die größtenteils erst bei Auslieferung an Disney, was für 2027 geplant ist. Den Bau muss die Werft bis dahin selbst finanzieren. Das geschieht üblicherweise über Kredite, doch weil die Finanzen in den Corona-Jahren so geschwächt wurden, leihen Banken der Werft kein Geld mehr.

Dabei würde die Werft mit all ihren aktuellen Aufträgen in den kommenden Jahren mindestens 11 Milliarden Euro einnehmen. Mehr als genug, um die Finanzierung zu bezahlen. Neben den Disney-Schiffen stehen noch sechs weitere Kreuzfahrtschiffe, ein Forschungsschiff und vier Offshore-Konverterplattformen – das sind quasi Umspannwerke auf See – in der Pipeline.

Wie hilft der Bund jetzt?

Die Politik will der Meyer-Werft auf zwei Arten helfen. Erstens soll das Eigenkapital um 400 Millionen Euro erhöht werden. Das bedeutet nichts anderes, als das der Bund und das Land Niedersachsen bis zu 90 Prozent der Anteile an dem Unternehmen aufkaufen. Die Werft würde dazu zu einem Staatskonzern und künftig auch von staatlich bestellten Managern geleitet. Die Meyer-Familie erhält nur einen Sitz im neuen Aufsichtsrat und hat das Recht, die Anteile vom Staat ab 2027 wieder zurückzukaufen. Das könnte etwa mit den Einnahmen aus den Disney-Aufträgen geschehen. Bund und Land wollen dafür aber Zinsen haben.

Sie verhandeln derzeit mit der Meyer-Familie noch die Details über die Höhe dieses Aufschlags und die tatsächliche Summe des Deals. Das neue Eigenkapital würde es der Werft ermöglichen, den Bau der Schiffe und Plattformen teilweise zu finanzieren.

Für den größeren Teil der Finanzierung braucht die Werft aber weiter Kredite. Da die Sicherheiten des Unternehmens dafür nicht mehr ausreichen, springen Bund und Land mit Bürgschaften ein. Sie garantieren den Banken gegenüber, dass sie Kreditausfälle von bis zu 2,8 Milliarden Euro bis 2027 übernehmen, falls die Werft ihre Raten nicht mehr bezahlen kann. Hier fließt also erst einmal kein Geld. Die Sicherheit der Bürgschaften soll dann ausreichen, damit Banken der Werft das nötige Geld für die Fertigstellung der Schiffe und Plattformen leihen. Auch hier müssen die genauen Details mit den Banken noch ausgehandelt werden, an der Größenordnung an sich dürfte sich aber wenig ändern.

Warum rettet der Staat die Meyer-Werft?

Olaf Scholz und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (ebenfalls SPD) sehen die Meyer-Werft als systemrelevant für die maritime Industrie in Deutschland an. Zudem hängen an der Werft nicht nur die 3300 direkten Arbeitsplätze des Unternehmens, sondern rund 18.000 in der Region, wenn man etwa Zulieferer miteinbezieht. Diese seien durch die Rettungsaktion bis nach 2030 gesichert, sagt Weil.

Doch die Politiker verlassen sich dabei nicht allein auf ihr Gefühl. Ein Gutachten, das erst in der vergangenen Woche präsentiert wurde, attestiert der Werft gute Aussichten, wenn sie die Staatshilfen bekommt. Schließlich besitzt das Unternehmen lukrative Aufträge, die es eben nur fertigstellen muss. „Ohne den Staat geht das derzeit nicht“, sagt denn auch Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Zudem versucht der Staat eben auch finanziell von seiner Rettung zu profitieren. Unklar ist, welchen Zinssatz beide Seiten am Ende aushandeln, bei einem Volumen von 400 Millionen Euro kommen dabei aber ordentliche Summen zu Stande. Sollten es etwa niedrige zwei Prozent pro Jahr werden und die Meyer-Familie ihre Anteile zum erstmöglichen Zeitpunkt 2027 zurückkaufen, müsste sie bereits rund 424 Millionen Euro zurückzahlen. Der Staat würde dann einen Zinsgewinn von 6,1 Prozent machen. Bei einem hohen Zinsniveau von 5 Prozent wären es 463 Millionen Euro oder 15,8 Prozent Rendite. Jedes Jahr, das vergeht, bis die Eigentümer-Familie ihre Anteile zurückkauf, erhöht die Gewinne von Bund und Land.

Ist das aus staatlicher Sicht eine gute Taktik?

Die Bundesregierung wendet die Taktik, staatliche Hilfen nur gegen Zinszahlungen zu geben, nicht zum ersten Mal an. Sie hat bisher mal besser und mal schlechter funktioniert. Das klassische Beispiel dafür ist die 25-prozentige Beteiligung an der Commerzbank##chartIcon. In diese investierte der Bund im Zuge der Finanzkrise 2009 rund 10,2 Milliarden Euro, um das Institut zu retten. Zwar hat sich die Bank mittlerweile erholt, der Aktienkurs liegt aber noch weit unter dem damaligen Kurs. Er müsste von derzeit rund 13 Euro sich auf 25 Euro fast verdoppeln, damit der Staat verlustfrei aussteigen könnte. Einen Teil seiner Verluste realisierte der Bund bereits im vergangenen Jahr, als er rund 9,4 Prozent der Anteile verkaufte und seitdem nur noch 15,6 Prozent der Commerzbank hält. Allerdings: Solange es der Bank gut geht, verdient die Bundesregierung noch über Dividenden mit, allerdings sind das nur geringe Einnahmen. Vergangenes Jahr gab es dafür nur rund 65 Millionen Euro.

Andere Staatshilfen waren ertragreicher: 2020 wurde die Lufthansa##chartIcon gerettet, die ebenfalls wegen der Corona-Pandemie in eine schwere Krise gerutscht war. Der Bund kaufte hier für rund 9 Milliarden Euro 20 Prozent der Unternehmensanteile und ließ sich diese Hilfe ebenfalls verzinsen. 2022 wurde die Beteiligung wieder verkauft, der Gewinn beläuft sich auf rund eine Milliarde Euro oder rund 11 Prozent des Investments.

Ebenfalls 2020 rettete der Staat den Touristik-Konzern TUI##chartIcon mit 4,3 Milliarden Euro, von denen 1,3 Milliarden Euro direkt flossen und 3 Milliarden Euro Bürgschaften waren. Dank mehrerer Kapitalerhöhungen zahlte der Konzern die Gelder bis 2023 komplett zurück. Für den Staat blieb hier ein Gewinn von rund 600 Millionen Euro oder rund 14 Prozent des Investments, wenn wir die Bürgschaften mit einberechnen.

Unklar ist noch, wie sich die Rettungsaktion beim Energiekonzern Uniper##chartIcon auswirken wird. Hier hat der Staat seit 2022 rund 13,5 Milliarden Euro für 99 Prozent der Unternehmensanteil gezahlt. Uniper ist damit technisch gesehen bereits ein Staatskonzern. Die gesamten Kosten könnten aber noch auf 30 Milliarden Euro steigen. Letzteres erscheint allerdings weniger wahrscheinlich, weil Uniper schon vergangenes Jahr wieder 6,3 Milliarden Euro Gewinn verbuchte. Das beruhte auf einigen Sondereffekten, trotzdem werden für dieses und die kommenden Jahre Nettogewinne zwischen 740 Millionen und 1,4 Milliarden Euro jährlich prognostiziert. Der Bund hat nicht viel Zeit, seine Gewinne einzufahren. Die EU genehmigte die Übernahme nur bis 2028, spätestens dann müssen die Uniper-Anteile wieder verkauft werden. Stand jetzt wäre das ein herbes Verlustgeschäft: Der Aktienkurs von Uniper steht heute bei rund 44 Euro, selbst am tiefsten Punkt der Krise 2022 waren es 360 Euro.

Wie geht es jetzt mit der Meyer-Werft weiter?

Die Rettungsaktion für die Meyer-Werft ist zwar beschlossen, aber noch nicht final. Wie erwähnt finden noch Verhandlungen über Details der Eigenkapitalerhöhung und Bürgschaften statt. Auch einige organisatorische Fragen müssen noch geklärt werden, etwa die Besetzung von Gremien im Unternehmen. Sind diese ausgehandelt, müssen noch die Haushaltsausschüsse des Bundestages und des niedersächsischen Landtags den jeweiligen Ausgaben und Bürgschaften zustimmen und schließlich auch noch de EU-Kommission, weil Staatshilfen in der Union nur unter bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar ist nicht zu erwarten, dass eine der Stellen ihre Zustimmung verweigert, aber viel Zeit für Verhandlungen bleibt nicht mehr. Am 15. September geht der Werft sonst das Geld aus.

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