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„Facebook hat Massenverrat begangen“: Internet-Experte Jörg Schieb über Datenklau-Skandal bei „Markus Lanz“

Zu Gast bei Markus Lanz (v. l. n. r.): Ranga Yogeshwar, Mayte Garcia, Bülent Ceylan, Klaus Brinkbäumer und Jörg Schieb. (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast bei Markus Lanz (v. l. n. r.): Ranga Yogeshwar, Mayte Garcia, Bülent Ceylan, Klaus Brinkbäumer und Jörg Schieb. (Bild: Screenshot ZDF)

Datendiebstahl bei Facebook: Was hat es mit dem Big-Data-Skandal auf sich? Das diskutierten Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar und Internet-Experte Jörg Schieb am Mittwochabend bei „Markus Lanz“.

Es ist ein schwerer Schlag für Facebooks Image: Ein britischer Professor hat über eine eigens entwickelte App Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern gesammelt und diese an die Analysefirma Cambridge Analytica verkauft. Auch, wenn Facebook-Chef Mark Zuckerberg versprach, User-Daten künftig besser schützen zu wollen, steckt das soziale Netzwerk nun in einer Vertrauenskrise. Was es damit auf sich hat, war eines der zentralen Themen der Mittwochssendung von „Markus Lanz“.

Moderator Ranga Yogeshwar erklärte, der Datenskandal habe in erster Linie mit dem US-Präsidentschaftswahlkampf zu tun: „Wenn man sich die Wahl genauer anschaut, merkt man: [Trump] ist sehr knapp Präsident geworden, das war keine große Mehrheit. In mehreren Staaten einige tausend Stimmen. Es wurde darüber diskutiert: War dieser Wahlkampf einer, bei dem das Internet – konkreter die sozialen Netzwerke – eine wichtige und vielleicht größere Rolle gespielt haben, als man denkt?“

Die Daten seien vor allem dafür verwendet worden, unentschlossene Wähler punktgenau anzusprechen. „Da kommt Facebook ins Spiel, weil Facebook erstens ein gigantisches soziales Netzwerk ist, zwei Milliarden Nutzer, in den USA weitverbreitet. Anhand der Daten in Facebook und anhand spezieller Apps […] war man in der Lage, genau auszuloten: Wie ist das Profil von dem einen oder dem anderen? Wer sind die Wankelmütigen, was ist deren Einstellung, wofür interessieren sie sich? Womit kann ich die ködern?“, so Yogeshwar.

Internet-Experte Jörg Schieb relativierte: Der letzte US-Präsidentschaftswahlkampf sei nicht das erste Mal, das soziale Netzwerke im Wahlkampf eine Rolle gespielt hätten. Die Frage von Moderator Lanz, ob man es hier mit Manipulation zu tun habe, verneinte Schieb: „Ich würde es nicht unbedingt als Manipulation bezeichnen. Im Grunde ist das, was Cambridge Analytica gemacht hat, sehr konsequent das weiterzutreiben, was Facebook ohnehin als Geschäftskonzept hat.“

Internet-Experte Jörg Schieb sprach im Zuge des Facebook-Skandals vom Verrat am User. (Bild: Screenshot ZDF)
Internet-Experte Jörg Schieb sprach im Zuge des Facebook-Skandals vom Verrat am User. (Bild: Screenshot ZDF)

Das Geschäftskonzept von Facebook ziele einzig darauf ab, an Userdaten zu kommen und die Nutzer so gut wie möglich kennenzulernen, so Schieb. „Dieses Kennenlernen bedeutet: möglichst die Vorlieben kennen, die Orte, wo man ins Restaurant geht, wo man eincheckt, welche Hotels man besucht, ob man Fahrrad fährt, Veganer ist […]. Weil das die Möglichkeit bietet, möglichst genaue Werbung zu präsentieren.“ Sein Fazit des Skandals: „Big Data, dieses große Datenpoolsystem, wird auf die Spitze getrieben und komplett ausgenutzt. Genau das ist der wichtige Punkt, den man auch in aller Deutlichkeit sagen muss: Dass Facebook hier Massenverrat begangen hat, nachgewiesenermaßen – aber es sowieso täglich tut.“

Cambridge Analytica habe keinen direkten Kontakt zu Facebook gehabt, so Schieb weiter: „Man kann keine Daten kaufen bei Facebook. Aber wenn man eine App entwickelt, also eine Anwendung, die auf dem Portfolio von Facebook läuft […], dann hat man das Privileg, auf bestimmte Daten zuzugreifen, die Facebook zur Verfügung stellen kann und auch zur Verfügung stellen möchte.“

Diese politische Einflussnahme durch User-Daten könne zum enormen politischen Problem werden, attestierte Yogeshwar: „Ich persönlich glaube, wir müssten eine Offenlegungspflicht verlangen, eine Art Rechenschaftspflicht. Ich würde persönlich so weit gehen, zu sagen: […] Die Konsequenzen, auch für die Politik, sind eine Entmündigung. Wenn das so weiter geht, werden irgendwann Milliardäre bestimmen, wer Politik macht. Die Politik selbst hat ein Interesse, hier einzuschreiten.“